Wie kann Wohneigentum hierzulande wieder leistbar, planbar und gesellschaftlich breiter zugänglich werden? Wie kann Neubau unter heutigen Bedingungen wieder wirtschaftlich funktionieren? Welches Potenzial steckt in der Revitalisierung von Bestandsbauten – und warum wird es zu wenig genutzt? Über diese Fragen sprachen vor Kurzem Fachleute aus der Bau- und Immobilienbranche bei einem Presse-Roundtable des Immobilienmaklerunternehmens VON POLL IMMOBILIEN. Zu den Teilnehmer gehörten Thomas M. Reimann, Vorstandsvorsitzender der ALEA Hoch- und Industriebau AG, die Immobilienprojektentwicklerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Dr. Henkel Urban Projects GmbH, Dr. Nadja Henkel, der Immobilienexperte Prof. Dr. Michael Voigtländer, Volkswirt beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Dr. Lucie Lotzkat, geschäftsführende Gesellschafterin bei VON POLL FINANCE, sowie Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei VON POLL IMMOBILIEN.
(Zu) hohe Hürden auf dem Weg zum Wohneigentum
Der Wohnungsmarkt in Deutschland steht nach wie vor unter Druck. Der Bau neuer Wohngebäude bleibt weit hinter den Anforderungen zurück. Zugleich steigen die Mieten und auch die Kaufpreise ziehen wieder leicht an, während der Bereich der Förderung komplex bleibt. Mit Blick auf die aktuelle Lage am Wohnungsmarkt sowie die Rentendiskussion der vergangenen Monate sprach Prof. Dr. Michael Voigtländer zu Beginn das Thema der Altersvorsorge an und verwies in diesem Zusammenhang auf ein „ganz große Problem“: „Wir brauchen mehr private Vorsorge, da gehört das Wohneigentum auch dazu. Aber gleichzeitig stellen wir fest, dass es für junge Menschen, junge Familien immer schwieriger wird, Wohneigentum zu erwerben, weil das Angebot natürlich knapp ist, aber weil die Zugangsbarrieren auch sehr hoch sind“, so Voigtländer. Er nannte vor allem das erforderliche Eigenkapital, das für viele eine Hürde darstelle, sowie die Grunderwerbssteuer. Zugang zu Wohneigentum erleichtern und damit auch die Altersvorsorge zu stärken könnte dem Immobilienexperten zufolge ein Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer oder auch Nachrangdarlehen.
Investitionen in Immobilien wieder möglich machen
Trotz zuletzt verstärkter politischer Bemühungen geht es mit dem Neubau nach wie vor zu schleppend voran. Dass die politischen Initiativen nicht ausreichen, schon gar nicht bundesweit aus, um wirklich Schwung in die Bau und Immobilienwirtschaft zu bringen, betonte Thomas M. Reimann in der Runde, der Vorstandsvorsitzende der ALEA Hoch- und Industriebau AG. Seit vielen Jahren würde die Branche anprangern, dass Auflagen, Gesetze und Vorschriften, gerade die DIN-Normen, für hohe zusätzliche Baukosten sorgen würden. Ziel der politischen Anstrengungen müsse sein, Wohnraum hierzulande auch bezahlbar wieder schaffen zu können. Es gelte die Investition in eine Immobilie nicht nur attraktiv zu machen, sondern wieder möglich zu machen, und damit auch junge Menschen wieder in Wohneigentum zu bringen.
Beratung rund um Immobilienerwerb ist intensiver geworden
Der Erwerb von Wohneigentum ist bei vielen Interessenten mit erheblicher Unsicherheit verbunden, was Preis bzw. Baukosten, aber auch Bauzeit, den möglichen Sanierungsaufwand bei Bestandsimmobilien wie auch die Förderfähigkeit angeht. Daniel Ritter, geschäftsführender Gesellschafter bei VON POLL IMMOBILIEN, erläutert, dass die Beratung rund um den Eigentumserwerb angesichts der zunehmenden Komplexität intensiver geworden ist. Dies betrifft vor allem Bestandsimmobilien, die nicht in einem sehr guten oder guten Zustand sind. Generell kommen viele Faktoren zum Tragen: So sind nicht nur die Immobilienpreise höher, sondern es ist inzwischen grundsätzlich aufwendiger, eine Finanzierung zu bekommen. Die Verkaufszeiträume seien laut Ritter wesentlich länger und der Beratungsbedarf höher, was grundsätzliche Kosten angeht. Und trotz angepasster Förderprogramme bleibe der Eigentumserwerb für viele Menschen schwierig.
Viel Luft nach oben bei Förderprogrammen
Welche Fördermöglichkeiten in der Beratungspraxis tatsächlich funktionieren und auch genutzt werden (können) und welche Programme wiederum an der Realität vorbei geplant sind, da sie zum Beispiel nur für eine sehr kleine Zielgruppe in Frage kommen, veranschaulichte Dr. Lucie Lotzkat, geschäftsführende Gesellschafterin bei VON POLL FINANCE. Die Finanzierungsexpertin führte hier unter anderem das Beispiel „Jung kauft Alt“ an. Teilweise orientiere sich die Theorie und die Gestaltung der Programme nicht an der Realität der Menschen. Auch wenn hier und da an Einkommensgrenzen nachgebessert wurde, sieht Lotzkat in der breiten Anwendbarkeit und Einfachheit so etlicher Förderprogramm viel Luft nach oben.
Revitalisierung bestehender Immobilien als Hebel
Angesichts des stockenden Neubaus in den vergangenen Jahren sind Bestandsimmobilien und deren Revitalisierung zunehmend ins Blickfeld gerückt. Hier räumte Dr. Nadja Henkel, geschäftsführende Gesellschafterin der Dr. Henkel Urban Projects GmbH, im Rahmen des Roundtable erst einmal mit falschen Vorstellungen auf. „Wenn wir heute an Revitalisierung denken, dann denken wir ganz oft an schöne denkmalgeschützte Gebäude, in denen hochpreisige Loftwohnungen errichtet werden. [...] Das ist alles schön, aber das ist natürlich nicht die Revitalisierung, die in der breiten Masse ankommt.“
Es braucht Bürokratieabbau, um Potenzial von Umnutzung zu heben
Dafür bräuchte es mehr Bürokratieabbau, weniger Regulierungen und mehr mutige Entscheider. Die Umnutzung von Gebäude, die in ihrer ursprünglichen Nutzung so nicht mehr gebraucht würden, von leer stehenden Büros bis hin zu bestimmten Parkhäusern. Einige davon würden sich „ganz wunderbar“ zu Wohnraum umwidmen lassen. „Aber das birgt so viele rechtliche Unsicherheiten und baurechtliche Auflagen, dass man sich da nicht richtig rantraut. Und deswegen wird ganz viel Potenzial liegen gelassen“, so Henkel. Als positives Beispiel, wie Revitalisierung funktionieren kann, nannte die Expertin ein Projekt in Hanau. Hier wurde ehemals militärisches Gelände inklusive Bestandsgebäuden umgenutzt. Die Stadt Hanau war an Bord, um Familien mit bestimmten Voraussetzungen ins Wohneigentum zu verhelfen.
Fazit der Runde
Das Fazit der Expertenrunde lautete “Wohneigentum ist kein Selbstläufer mehr, sondern Ergebnis klarer politischer Entscheidungen, mutiger Investitionen und vor allen Dingen auch besserer Kommunikation. Es gelte, Wohneigentum neu zu denken, vor allem als langfristige Perspektive für breite Bevölkerungsschichten. Dazu brauche es Klarheit, Tempo und auch Vertrauen in Förderpolitikprozesse und die richtigen Entscheidungen. (tik)
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