Die Einsatzgebiete von Künstlicher Intelligenz (KI) bei den Versicherern weiten sich aus. Möglichkeiten liegen entlang der kompletten Wertschöpfungskette. Im Fokus stehen dabei Chatbots, Texterkennung, Betrugserkennung und die Schadenregulierung. Bei letzterer erhoffen sich die Versicherer insbesondere eine Beschleunigung der Prozesse und mehr Wirtschaftlichkeit.
Auch die Versicherungskammer Bayern reguliert bereits Schäden mithilfe von KI. Vorreiter ist dabei Bavaria Direkt, der Direktversicherer der Sparkassen. Das liegt auch daran, weil die für die KI notwendige Datenanalyse dort einfacher vonstattengeht als bei großen Versicherern mit einer Vielzahl von Daten und Datenbanken, die häufig noch nicht mal auf einem System laufen.
Christian Krams, Vorstandsmitglied BavariaDirekt und Leiter Konzern Schaden bei der Versicherungskammer, erklärte in der vergangenen Woche anlässlich eines Pressegesprächs: „Durch unsere digital unterstützten Prozesse generieren wir bereits heute einen echten Mehrwert für unsere Kunden. Denn sie erfahren ‚live‘ im Kontakt mit unseren Schadenmanagern, wie ihr individueller Schadenfall bestmöglich reguliert werden kann und werden dabei eingebunden. Die Kundenzufriedenheit steigt messbar; auch für das Unternehmen ergeben sich Vorteile. Die Digitalisierung des gesamten Schadenprozesses, bei dem die Mitarbeitenden eine wichtige Rolle als ‚Kümmerer‘ im Schadenfall einnehmen, ist deshalb auch ein elementarer Bestandteil unseres strategischen Zielbilds.“
KI macht Vorschläge, Mitarbeiter wählt aus
Kommt nun eine individuelle Schadenmeldung bei dem Versicherer an, läuft sie in die Digitale Schadensteuerung (DSS), eine KI-basierte Steuerung inklusive Betrugs- und Regresserkennung. Diese gleicht die aktuelle Meldung mit historischen Schadenregulierungen ab und klassifiziert den Schaden. In Echtzeit gibt die KI dann Empfehlungen zur sogenannten „next best action“, bezogen auf die Gegebenheiten des individuellen Schadenfalls. Der Sachbearbeiter prüft die vorgeschlagenen Optionen, wählt aus und entscheidet. Die Oberhand liegt – heute noch – beim Schadenmanager. Überstimmt er die KI zurecht, werden die Erkenntnisse in das System zurückgespielt, damit die KI mitlernen kann.
Krams spricht bei dem Vorgang von einer geschätzten Halbierung der Bearbeitungszeit. Das Ziel lautet: Eine faire Regulierung im Sinne des Kunden und eine wirtschaftliche Regulierung für den Versicherer. Zudem verspricht sich der Manager auch die Eindämmung von Versicherungsbetrug.
Neben der Kfz-Sparte sind aktuell die Hausrat-, Wohngebäude- und die private Haftpflichtversicherung im Fokus der KI-Bearbeitung. Ein nächster Schritt soll etwa im Teilbereich Leitungswasser gegangen werden.
Rolle der Mitarbeiter ändert sich
Seit vier Jahren reguliert Bavaria Direkt bereits Schäden mit Künstlicher Intelligenz. Das Zusammenspiel zwischen Maschine und Mensch hat die Arbeitsprozesse deutlich verändert. Krams weiß, dass KI nur Sinn macht mit klaren Wertschöpfungszielen und der Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Krams sagt: „Das Zusammenspiel zwischen unseren kompetenten Schadenmanagern und intelligenter Technik ist kein Widerspruch, sondern die Basis für eine echte Win-win-Situation für alle Beteiligten: Kunden, Mitarbeitende und unser Unternehmen.“ Dazu gehöre auch eine schrittweise Veränderung der Aufgaben und Rollen der Mitarbeitenden – und kontinuierliches Lernen.
Die Basis: Daten
Damit das System aber auch so funktioniert, wie sich das der Versicherer vorstellt, braucht es Daten – und zwar richtige und konsistente Daten, mit denen dann die KI gefüttert werden kann. Krams bezeichnet dies als eine der größten Herausforderungen. Data Lakes, ein Buzzword der vergangenen Jahre, scheinen da nicht mehr die richtige Lösung zu sein. Benötigt werden heute moderne Datenarchitekturen.
Vorteil KI?
Ein Extra-Budget für KI-Entwicklungen gibt es laut Krams bei der Versicherungskammer nicht. Sie läuft innerhalb des Rahmens von Digitalisierung und Prozessoptimierung mit. Generell fühle man sich bei dem Thema gut aufgestellt, so Krams auf Nachfrage. Einen Vergleich mit anderen Versicherern wollte er nicht ziehen. Generell darf davon ausgegangen werden, dass die Versicherungswirtschaft das Thema KI ganz allgemein vorantreiben wird. (bh)
Bild: Christian Krams, Vorstandsmitglied BavariaDirekt und Leiter Konzern Schaden bei der Versicherungskammer, Quelle: © Versicherungskammer
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