AssCompact suche
Home
Management & Wissen
13. Juni 2019
Videoberatung: So müssen die Vertriebsprozesse angepasst werden

Videoberatung: So müssen die Vertriebsprozesse angepasst werden

Videoberatung stößt auf großes Interesse bei Versicherern und Maklern. Digitale Beratung gelingt aber nur durch eine Anpassung der Vertriebsprozesse. Dies wird häufig unterschätzt, weiß Felix Anthonj, Geschäftsführer der Flexperto GmbH, die sich als Pionier der digitalen Kundenkommunikation versteht.

Herr Anthonj, wie hoch schätzen Sie den Anteil der Versicherungsmakler, die mittlerweile Videoberatung einsetzen?

Zunächst einmal erscheint es mir wichtig zu betonen, dass der Begriff Videoberatung zu kurz greift. Vielmehr geht es um eine Beratung und Betreuung von Kunden über die Distanz. Sicherlich ist ein Videochat die persönlichste Art der Distanzberatung, die aber nicht immer notwendig oder möglich ist. In vielen Fällen reicht es aus, den Bildschirm oder Verkaufsprogramme zu teilen oder gemeinsam einen Antrag auszufüllen und dann im Idealfall auch direkt per E-Signatur abzuschließen.

Nun aber zu Ihrer eigentlichen Frage: Bei einigen unserer Kunden sehen wir, dass bereits über 80% der Vermittler regelmäßig Online-Termine mit Kunden durchführen. Andere Versicherer und Maklergesellschaften sind das Thema noch nicht konsequent angegangen aufgrund fehlender Projektressourcen, veralteter Hardware oder mangelnden Verständnisses der Führung oder der Vermittler selbst für die Notwendigkeit digitaler Kontaktkanäle im Kundendialog. Diese lassen viel Potenzial auf der Strecke.

Der Umstieg fällt den Vermittlern also schwer?

Ja, der Umstieg fällt ihnen schwer. Wir sehen die größten Schwierigkeiten darin, dass der Vermittler erkennen muss, dass er für eine langfristig effizientere Arbeitsweise dank digitaler Tools kurzfristig Aufwand betreiben muss, um beispielsweise Dokumente zu digitalisieren oder seinen Arbeitsplatz zu optimieren. An der Stelle sind die Gesellschaften gefragt, genügend Ressourcen für die Begleitung zur Verfügung zu stellen und die notwendigen technischen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Wie verändern sich die Prozesse im Vermittlerunternehmen?

Leider trennt sich genau hier die Spreu vom Weizen. Zu viele Vermittler wollen ihre Prozesse nicht verändern und die digitalen Tools mit alten Prozessen verwenden. Das funktioniert aber nicht. Für den erfolgreichen Einsatz der digitalen Beratung ist auf jeden Fall eine Anpassung der Vertriebsprozesse notwendig – und das benötigt Zeit- und Arbeitsaufwand. Diejenigen, die das verstehen und ihre Prozesse optimieren, arbeiten danach wesentlich effizienter, bieten einen innovativen Kundenservice und verdienen definitiv auch mehr Geld. Denn durch die digitale Kommunikation können Kunden deutlich häufiger niederschwellig kontaktiert und betreut werden, was nachweislich zu einer geringeren Stornoquote im Bestand und zu einer Steigerung der Up- und Cross-Selling-Quote führt. Ein wenig Geduld und Durchhaltevermögen zahlen sich also sowohl für die Vermittler als auch für die Gesellschaften aus.

Wo hat sich denn Ihr Angebot bereits durchgesetzt?

Unser Fokus liegt klar auf großen Versicherungen und Maklerhäusern. Hier setzt bereits eine deutlich zweistellige Anzahl an Unternehmen auf Flexperto, beispielsweise die ALTE LEIPZIGER, DEVK, Barmenia, Nürnberger oder auch die VHV. Dabei konzentriert sich der Einsatz auf die Bereiche Maklerbetreuung, Ausschließlichkeitsvertrieb, zentrale Vertriebseinheiten für Gewerbe- und Privatkunden sowie große Makler oder Allfinanzberater. Auch Einzelmakler kommen auf uns zu. Hierzu haben wir unter anderem eine Kooperation mit dem Online-Makler-Experten Bastian Kunkel initiiert und eine simple Lösung auf maklerportal.flexperto.com geschaffen.

Und wie genau funktioniert die Nutzung überhaupt?

Unternehmen können heute dank eines von uns speziell entwickelten Implementierungskonzepts in vier Tagen mit einer ersten Live-Verprobung starten. Für einen Rollout ist neben einer Kalendersynchronisation auch die Integration in Bestandsführungssysteme und das Kundenportal oder die Agenturhomepage von großer Bedeutung. Hier verfügen wir über gut dokumentierte Schnittstellen, die eine Integration in die Beraterapplikationslandschaft ohne großen Aufwand möglich machen. Für den Vermittler ist die Nutzung denkbar einfach: Er braucht nur einen Internetzugang, eine Kamera und ein Mikrofon. Downloads oder Plug-ins sind weder für ihn noch für den Kunden nötig.

Sie verbinden die Videoberatung mit weiteren Kommunikationsmitteln wie beispielsweise WhatsApp. Wie muss man sich das vorstellen?

Ich gebe Ihnen dazu ein konkretes Beispiel: Der Kunde schickt dem Berater eine Nachricht an dessen neue Business-WhatsApp-Nummer, um einen Termin zu vereinbaren. Der Berater schickt dem Kunden einen Link zur Online-Terminbuchung, mit dessen Hilfe der Kunde sich einen freien Slot aussucht und bucht. Vor der Beratung versendet der Berater über den Flexperto Messenger noch einen webbasierten Fragebogen, um den Kunden vorzuqualifizieren. In der Online-Beratung füllen Kunde und Berater dank Co-Browsing gemeinsam einen Antrag aus. Per digitaler Signatur wird noch schnell ein fehlendes Dokument unterschrieben. Die Dokumentation des Gesprächs landet vorgangsbezogen automatisch im CRM-System. Die gesamte Kundeninteraktion kann der Berater mittels Flexperto aus einer nutzerfreundlichen Oberfläche heraus bedienen, ohne dass hierdurch eine Insellösung für das Unternehmen entsteht.

Funktioniert das auch unter Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen, zum Beispiel Datenschutz, Dokumentation oder das geplante Taping?

Ja. Wir haben dazu viel investiert. Einwilligungsmanagement, Lösch­fristen, Server in Deutschland – das sind nur einige Beispiele. Auch können wir eine MiFID-II-konforme Aufzeichnung und Ablage der Online-Meetings implementieren.

Gibt es Schnittstellen zu den Maklerverwaltungsprogrammen?

Das Thema Schnittstellen zu Bestandsführungs- und CRM-Systemen ist für uns essenziell, da wir ein Enterprise-Anbieter sind. Wir haben dazu Integrationen und Partnerschaften, beispielsweise mit Salesforce oder ASSFINET, und verfügen über modernste und gut dokumentierte Schnittstellen.

Sind der „technischen Kommunikation“ denn auch Grenzen gesetzt?

Technische Grenzen meines Erachtens nicht. Vertriebliche Grenzen gibt es allerdings durchaus: Im Gewerbegeschäft ist es teilweise einfach noch notwendig, eine Betriebsbegehung zu machen, und meines Erachtens doch sinnvoll, sich ab und an mal auf einen Kaffee oder ein Glas Wein zu treffen. Allerdings sind es erfahrungsgemäß auch genau die Gewerbekunden, die eine digitale, effiziente Betreuung und Abwicklung ihrer Anfragen bevorzugen, da sie Zeit in ihr Gewerbe und nicht in Versicherungsfragen investieren wollen. Der richtige Mix aus Beziehungspflege vor Ort und digitaler Betreuung ist somit gefragt.

Nach den ersten Jahren: Wo steht denn Ihr Unternehmen? Wie sieht es mit dem nötigen Kapital aus und mit welchen Erfolgszahlen können Sie aufwarten?

Flexperto hat sich in den letzten Jahren hervorragend entwickelt. Aus einem Start-up ist ein profitables Unternehmen mit einer soliden und rasant wachsenden Kundenbasis geworden. Darauf sind wir sehr stolz und dankbar für die Unterstützer der ersten Stunde. Mit der Digisurance Konferenz, die wir in diesem Jahr zum vierten Mal durchgeführt haben, leisten wir zudem einen wichtigen Beitrag zur Vernetzung von Tech-Start-ups und traditionellen Versicherern.

Und wie sieht ganz konkret Ihre Vision für die nächsten drei bis fünf Jahre aus?

Unser Ziel für die kommenden Jahre ist es, unsere Marktposition als führender Softwaredienstleister für digitale Kundenkommunikation in Vertriebs- und Serviceeinheiten weiter auszubauen. Dazu werden wir produktseitig neben der Anbindung weiterer Kanäle, insbesondere im Bereich Instant Messaging, in einen Ausbau von Standardintegrationen in die führenden CRM- und Bestandsführungssysteme investieren. Daneben werden wir uns zukünftig auch stärker der Unterstützung des Kundendialogs durch künstliche Intelligenz widmen, etwa durch die Einbindung von Bots und Assistenzsystemen.

Bild: © Africa Studio – stock.adobe.com

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2019, Seite 102 f. und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Felix Anthonj