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Steuern & Recht
13. Juli 2022
Welche Vorfahrtsregeln auf einem Parkplatz gelten

Welche Vorfahrtsregeln auf einem Parkplatz gelten

Gegenseitige Rücksichtnahme oder „rechts vor links“? Auf großen Parkplätzen öffentlicher Einrichtungen kann es zwischen Fahrern oft zu Missverständnissen mit unangenehmen Folgen kommen. Wer dann bei einem Unfall wie viel Schuld trägt, damit musste sich das OLG Frankfurt am Main befassen.

Auf einem Baumarktparkplatz hatte sich ein Verkehrsunfall ereignet, in dessen Folge einer der Beteiligten als Kläger restlichen Schadensersatz begehrte. Der Parkplatzbetreiber hatte die Geltung der StVO angeordnet.

Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse münden von rechts mehrere andere Fahrgassen ein. Der beklagte Unfallgegner befuhr eine dieser von rechts auf die Ausfahrtfahrgasse einmündenden Fahrgassen, an deren beiden Seiten sich im rechten Winkel angeordnete Parkboxen befanden. Auch die zur Ausfahrt führende Fahrgasse verfügte im linken Bereich über Parkboxen. Im Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen Fahrzeug.

Bisheriger Prozessverlauf

Das Landgericht hat der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten in Höhe von 25% stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers führte dann aber zu einer Abänderung der Haftungsquote auf sogar 50%. Maßgeblich für die Höhe der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten sei, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, betonte das Oberlandesgericht Frankfurt (OLG). Die Verursachungsbeiträge der Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge seien hier als gleichgewichtig anzusehen, der durch den Unfall verursachte Schaden sei also zu teilen.

Zur Begründung führte das OLG aus, der Beklagte könne nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt wurde. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen grundsätzlich anwendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen seien jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewährten deshalb keine Vorfahrt. „Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes [...], gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme [...,] d. h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jemals anderen Fahrzeugführer zu suchen“, unterstreicht das OLG.

Fahrgassen fehlt es am „Straßencharakter“

Etwas Anderes gelte nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter könne etwa die Breite der Fahrgassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben. Derartige straßentypische bauliche Merkmale fehlten jedoch im konkreten Streitfall. Die Fahrgassen dienten ersichtlich nicht dem fließenden Verkehr, da an ihnen jeweils Parkboxen angeordnet waren.

Da es auch für die vom Klägerfahrzeug befahrene Fahrgasse an diesem „Straßencharakter“ fehle, habe der Beklagte auch nicht die hohen Sorgfaltsanforderungen beim Einfahren auf eine Fahrbahn (§ 10 StVO) erfüllen müssen, so das OLG. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. (ad)

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.6.2022 – 17 U 21/22

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