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20. August 2025
Wenn AO-Vermittler ausscheiden, was passiert mit den Beständen?
Wenn AO-Vermittler ausscheiden, was passiert mit den Beständen?

Wenn AO-Vermittler ausscheiden, was passiert mit den Beständen?

Viele Versicherungsvermittler gehen in den Ruhestand oder steigen aus wirtschaftlichen Gründen aus. Was passiert mit ihren Kunden? Die Versicherer agieren unterschiedlich und teilweise Von Fall zu Fall. Doch könnten auch Makler eine Rolle spielen?

Die Versicherungsbranche steht vor einem strukturellen vertrieblichen Wandel. Das betrifft nicht nur den Versicherungsmaklermarkt, der von Kooperationen und Übernahmen geprägt ist, sondern auch die Ausschließlichkeit. Viele Ausschließlichkeitsvertreter nähern sich dem Rentenalter oder geben ihre Tätigkeit aufgrund wirtschaftlicher Herausforderungen auf. Das IHK-Vermittlerregister zeigt dies vierteljährlich anhand neuer Statistiken. Doch was geschieht mit den betreuten Kunden und deren Verträgen, wenn Vertreter oder Agenturen ausscheiden? Die Frage nach der Zukunft von Kundenbeständen gewinnt an Relevanz, auch wenn sie nicht neu ist. Die schnelle Antwort wäre: Es kommt darauf an. Aber ein näherer Blick auf Tendenzen interner Bestandssicherung, Übergabe an größere Agenturen oder gar auf die Überlegung, Versicherungsmakler mit ins Boot zu holen, lohnt sich.

„Wir haben uns vor ein paar Jahren dafür stark gemacht, dass die Versicherer freiwerdende Bestände nicht mehr in Agenturen mit kleinen Beständen einstellen, sondern die Bestände in auskömmlicher Größe verteilen“, erklärt Marco Seuffert, Vorsitzender des AVV (Arbeitskreis Vertretervereinigungen der Deutschen Assekuranz e.V.) und Vizepräsident des BVK. Das wird wohl auch immer häufiger praktiziert. Bestände werden heute eher in regionale, größere Agenturen vergeben, die sich verpflichten, die Kundenbetreuung mit eigenem Personal und das dort vorhandene Know-how sicherzustellen. Das entlastet auch die Versicherer dahingehend, dass diese selbst weniger Betreuungskräfte vorhalten müssen. Dort wo es keine passenden Einheiten gebe, suche man nach externen Nachfolgern und vergebe die Bestände an diese, so Seuffert.

Für Versicherer stellt das Ausscheiden von Agenturen heute keine überraschende Entwicklung mehr dar. Auch wenn mitunter geäußert wird, dass es an klaren Strategien mangele, zeigt sich in der Praxis eher, dass die Ansätze von Versicherer zu Versicherer variieren und sich zudem an der jeweiligen Positionierung und Kundenstruktur der Agentur orientieren.

Wie machen das die Versicherer?

Wie der Umgang mit ausscheidenden Agenturen konkret gestaltet wird, lässt sich am Beispiel der Allianz veranschaulichen: Eine Unternehmenssprecherin erklärt, dass frei werdende Bestände entweder im Rahmen einer klassischen Nachfolgeregelung an die neue, nachfolgende Agentur übertragen oder auf andere geeignete Agenturen innerhalb der Ausschließlichkeitsorganisation verteilt werden. Dabei stehe die Nähe zum Kunden im Mittelpunkt, so die Allianz. Die Allianz Beratungs- und Vertriebsgesellschaft, Vertriebsarm der Allianz, setzt dabei weiterhin auf eine überdurchschnittliche, flächendeckende Präsenz durch Vertreterinnen und Vertreter vor Ort.

Eine weitere Möglichkeit der Bestandsübernahme, wie die Allianz weiter erläutert, bietet zudem die Digitale Vertriebseinheit (DVE), die als digitales Team der Allianz telefonisch, per E-Mail oder Videogespräch erreichbar ist. Auf Kundenwunsch gibt die DVE auch Bestände an Agenturen weiter. Ändert sich die Betreuung, etwa im Zuge einer Agenturnachfolge, würden Kunden rechtzeitig über ihre neuen Ansprechpersonen informiert.

Innere Kontinuität in der Kundenbetreuung

Auch andere Versicherer setzen auf innere Kontinuität in der Kundenbetreuung. So etwa die BarmeniaGothaer, die aufgrund der kürzlichen Fusion die Vertriebsstrukturen miteinander verschmelzt. Dem Unternehmen gelinge es nach Auskunft des Unternehmens die Ausschließlichkeitsorganisation stabil zu halten. Scheidet ein Vermittler altersbedingt aus, wird die Nachfolge frühzeitig geregelt und damit auch die Betreuung seines Kundenbestands sichergestellt. Verlässt ein Vermittler das Unternehmen durch Kündigung, erfolgt die weitere Betreuung der Kundinnen und Kunden ebenfalls innerhalb der Ausschließlichkeitsorganisation.

Nicht anders sieht es bei der ERGO mit ihren rund 7.500 hauptberuflichen selbstständigen Vertriebspartnern aus. Auch sie ist bundesweit gut positioniert und im Ausschließlichkeitsvertrieb flächendeckend präsent. Im Rahmen des Agenturvertriebs liegt der Fokus neben der Gewinnung neuer Kunden auf der umfassenden Beratung und im Mittelpunkt steht insbesondere die Bindung der Bestandskunden, heißt es vonseiten des Versicherers, weshalb frei werdende Bestände an regional ansässige Ausschließlichkeitsvermittler übertragen werden.

Die Bestände in den eigenen Reihen zu halten, gehört zweifellos zu den zentralen Anliegen vieler Versicherer. Dennoch lohnt es sich, den Gedanken weiterzudenken: Was wäre, wenn Versicherer frei werdende Bestände gezielt an Versicherungsmakler übergeben würden? BarmeniaGothaer und die Allianz verfolgen diesen Weg nicht, ebenso wenig die ERGO und wohl auch die meisten anderen Versicherer nicht.

Sind AO-Bestände für Versicherungsmakler interessant?

Versicherungsmakler Michael Richthammer aus Weiden hingegen könnte sich ein solches Vorgehen jedoch grundsätzlich vorstellen: „Natürlich beobachten wir, wenn in unserer Region ein Agenturinhaber die Altersgrenze erreicht. Im Sinne der Kundinnen und Kunden könnten wir uns schon innovative Lösungen vorstellen. Am Ende geht es ja darum, eine gute Betreuung sicherzustellen. Vielleicht müssten dafür beide Seiten, Versicherer, AO wie Makler, einmal über den eigenen Schatten springen und über innovative Konstellationen nachdenken. In der Praxis geschieht das allerdings kaum.“ Dennoch profitiere man als Makler, weiß Richthammer zu berichten, gelegentlich in solchen Situationen: Wenn ein Vertreter ausscheidet, nutzen Kundinnen und Kunden dies mitunter als Anlass, den Wechsel zu einem Makler zu vollziehen.

Grundsätzlich sind also Überlegungen, Versicherungsmakler mit ins Boot zu holen, nicht abwegig, aber: Mal abgesehen von den rechtlichen und Compliance-Fragen, die eine Übergabe an Versicherungsmakler mit sich bringen würde, stellt sich auch aus wirtschaftlicher Sicht ein Problem dar: Ein Makler erwartet in der Regel eine höhere (Bestands-)Courtage und könnte bestehende Verträge unter Umständen umdecken. Zudem dürfte es auch ordentlich Widerstand in der Ausschließlichkeitsorganisation geben.

Letztlich geht es um die Kunden

Warum also überhaupt weiter darüber nachdenken, Ausschließlichkeitsorganisation-Bestände in Maklerhände zu geben? Zum einen, weil die Kunden auch weiterhin gut betreut werden müssen. Zum anderen, weil viele Makler wachsen möchten oder bereits über passende Betreuungsstrukturen verfügen, um diese Kunden professionell zu begleiten.

Gleichzeitig steht dem Gedanken, dass Kunden und ganze Bestände unbetreut bleiben, die Auffassung gegenüber, dass es in Deutschland immer noch zu viele Versicherungsvermittler gebe. Demnach dürfte es also wiederum kein Problem sein, die Kunden ausscheidender AOs aufzufangen.

Letztlich geht es darum, dass Branche den besten Weg zu finden, um Kontinuität und Qualität in der Beratung sicherzustellen. Wie dieser Weg genau aussieht, bleibt dabei individuell und bedarf offener Gespräche und vielleicht manchmal auch neuer Denkansätze. (bh)