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30. September 2022
Vorsicht, FIRE – Finger weg von Frugalisten!

Vorsicht, FIRE – Finger weg von Frugalisten!

Frugalisten haben es sich zum Ziel gesetzt, möglichst früh nicht mehr auf Erwerbsarbeit angewiesen zu sein. Sie gehen häufig einer gut bezahlten Tätigkeit nach, suchen nach renditeträchtigen Anlagen und legen Disziplin an den Tag. Sind Frugalisten damit eine passende Zielgruppe für Finanzanlagenvermittler?

Ein Artikel von Tom Kufner, AssCompact

So fremd vielen der Begriff erscheinen mag: Frugalisten sind kein neues Phänomen. Immerhin träumen viele Menschen von einem frühzeitigen Ruhestand. Die Frugalisten-Bewegung hat zu diesem Ziel den Slogan „Financial Independence, Retire Early“ geprägt, der sich hinter dem in der Community gängigen Akronym FIRE verbirgt.

Worin sich Frugalisten von der Masse abheben, ist zum einen, wie früh sie dieses Ziel erreichen wollen, und zum anderen, wie stark sie bereit sind, sich im Jetzt dafür einzuschränken. Der geplante Eintritt in den Ruhestand mit Anfang 40 ist da kein seltener Vorsatz. Unterschieden wird dabei regelmäßig zwischen Fat FIRE und Lean FIRE.

Fat und Lean FIRE

Während Fat FIRE vorsieht, so viel Geld zurückzulegen, dass beim Kapitalverzehr keine nennenswerten Entbehrungen vonnöten sind, bedeutet Lean FIRE, dass die Rücklagen ausreichen, um die sparsamen Lebenshaltungskosten des Frugalisten abzudecken.

Doch Frugalisten sind in der Regel nicht so kurzsichtig, ihr gespartes Kapital einfach auf dem Tagesgeldkonto versauern zu lassen. Sie bedienen sich der Möglichkeiten des modernen Kapitalmarkts, um ihr Ziel von der finanziellen Freiheit früher zu erreichen. Das hängt auch damit zusammen, dass die Frugalismus-Bewegung den kapitalmarktfreundlichen Vereinigten Staaten entstammt.

Mr. Money Mustache

Der Blogger Peter Adeney verhalf der Bewegung dann zu bis dato ungekannter Popularität. Auf seiner Website dokumentierte er unter dem Pseudonym Mr. Money Mustache den Versuch, gemeinsam mit seiner Frau bereits im Alter von 30 Jahren finanziell frei zu werden. Dass es den beiden gelang, lag aber nicht zuletzt an der gut bezahlten Tätigkeit als Software-Entwickler, der die beiden damals nachgingen.

Das führt zu dem entscheidenden Punkt: Frugalist sein muss man sich leisten können. Viele Frugalisten leben zwar sehr schlicht und versuchen ihre Sparquote zu maximieren, aber auch wer gute Investmententscheidungen trifft, wird dem frühzeitigen Ruhestand mit Kleckerbeträgen nur in Trippelschritten näherkommen.

Kaum Beratungsbedarf bei Anlagethemen

Das klingt nun, als wären Frugalisten eine lohnende Zielgruppe für die Vermittlung von Finanzanlagen. Immerhin üben sie häufig gut bezahlte Tätigkeiten aus, können und wollen sich eine hohe Sparquote zumuten und verfügen über langfristige Ziele, die sie mit eiserner Disziplin verfolgen. Doch hier sind Finanzanlagenvermittler auf dem Holzweg.

Frugalisten sind in der Regel Investment-Experten. In den einschlägigen Foren, Blogs und YouTube-Kanälen geht es zwar auch um Sparsamkeit im Alltag, aber im Fokus steht dennoch der Austausch über die jeweilige Anlagestrategie. Denn mit ihr steht oder fällt die Ziel­stellung FIRE.

Allergisch gegen hohe Kosten

Besonders kritisch werden in der Community hohe Gebühren betrachtet. Wodurch aktive Fonds in der Regel schlechte Karten haben – von einzelnen Produkten mit überschaubaren Gebühren abgesehen, die aber meist ähnlich wie Indexfonds ebenfalls ganze Märkte abbilden (z. B. das GlobalPortfolioOne von Andreas Beck oder der ARERO-Fonds von Prof. Martin Weber).

Für Frugalisten sind in der Regel ETFs und Indexfonds das Mittel der Wahl, wenn es um das passende Investmentvehikel geht, mit dessen Hilfe FIRE erreicht werden soll. Und sogar hier wird vielfach an den Gebühren gemäkelt: „Sollte ich meinen ETF mit 0,18% laufende Kosten p. a. durch das neue Produkt mit nur noch 0,12% ersetzen?“ Und kurze Zeit später schwenkt die Debatte dann auf die Tracking Difference um, die die anfallenden Kosten viel besser ausdrückt.

Kurz gesagt: Deutschland braucht zwar kompetente Beratung bei den Themen Kapitalanlage und Altersvorsorge. Wer jedoch eine Zielgruppe sucht, die nahezu keinen Beratungsbedarf mehr aufweist und bereits in jungen Jahren zielstrebig auf die Absicherung im (frühen) Alter hinarbeitet, der wird bei den Frugalisten fündig.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2022, S. 117, und in unserem ePaper.

Bild: © tomfallen – stock.adobe.com