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21. Dezember 2020
Wirrwarr um verkaufte Lebensversicherung, Provisionen und unlauteren Wettbewerb

Wirrwarr um verkaufte Lebensversicherung, Provisionen und unlauteren Wettbewerb

Dürfen Inkassodienstleister Finanzanlagenvermittlern eine Provision anbieten, um sie dafür zu entlohnen, dass sie ihre Kunden zum Verkauf ihrer Lebensversicherung an den Dienstleister gebracht haben? Das musste der BGH nun in einem Fall entscheiden, in dem den Vermittlern 1% der Rückkaufssumme als Provision gewährt wurde. Ein Versicherer sah darin unlauteren Wettbewerb.

Ein Inkassodienstleister hatte Forderungen und Rechte aus Versicherungsverträgen im gewerblichen Umfang aufgekauft und danach gekündigt. Dabei handelte es sich um Renten- und Lebensversicherungen sowie Bausparverträge. Finanzanlagenvermittlern, die dem Unternehmen Kunden brachten, zahlte der Inkassodienstleister 1% der Rückkaufsumme des Versicherungsvertrags als Provision.

Versicherer wirft Inkassounternehmen unlauteren Wettbewerb vor

Ein Versicherer klagte gegen dieses Vorgehen, nachdem der Inkassodienstleister auch Kapitallebensversicherungsverträge aufkaufte, die der Versicherer mit seinen Kunden geschlossen hatte. Nach Ansicht des Versicherungsunternehmens betreibe der Inkassodienstleister unlauteren Wettbewerb gegenüber einem Mitbewerber. Vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth und dem Oberlandesgericht Nürnberg wurde die Klage des Versicherers abgewiesen.

OLG sieht keine Wettbewerbsverhältnis

Das OLG hatte noch geurteilt, dass es sich bei dem Inkassounternehmen nicht um einen Mitbewerber des Versicherers handele. „Die Parteien versuchten nicht, gleichartige Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen“, beschrieb es das OLG Nürnberg in seiner Urteilsbegründung. Schließlich stand eine höchstrichterliche Klärung vor dem Bundesgerichtshof (BGH) an.

BGH sieht bejaht wettbewerblich geprägtes Verhältnis

Der BGH hob das Urteil des OLG Nürnberg auf. Nach Ansicht der Bundesrichter handele es sich beim Verhältnis zwischen Inkassodienstleister und Versicherer sehr wohl um ein wettbewerblich geprägtes. Sie böten zwar nicht dieselbe Dienstleistung an, aber versuchten durchaus das Wettbewerbsverhalten des jeweils anderen zu beeinträchtigen. Es sei nicht notwendig, dass die Anbieter eine unmittelbar vergleichbare Dienstleistung anböten. Dementsprechend bestehe auch zwischen einem Versicherer und einem Versicherungsmakler ein Wettbewerbsverhältnis, so der BGH.

Kunden ausspannen ist nicht unlauterer Wettbewerb

Blieb noch die Frage, ob der bestehende Wettbewerb von Seiten des Inkassounternehmens unlauter geführt wurde. Die Bundesrichter weisen in ihrem Urteil zum einen darauf hin, dass es grundsätzlich nicht unlauter sei, in einen fremden Kundenkreis einzudringen. Gerade das Ausspannen und Abfangen von Kunden gehöre zum Wesen des Wettbewerbs, so die Bundesrichter. Eine unlautere Behinderung des Mitbewerbers liege erst dann vor, wenn gezielt auf dessen Kunden eingewirkt werde, um sie als eigene Kunden zu gewinnen oder zu erhalten.

Verleitung zum Vertragsbruch?

Unlauter ist jedoch auch das Verleiten zum Vertragsbruch. Könnte ein derartiges Verleiten zum Vertragsbruch darin bestehen, dass der Inkassodienstleister Finanzanlagenvermittlern mittels Provisionszahlung einen Anreiz bietet, ihren Kunden einen Verkauf ihres Vertrages nahezulegen?

Ausnutzung eines fremden Vertragsbruchs ist nicht unlauter

Der BGH meint, dass dem nicht so ist. Ein Verleiten zum Vertragsbruch liege nur dann vor, wenn gezielt und bewusst darauf hingewirkt werde, dass ein anderer seine vertraglichen Pflichten verletze. Das bloße Ausnutzen eines fremden Vertragsbruches sei dementsprechend in der Regel nicht unlauterer Wettbewerb.

Versicherer nicht am vermeintlich gebrochenen Vertrag beteiligt

Des Weiteren liege auch bereits deshalb kein Verleiten zum Vertragsbruch vor, weil der Versicherer nicht geltend gemacht habe, dass der Vertrag zwischen Versicherungsnehmer und ihm als Versicherer gebrochen worden wäre, so der BGH. Vielmehr behaupte der Versicherer, die Finanzanlagenvermittler hätten auf Einwirken des Inkassounternehmens hin, ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Versicherungsnehmern gebrochen.

Der Versicherer wirft den beteiligten Finanzanlagenvermittlern also vor, sie hätten sich von den versprochenen Provisionszahlungen des Inkassodienstleisters locken lassen und ihre Kunden – ungeachtet ihrer Interessen – zur Kündigung animiert. Selbst wenn dem jedoch so wäre, hätte der Versicherer keine Ansprüche, da kein mit ihm geschlossener Vertrag gebrochen wurde.

Finanzanlagenvermittler müssen einfach standhaft bleiben

Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage lautet folglich, dass nichts gegen das Anbieten einer Provision spricht. Finanzanlagenvermittler dürfen nur zu keinem Zeitpunkt ihre Pflichten gegenüber ihren Kunden vernachlässigen, wenn sie sich nicht selbst haftbar machen wollen.

Verfahren an OLG zurückverwiesen

Das Verfahren wurde nun zur erneuten Beurteilung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Da der BGH entschieden hat, dass Versicherer und Inkassounternehmen grundsätzlich sehr wohl in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, kommen nämlich noch weitere Gründe für unlauteren Wettbewerb in Betracht, die vom OLG Nürnberg nun noch geprüft werden müssen. (tku)

BGH, Urteil vom 05.11.2020 – I ZR 234/19

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