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11. August 2022
Wohngebäudeversicherung: Welche Obliegenheiten gelten?
Wasserschaden mit Überschwemmung in der Waschküche im Keller nach Rohrbruch

Wohngebäudeversicherung: Welche Obliegenheiten gelten?

Leitungswasserschäden in Wohngebäuden verursachen rasch enorme Folgeschäden. Doch welche Obliegenheiten gelten für einen Versicherungsnehmer bei der Wartung der Wasserleitungen? Und welche Transparenzkriterien in Wohngebäudepolicen gelten wiederum für die Versicherer?

Ein Artikel von Dr. Frank Baumann, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Sozietät Wolter Hoppenberg

Das Oberlandesgericht Schleswig (OLG) hatte durch Beschluss vom 18.05.2017 (Az. 16 U 14/17) unter anderem über die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Versicherungsbedingungen zu entscheiden, die einem Wohngebäudeversicherungsvertrag zugrunde lagen. Die Klausel sah eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers vor, die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu erfüllen. Vergleichbare Klauseln sind in der Wohngebäudeversicherung auch heute noch weit verbreitet.

Regelmäßige Wartung des Rücklaufventils

Nachdem die Versicherungsnehmer aus dem Winterurlaub zurückkehrten, stellten sie einen Leitungswasserschaden im Hauswirtschaftsraum des Erdgeschosses fest. Aus einem Rücklaufventil hinter einer Wasseruhr war Leitungswasser ausgetreten und in den Fußboden und in die Wände eingedrungen. Die Versicherungsnehmer meldeten den Schaden dem Versicherer, der eine vollständige Schadenregulierung mit der Begründung ablehnte, die Kläger hätten Sicherheitsvorschriften nicht erfüllt. Als Gebäudeeigentümer seien sie zur jährlichen Wartung des Rücklaufventils verpflichtet, sodass bei Durchführung der Wartungsarbeiten dessen fehlerhafte Installation ohne einen Trichter für das austretende Wasser aufgefallen wäre. Der Versicherer wendete ein, für die Ableitung des Tropfwassers des sogenannten Systemtrenners sei der Einbau eines Trichters erforderlich gewesen. Denn aus der DIN EN 806–5 folge, dass ein Rückflussverhinderer einer jährlichen Inspektion unterzogen und alle zehn Jahre ausgetauscht werden müsse. Ohnehin habe den Klägern auffallen müssen, dass die Entsorgung des Tropfwassers über den Bodenabfluss des Hauswirtschaftsraums keine fachgerechte Installation gewesen sei. Die Untätigkeit der Versicherungsnehmer stelle ein grob fahrlässiges Verhalten dar, welches eine 30%-ige Leistungskürzung rechtfertige.

LG: Klausel muss wirtschaftliche Belastungen erkennen lassen

Die Versicherungsnehmer verfolgten ihre Ansprüche zunächst vor dem Landgericht Flensburg (LG). Das LG vertrat die Auffassung, die von dem Versicherer in Anspruch genommene Klausel sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unangemessen und damit unwirksam. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 3 BGB sei der Verwender allge­meiner Geschäftsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners nach Treu und Glauben möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Bestandteil dieses Transparenzgebots sei auch, dass eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen lassen müsse, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Zwar seien Verweise auf andere Rechtsnormen in allgemeinen Geschäftsbedingungen nichts Ungewöhnliches und eine Präzisierung der Verweisung auf gesetzliche Vorschriften begründe regelmäßig keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot. Intransparent sei eine Klausel aber dann, wenn sich ihr Regelungsgehalt überhaupt erst aus der in Bezug genommenen Vorschrift erschließen lasse (so schon Bundesgerichtshof (BGH) NJW 2014, 924 und BGH NJW-RR 2010, 99). Dies sei bei der durch den Versicherer in Anspruch genommenen Klausel der Fall, denn diese weise keinen eigenständigen Regelungsgehalt auf, sondern beinhalte lediglich eine dynamische Verweisung auf andere gesetzliche, behördliche und vertraglich vereinbarte Sicherheitsvorschriften, die noch nicht einmal konkret bezeichnet worden seien. In dieser Form sei die Klausel intransparent und daher unwirksam. Das LG Flensburg hat im Rahmen seiner weiteren Ausführungen mit näherer Begründung zusätzlich ausgeführt, dass ohnehin ein Obliegenheitsverstoß der Versicherungsnehmer bei unterstellter Wirksamkeit der Klausel nicht gegeben sei.

OLG bestätigt Rechtsauffassung

Diese Rechtsauffassung hat das OLG Schleswig in einem Beschluss vom 18.05.2017 (Az. 16 U 14/17) geteilt und den Versicherer darauf hingewiesen, dass seine gegen das Urteil des LG Flensburg vom 26.01.2017 (Az. 4 O 177/17) eingelegte Berufung offensichtlich unbegründet sei. Das OLG Schleswig betont in seinem Beschluss, dass die hier zu prüfende Klausel keinen eigenständigen Regelungsgehalt aufweise, sondern der Versicherungsnehmer erst durch Nachforschung in Erfahrung bringen müsse, welches Verhalten ihm denn abverlangt werde. Da das LG Flensburg und ihm folgend das OLG Schleswig einen eigenständigen Regelungsgehalt der Klausel verneinten, war diese aufgrund eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nichtig und folglich unwirksam.

Die Auffassung des OLG Schleswig überzeugt. Wenn ein Versicherungsnehmer den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Vertragsbestimmungen nicht entnehmen kann, was er tun muss, um eine Obliegenheit zu erfüllen, so kann aus einem Verstoß gegen eine solche Obliegenheit auch kein Leistungskürzungsrecht hergeleitet werden. Dies gilt insbesondere, wenn zusätzlich berücksichtigt wird, dass sich die auch nur pauschal benannten Sicherheitsvorschriften während der Laufzeit eines Versicherungsvertrags ändern können. Umso erstaunlicher ist es, dass die durch das OLG Schleswig überprüfte Obliegenheit, die in ähnlicher Form Bestandteil vieler Versicherungsverträge ist, weit überwiegend in der Literatur nicht beanstandet worden ist. Leider hat das OLG Schleswig in seinem Beschluss die Chance verpasst, sich kritisch mit der wohl überwiegenden abweichenden Meinung in der Literatur auseinanderzusetzen.

OLG-Beschluss bietet Argumentationshilfe

Der BGH musste sich mit der vom OLG Schleswig entschiedenen Rechtsfrage allerdings nicht mehr beschäftigen, weil der Versicherer die Berufung nach dem Hinweis des OLG Schleswig zurücknahm. Da allerdings in vielen Gebäudeversicherungsverträgen ähnliche Klauseln enthalten sind, gibt der Beschluss des OLG Schleswig bemerkenswerte Argumentationshilfen. So hat der BGH in seinem Urteil vom 14.08.2019 (Az. IV ZR 279/17) die Schadenminderungsklausel des § 17 Abs. 1 Buchst. c Doppelbuchst. bb der allgemeinen Bedingungen für Rechtsschutzversicherungen 2010 (ARB) für intransparent erklärt, weil der um Verständnis bemühte Versicherungsnehmer nicht erkennen könne, welches konkrete Verhalten von ihm verlangt werde, um seinen Anspruch auf die Versicherungsleistung nicht zu gefährden. Der BGH führt aus, es sei dem Versicherungsnehmer unmöglich zu erkennen, welche Tatbestände Kosten auslösten, wie hoch die Kosten seien und wie er sein Rechtsschutzziel auf kostengünstigere Weise erreiche.

Ferner müsse er in seine Überlegung alternative Vorgehensweisen einbeziehen und deren jeweilige Auswirkung in rechtlicher Hinsicht bewerten und gegeneinander abwägen, um beurteilen zu können, ob sich mit einer kostengünstigeren Vorgehensweise das angestrebte Rechtsschutzziel erreichen lasse oder ob das höhere Kosten auslösende Vorgehen derart gewichtige Vorteile biete, dass ihn der Versicherer ohne unwillige Beeinträchtigung seiner Interessen nicht auf die kostengünstigere Alternative verweisen könne. Diese Gedanken entsprechen den Bewertungen des OLG Schleswig, sodass nicht ausgeschlossen sein dürfte, dass der BGH die Entscheidung des OLG Schleswig bestätigt hätte.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 112 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Dr. Frank Baumann