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21. Oktober 2022
Von Leitlinien zu Hilfestellungen – EIOPA rudert zurück
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Von Leitlinien zu Hilfestellungen – EIOPA rudert zurück

Seit dem 02.08.2022 müssen bestimmte Regeln im Rahmen der Nachhaltigkeitsabfrage beachtet werden. Nur wenige Wochen vor Einführung hat die EIOPA Leitlinien zur Integration der Nachhaltigkeitspräferenzen in der Eignungsprüfung nach IDD veröffentlicht. Was also steht drin?

Ein Artikel von Anja C. Kahlscheuer, Geschäftsführerin und Rechtsanwältin beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V.

Der Veröffentlichung der Leitlinien war eine Konsultation im April dieses Jahres vorausgegangen, in der die europäische Aufsichtsbehörde European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) verschiedene Leitlinien für die Umsetzung der neuen Regeln abgefragt hatte. Mithilfe dieser Leitlinien sollten Aufsichtsbehörden in allen EU-Staaten die praktische Umsetzung der neuen Eignungsprüfung besser begleiten können. EIOPA hatte auf insgesamt neun Seiten sieben Leitlinien aufgeschlüsselt und um benutzerfreundliche Leitfäden am Ende der Konsultation ergänzt.

Was ist aus dieser Konsultation geworden?

Im Ergebnis hat EIOPA nunmehr ihre Hilfestellungen veröffentlicht, substanzielle Änderungen sind jedoch nicht zu erkennen. Interessant ist, dass die ursprünglichen Guidelines, das heißt die Leitlinien, nun offiziell zu Guidance, das heißt Hilfestellungen, herabgestuft wurden und damit keine verbindliche Vorgabe mehr darstellen.

Wie in der Konsultation selbst enthält auch jetzt die Hilfestellung sieben Fragen rund um das Thema „Beratung zur ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit und guter Unternehmensführung“ (ESG). Die Eignungsprüfung gehöre zu den wichtigsten Anforderungen für den Verbraucherschutz, konstatierte EIOPA, da durch sie sichergestellt werde, dass der Kunde nur für geeignete Versicherungsanlageprodukte seine Investitionen vornimmt.

EIOPA erkennt auch, dass für die Frage der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Anlagen viele Informationen noch fehlen. So fehlen zum Beispiel viele technische Standards, auf deren Basis die Versicherer die Produkte bewerten können und letztendlich die Versicherungsvermittler mit verfügbaren Informationen beraten können, damit sie nach bestem Wissen und Gewissen den Verbraucher informieren können.

Leitlinie 1

Die erste Leitlinie besagt, dass Versicherer und Vermittler sicherstellen sollen, dass der Kunde eine klare Vorstellung vom Begriff „Nachhaltigkeit“ hat und klar ist, inwiefern er sich die Einbeziehung von Nachhaltigkeitspräferenzen in sein Investment wünscht. Eine solche Erstinformation soll allerdings der Versicherer und Vermittler nicht selbst entwickeln. Wichtig sei, dass hier keine technischen Begrifflichkeiten verwendet werden, die dem Verbraucher nicht verständlich sind und ihm keine Hilfestellung bei seiner Entscheidung bieten.

Leitlinie 2

Die zweite Leitlinie gibt Aufschluss über die Frage, wann die Nachhaltigkeitspräferenzen abzufragen sind. Die EU-Aufsichtsbehörde schlägt hier vor, zunächst die notwendigen Fragen im Rahmen der Vermittlung von Investmentprodukten, nämlich die Eignung, zu beurteilen und im Anschluss daran die Nachhaltigkeitspräferenzen beim Kunden zu eruieren. Der Kunde solle dazu detailliert in der vorgegebenen Logik der EU-Offenlegungsverordnung gefragt werden, nämlich

  • welche Mindestanteile an ökologischer Nachhaltigkeit im Sinne der Taxonomieverordnung oder
  • welche Mindestanteile allgemein nachhaltiger Anlagen nach der Offenlegungsverordnung oder
  • welche Ausschlüsse an Nachhaltigkeitsauswirkungen gewünscht werden.

Auch eine Kombination aus allen drei oben genannten Vorschlägen soll hier möglich sein. Im Rahmen der Abfrage soll der Berater aber einen neutralen Standpunkt einnehmen und den Kunden nicht in seinen Wünschen und Vorstellungen beeinflussen.

Leitlinie 3

Die dritte Leitlinie sieht vor, dass Versicherer und Vermittler auch bei Bestandskunden eine nachträgliche Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen vornehmen sollen. Als zeitliche Vorstellung gilt hier die nächste reguläre Folgeberatung mit einem sogenannten Update der Eignungsprüfung. Problematisch dürfte dies sein, wenn es sich um ältere Bestandsverträge ohne oder mit stark eingeschränkten Wahloptionen handelt. Hier hilft die Leitlinie nicht weiter, da nicht klar ist, wie das Problem gelöst wird, wenn der Kunde womöglich enttäuscht ist und die Versicherung vorzeitig kündigt oder beitragsfrei stellen will.

Leitlinie 4

Die vierte Leitlinie beschäftigt sich mit der vorvertraglichen Kundeninformation. Diese soll dem Kunden ermöglichen, die verfügbaren Angebote auch zu vergleichen. Hier besteht allerdings das Problem, dass die technischen Regulierungsstandards zum Teil noch fehlen oder wohl erst zum Jahresende bekannt sein dürften. Insofern wird es schwerfallen, die verfügbaren Angebote derart differenziert zu betrachten.

Leitlinie 5

Die fünfte Leitlinie besagt, dass die Kundenwünsche zur Nachhaltigkeit bei der Produktauswahl im Anschluss an die grundlegenden Kriterien der Eignung nach dem Kundenwissen, der finanziellen Situation und den Anlagezielen zu berücksichtigen sind. Auch dürfe der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen im Einzelnen anpassen, wenn sich im Rahmen des Gesprächs kein übereinstimmendes Produkt finden lässt. Entscheidend ist, dass der Versicherer und der Vermittler keine Empfehlung eines Versicherungsanlageproduktes aussprechen, wenn es kein entsprechendes Produkt für den Kunden anzubieten gibt.

Leitlinie 6

Die sechste Leitlinie formuliert noch einmal die Verpflichtung, die Beratung zu dokumentieren und die Unterlagen aufzubewahren. Empfohlen wird auch, eine mögliche Anpassung der Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechend zu dokumentieren.

Leitlinie 7

Die siebte Leitlinie schließlich befasst sich mit der Thematik des Basiswissens. EIOPA führt hier aus, dass dieses selbstverständlich vorhanden sein muss, damit eine erweiterte Eignungsprüfung durchgeführt werden kann. Aber auch „vertiefte“ Kenntnisse sind dann erforderlich, wenn bestimmte ökologische oder soziale Nachhaltigkeitsprodukte vertrieben werden. Hier bleibt abzuwarten, welche „vertieften“ Kenntnisse hier tatsächlich gefordert werden.

Fazit: Entwicklung beobachten

Die Leitlinien dienen der Industrie zunächst als sinnvolle Unterstützung. Unmittelbare Wirkung für deutsche Versicherer und Versicherungsvermittler sind jedoch nicht zu erwarten. Interessant wird es sein, die Entwicklung der Leitlinien zur Frage des Basiswissens und der „vertieften“ Kenntnisse zu beobachten, als auch, wann denn nun die technischen Regulierungsstandards seitens der EU veröffentlicht werden. Erst dann ist es möglich, entsprechende Produkte genau zu bewerten und letztendlich auch zu vertreiben. Hier wird der BVK genau hinsehen, denn dies wird entscheidend dafür sein, inwieweit der Vertrieb durch die Versicherungsvermittler im Kundeninteresse erfolgen kann.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 10/2022, S. 132 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Martin Bergsma – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Anja C. Kahlscheuer