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27. März 2023
Weg von „nine to five“ hin zu flexibler Arbeitszeit

Weg von „nine to five“ hin zu flexibler Arbeitszeit

Beschäftigte verlangen zunehmend eine Flexibilisierung ihrer Arbeitszeiten. Und auch Arbeitgeber können davon profitieren. Über die Möglichkeiten flexibler Arbeitszeiten, die rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Arbeitszeiterfassung sowie das Prozedere beim Sabbatical klärt eine Rechtsexpertin auf.

Ein Artikel von Smaro Sideri, Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht Referentin für arbeitsrechtliche Seminare und Podcasthost „Attraktive Arbeitgeber gesucht“

Neben einem guten Gehalt kommt es den Beschäf­tigten heute auf flexible Arbeitsbedingungen an, die schon gleich beim Bewerbungsgespräch erfragt werden. Deshalb ist es auch zu empfehlen, schon in der Stellenanzeige mit den Möglichkeiten der flexiblen Arbeitsgestaltung zu werben, wenn Sie diese anbieten. Worauf kommt es also arbeitsrechtlich gesehen bei den verschiedenen Arbeitszeitmodellen an?

Flexible Arbeitszeiten

Weg von „nine to five“ hin zu flexibler Arbeitszeit. Also Beginn und Ende der Arbeitszeit können von den Mitarbeitenden innerhalb eines Rahmens der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit und einer Kernarbeitszeit festgelegt werden. Das erfolgt dann entweder in Absprache in der Abteilung oder durch Eintrag in den Kalender oder wie auch immer die betriebliche Vorgabe ist.

Die Vereinbarung von Arbeitszeitkonten kann ebenfalls zu einer Flexibilisierung beitragen. Es wird mehr gearbeitet in Zeiten von größerem Arbeitsanfall und weniger, wenn gerade ruhigere Zeiten sind. Wichtig ist, dass solche Arbeitszeitkonten ebenfalls einen festgelegten Rahmen haben und es konkrete Regelungen gibt, wann und wie der Freizeitausgleich stattfindet. Eine gesetzliche Vorgabe zur Gestaltung eines Arbeitszeitkontos gibt es nicht. Einzige Vorgabe ist die Einhaltung der maximalen zehn Arbeitsstunden am Tag.

Besonderheit „Vertrauensarbeitszeit“

Die sogenannte Vertrauensarbeitszeit wird in vielen, häufig außertariflichen Bereichen angewendet. Damit ist gemeint, dass die Beschäftigten innerhalb des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitrahmens die Lage ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen. Eine Arbeitszeiterfassung findet in diesem Modell typischerweise nicht statt. Es wird auf die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit vertraut. Rechtlich stößt man hier jedoch an Grenzen.

Arbeitszeiterfassung

Auch bei der Vertrauensarbeitszeit ist gemäß § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Erfassung und Dokumentation von Arbeitszeiten erforderlich, die über acht Stunden täglich liegen. Auf welchem Wege diese Erfassung stattfindet, ist wiederum gesetzlich nicht vorgegeben. Der Arbeitgeber kann diese Verpflichtung an die Beschäftigten delegieren, muss die Erfassung der Arbeitszeiten aber kontrollieren.

Zudem hat zunächst der Europäische Gerichtshof und nun auch das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21) entschieden, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, alle Arbeitszeiten zu erfassen, also ab der ersten Stunde. In der Urteilsbegründung wird darauf verwiesen, dass sich diese Verpflichtung aus dem Arbeitsschutzgesetz ergibt, wonach es zu den Grundpflichten des Arbeitgebers gehört, „die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Er hat für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen.“

Die Art und Weise der Erfassung der Arbeitszeit wird nicht vorgegeben. Für mobil oder hybrid Arbeitende kann die Erfassung zum Beispiel per App erfolgen oder es kann eine Excel-Tabelle dafür verwendet werden. Im Ergebnis ist die recht­liche Voraussetzung, dass die tatsächlich gearbeiteten Stunden und die daraus ersichtlichen Ruhezeiten dokumentiert sind. Die Regelung dient dem Arbeitnehmerschutz, auch wenn es von vielen nicht so verstanden wird.

Wochen-, Monats- oder auch Jahresarbeitszeit

Sofern es die Tätigkeit hergibt, kann die Arbeitszeit, die vertraglich zu erbringen ist, als Wochen-, Monats- oder auch Jahresarbeitszeit vereinbart und auch geleistet werden. Die einzigen gesetzlichen Parameter, die zu beachten sind:

  • nicht mehr als zehn Arbeitsstunden an einem Tag,
  • zwischen zwei Arbeitstagen müssen elf Stunden Ruhezeit liegen und
  • spätestens nach sechs Arbeitsstunden muss eine Pause gemacht werden.

Diese Rahmenbedingungen gibt das ArbZG gemäß §§ 3–5 ArbZG vor. Damit ist natürlich eine vollständige Flexibilisierung nicht möglich, wenn diese Parameter eingehalten werden sollen. Wobei der Samstag grundsätzlich als Werktag hinzugezählt werden kann, sofern keine geltende tarifliche Regelung eine Fünf-Tage-Woche vorsieht.

Wochenarbeitszeit

Möchte zum Beispiel ein Beschäftigter sechs Stunden vormittags arbeiten, also von 8 bis 14 Uhr, und weitere zwei Stunden am Abend im Homeoffice von 19 bis 21 Uhr, ist das grundsätzlich möglich. Am nächsten Tag könnte er wieder die gleichen Arbeitszeiten ab 8 Uhr haben und würde sich innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen bewegen.

Monatsarbeitszeit

Wird eine Monatsarbeitszeit festgelegt, ist eine einvernehmliche Verteilung der Arbeitstage und Arbeitsstunden innerhalb der obigen Regeln ziemlich beliebig möglich. Ist zum Beispiel eine Monatsarbeitszeit von 160 Stunden arbeitsvertraglich vereinbart worden, kann an mehreren Tagen auch bis zu zehn Stunden gearbeitet werden, dafür an anderen Tagen gar nicht. Dazu eine kleine Beispielrechnung: Ein Arbeitnehmer arbeitet an drei Tagen einer Fünf-Tage-­Woche je zehn Stunden. Damit beträgt die Arbeitszeit 150 Stunden. Außerdem arbeitet er einen weiteren Tag mit zehn Stunden, sodass der Beschäftigte damit die Monatsarbeitszeit von 160 Stunden erfüllt. Bei einem Monat mit 30 Tagen, wären in diesem Beispiel sechs Arbeitstage frei, ohne dass dafür Urlaub eingebracht werden müsste.

Jahresarbeitszeit

Bei einer vereinbarten Jahresarbeitszeit sind noch flexiblere Gestaltungen möglich. Die Verteilung der Arbeitszeit und die Festlegung der Arbeitstage müssen dann mindestens einen Monat im Voraus festgelegt werden, damit eine Planbarkeit möglich ist. Außerdem ist für die Berechnung der Urlaubstage die Festlegung der Anzahl der Arbeitstage in der Woche erforderlich.

Sabbatical

Auch das Sabbatical, also eine vorübergehende Auszeit aus dem Job, erfreut sich immer größerer Beliebtheit. Eine gesetzliche Regelung gibt es in Deutschland dazu nicht. Es ist per Vereinbarung zwischen den Arbeitsvertragsparteien möglich, die Dauer des Sabbaticals zu definieren. Üblicherweise wird zuvor ein Teil der Vergütung auf einem Arbeitszeitkonto angespart, aus dem die Auszeit dann finanziert wird. In manchen Unternehmen existieren Sabbatical-Betriebsvereinbarungen, die die Einzelheiten regeln.

Betriebliche Erfordernisse

Der Wunsch der Beschäftigten nach einer möglichst großen Flexi­bilität ihrer Arbeitszeiten muss sich natürlich auch an der tatsächlichen betrieblichen Umsetzbarkeit messen lassen. Je nach Aufgaben und Tätigkeiten ist mehr oder weniger Flexibilität möglich. Häufig werden flexible Arbeitszeitmodelle im Team oder in der Abteilung besprochen und abgestimmt werden müssen, wenn gewisse Anwesenheitszeiten abgedeckt werden müssen. Es sind freiwillige, einvernehmliche Vereinbarungen, die für die Arbeitsverhältnisse getroffen werden können. Arbeitgeber werden sich vermehrt auf flexible Regelungen einzulassen haben, wenn sie für die bisherigen „Standardmodelle“ keine Fachkräfte finden, um ihre Stellen zu besetzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 110 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Creativa Images – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Smaro Sideri