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22. September 2022
Wie weit die Verkehrssicherungspflicht geht

Wie weit die Verkehrssicherungspflicht geht

Ein Grundstückseigentümer muss den Weg zu seiner Terrasse nicht gegen alle erdenklichen Risiken ausgestalten. Das hat das OLG Frankfurt in einem Nachbarschaftsstreit entschieden, in dem eine Frau in der Dunkelheit auf einem regennassen Steinweg gestürzt war und Prozesskostenhilfe verlangte.

Entlang einer Garage verläuft auf dem Nachbargrundstück ein unbeleuchteter Steinweg, der über eine offene Tür von der Garage aus erreichbar ist. Über diesen Steinweg gelangt man zur Nachbarterrasse. Die Mieterin der Garage behauptet, die Nachbarin habe mit ihr reden wollen, daher habe sie selbst erstmals diesen Steinweg bei Dunkelheit genutzt, um zur Nachbarin zu gelangen.

Auf dem Rückweg sei sie auf dem mit Blättern, Ästen und Moos bedeckten, regennassen und schmierigen Weg gestürzt. Dabei habe sie sich eine Scham-, Sitz- und Kreuzbeinfraktur zugezogen. Wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten beabsichtigt sie, die Nachbarin auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zu verklagen.

Verkehrssicherungspflicht umfasst nicht jede abstrakte Gefahr

Ihren Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für diese Klage hatte das Landgericht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt (OLG) keinen Erfolg: Die Nachbarin habe zwar grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich ihres Grundstücks. Sie müsse damit rechnen, dass Fußgänger den Weg nutzen. Es müsse jedoch nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden. „Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch“, betont das OLG. Es seien nur diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, „die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind“, so das OLG.

Komme es in Fällen, in denen keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur „unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen“ zu befürchten war, ausnahmsweise zu einem Schaden, müsse der Geschädigte diesen Schaden selbst tragen.

Garagenmieterin muss selbst vorsichtig sein

Einen solchen Fall sieht das OLG hier. Es sei nicht Aufgabe der Nachbarin gewesen, den Zuweg zu der Terrasse ihres Wohnhauses völlig gefahrlos gegen alle erdenklichen von dem Weg ausgehenden Risiken für die Nutzer auszugestalten. Sie habe vielmehr nur die Gefahren beseitigen müssen, die für sorgfältige Nutzer nicht erkennbar gewesen seien, mit denen diese nicht rechnen müssten und auf die sie sich auch nicht einrichten könnten.

Im konkreten Fall habe die Garagenmieterin, die nun Prozesskostenhilfe wollte, bei Dunkelheit einen für sie erkennbar nicht als eigentlichen Zugangsweg zu dem Wohnhaus gestalteten Weg benutzt. Ihr sei der Weg nicht bekannt gewesen. Dass sie die Beschaffenheit des Weges nicht wahrgenommen habe, habe sie nicht behauptet. Die Nachbarin habe angesichts dieser Umstände unterstellen können, dass sich ein sorgsamer Nutzer „eingedenk der Unübersichtlichkeit der Bodenbeschaffenheit mit angepasster, besonderer Sorgfalt bewegt“. Dass sie dies getan habe, habe die Garagenmieterin nicht darlegen können.

Die Prozesskostenhilfe für die Schmerzensgeldklage wurde also zurückgewiesen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar. (ad)

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 8.9.2022 – 17 W 17/22

Bild: © Simone – stock.adobe.com