Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler
Kürzlich beschäftigte sich ein Onlineartikel mit der Frage, was bei der Vermittlung von Fondspolicen zu beachten sei. Die zentrale Botschaft: Vermittler von fondsgebundenen Versicherungsprodukten seien grundsätzlich zu einer anleger- und produktgerechten Beratung verpflichtet. Dieser pauschalen Aussage begegnen Bedenken. Denn nach einer Entscheidung des OLG Köln ist der Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung regelmäßig nicht als Kapitalanlagegeschäft zu werten. Es ist zwar – so der BGH in einer früheren Entscheidung – denkbar, den Abschluss einer fondsgebundenen Lebensversicherung wirtschaftlich als Kapitalanlagegeschäft zu werten und damit die im sog. Bondurteil entwickelte Pflicht des Anlageberaters zur anleger- und anlagegerechten Beratung auf den beratenden Vermittler von fondsgebundenen Lebensversicherungen zu übertragen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn nach den vertraglichen Regelungen die Versicherung des Todesfallrisikos gegenüber der Renditeerwartung von untergeordneter Bedeutung ist.
Gesetzliche Pflichten bei der Vermittlung von Fondspolicen
Bedauerlicherweise geht der Onlineartikel nicht auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen ein, die bei der Vermittlung von Fondspolicen zu beachten sind. Der Vollständigkeit halber deshalb hier ein kurzer Überblick.
Seit Anfang 2018 gelten für den Vertrieb von sogenannten Versicherungsanlageprodukten, zu denen auch Fondspolicen zählen, im Vergleich zu herkömmlichen Versicherungsprodukten besondere Anforderungen. Dazu zählen die Bereitstellung von speziellen Informationen, besondere Pflichten bei der Beratung und Beschränkungen hinsichtlich der Vergütung. Hinzu kommt seit August 2022 die Verpflichtung der Vermittler, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu erfragen und zu berücksichtigen. Der rechtliche Hintergrund ist aufgrund der Verschränkung von deutschen und europäischen Normen komplex und für Vermittler nicht einfach zu verstehen. Zusätzlich überfluten Sekundärinformationen mit meist gut gemeinten, fachlich aber nicht immer hinreichenden Hinweisen und Erklärungen den Markt, die das Verständnis weiter erschweren.
Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD)
Die bereits 2016 in Kraft getretene IDD legt besondere Anforderungen für Versicherungsanlageprodukte fest. Als „Versicherungsanlageprodukte“ gelten – mit einigen in der Richtlinie näher beschriebenen Ausnahmen – Versicherungsprodukte, die einen Fälligkeitswert oder einen Rückkaufwert bieten, der vollständig oder teilweise direkt oder indirekt Marktschwankungen ausgesetzt ist.
Beim Vertrieb von Versicherungsprodukten unterscheidet die Richtlinie grundsätzlich zwischen Vertrieb mit Beratung und Vertrieb ohne Beratung.
Bei einer Vermittlung mit Beratung sind Vermittler von Versicherungsanlageprodukten verpflichtet, sich vom Kunden Informationen über dessen Kenntnisse und Erfahrung im Anlagebereich in Bezug auf den Versicherungsvertrag, seine finanziellen Verhältnisse einschließlich der Fähigkeit, Verluste zu tragen, und seine Anlageziele einschließlich seiner Risikotoleranz zu schaffen, die es dem Vermittler ermöglichen, dem Kunden Versicherungsanlageprodukte zu empfehlen, die für ihn geeignet sind und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entsprechen.
Bei einer Vertriebstätigkeit ohne Beratung ist der Vermittler verpflichtet, sich vom Kunden Informationen über dessen Kenntnisse und Erfahrung im Anlagebereich in Bezug auf den Versicherungsvertrag zu beschaffen, um beurteilen zu können, ob das Versicherungsprodukt für den Kunden angemessen ist.
Deutsche Umsetzung im Versicherungsvertragsgesetz (VVG)
Europäische Richtlinien wie die IDD gelten nicht unmittelbar in den Ländern der EU, sondern müssen dort durch nationale Gesetzgebung umgesetzt werden. Dies ist in Deutschland durch das Gesetz zur Umsetzung der IDD geschehen, das 2018 in Kraft getreten ist.
Seitdem müssen Vermittler bei einer Beratung zu einem Versicherungsanlageprodukt gem. § 7c Abs. 1 VVG in Verbindung mit § 59 Abs. 1 Satz 2 VVG (Überleitungsvorschrift) die aus der IDD wörtlich übernommenen Informationen erfragen und nur Versicherungsanlageprodukte empfehlen, die für den Kunden geeignet sind und insbesondere dessen Risikotoleranz und Verlusttragfähigkeit entsprechen.
Gemäß § 7c Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 59 Abs. 1 hat der Vermittler stets zu prüfen, ob das Versicherungsprodukt für den Versicherungsnehmer angemessen ist. Zur Beurteilung der Zweckmäßigkeit muss der Vermittler wie in der IDD vorgegeben lediglich Informationen über Kenntnisse und Erfahrung des Kunden erfragen.
Da es dem Vermittler im deutschen Recht – im Unterschied zur IDD – nicht freisteht, ob er eine Beratung anbietet oder nicht, sondern gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG grundsätzlich zur Beratung verpflichtet ist, ist bei der Vermittlung eines Versicherungsanlageprodukts im Regelfall immer eine Geeignetheitsprüfung erforderlich. Lediglich in den Fällen eines Beratungsverzichts des Kunden kommt es zu einer Angemessenheitsprüfung, die deutlich geringere Anforderungen an den Vermittler stellt.
Konkretisierungen in Delegierter Verordnung
Leider erläutern weder IDD noch VVG die Begriffe Geeignetheit und Angemessenheit. Konkreter wird die Delegierte Verordnung EU 2017/2359 zur Ergänzung der IDD.
Danach sind Versicherungsanlageprodukte für den Kunden geeignet, wenn sie den Anlagezielen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft, den finanziellen Verhältnissen des Kunden, auch hinsichtlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden entsprechen.
Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist lediglich erforderlich, dass der Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, um die Risiken im Zusammenhang mit dem Versicherungsanlageprodukt zu verstehen.
Darüber hinaus werden die einzuholenden Informationen über die Anlageziele, die finanziellen Verhältnisse und Kenntnisse und Fähigkeiten weiter konkretisiert. Delegierte Verordnungen gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.
Verpflichtung zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen
Mit der Delegierten Verordnung EU 2021/1257 sind die für eine Geeignetheitsprüfung einzuholenden Informationen um etwaige Nachhaltigkeitspräferenzen erweitert worden. Unter Nachhaltigkeitspräferenzen versteht die Verordnung die Entscheidung eines Kunden, ob und, wenn ja, inwieweit eines der folgenden Finanzprodukte in die Anlage einbezogen werden soll: Versicherungsanlageprodukte mit ökologisch nachhaltigen Investitionen im Sinne von Art. 2 Nr. 1 Taxonomie-VO, Versicherungsanlageprodukte mit nachhaltigen Investitionen im Sinne von Art. 2 Nr. 17 Offenlegungs-VO oder Versicherungsanlageprodukte, die die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigen.
Integration in Geeignetheitsprüfung
Mit der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen wird deshalb die Geeignetheitsprüfung erweitert. Es ist deshalb notwendig, dass Vermittler sich nicht in Formularen zu Nachhaltigkeitspräferenzen verlieren, sondern zunächst prüfen, ob die bisherige Beratungspraxis den Anforderungen einer Geeignetheitsprüfung überhaupt genügt, um dann in einem zweiten Step die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen zu integrieren. Die Vorschriften zur Geeignetheitsprüfung sind originäre Vermittlerpflichten. Vermittler dürfen deshalb nicht blind auf Software oder Formulare vertrauen.
Hans-Ludger Sandkühler ist Vertriebs- und Versicherungsjurist und verfügt über praktische Erfahrungen aus seinen langjährigen Tätigkeiten als Versicherungsmakler und Rechtsanwalt. Er ist ausgewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen.
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