Ein Interview mit Michael Eichhorn, Vorstandsvorsitzender DMB Rechtsschutz-Versicherung, Dr. Claus Hunold, Vorstand Vertrieb, Marketing und Produktmanagement bei der Haftpflichtkasse, und Christian Nuschele, Head of Distribution & Marketing bei Standard Life.
Zu Beginn die Frage in die Runde: Warum sind Familien für Makler eigentlich eine so wichtige Zielgruppe?
Dr. Claus Hunold Familie ist ein roter Faden durchs Leben. Mit der Geburt eines Kindes beginnt der Bedarf an Absicherung – erst Unfall, dann Haftpflicht, später Hausrat, Berufsunfähigkeit, Altersvorsorge. Wenn Makler diesen Lebenszyklus kennen und aktiv begleiten, haben sie in jeder Phase einen Anknüpfungspunkt. Das schafft nicht nur Geschäft, sondern auch Vertrauen. Wer Familien kontinuierlich begleitet, wird Teil ihres Alltags – nicht nur Dienstleister, sondern fester Ansprechpartner.
Christian Nuschele In der Ruhestandsplanung zum Beispiel geht es nie nur um eine Einzelperson, sondern immer auch um das Umfeld – um Partner, Kinder oder künftige Erben. Wer Vermögen strukturiert oder Nachfolgeregelungen trifft, muss das gesamte Familiengefüge verstehen. Für Makler ist das eine große Chance, weil sie dadurch über Generationen hinweg Ansprechpartner bleiben können. Langfristige Bindung entsteht, wenn Beratung über den unmittelbaren Vertragsabschluss hinausgeht.
Michael Eichhorn Familien spiegeln das ganze Leben wider – und damit alle potenziellen Streitfelder. Es geht um Mietverhältnisse, Arbeitskonflikte, Mobilität im Straßenverkehr oder digitale Risiken wie Cybermobbing. Für Makler bedeutet das: Sie können mit Familien fast das gesamte Produktspektrum abdecken. Gleichzeitig müssen sie aber auch die richtigen Prioritäten setzen. Gute Familienberatung heißt nicht, alles auf einmal zu beraten und zu vermitteln, sondern in jeder Phase zu wissen, welche Risiken wirklich relevant sind.
Das klingt nach einem sehr langfristigen Beratungsmodell. Herr Nuschele, wie gelingt es, diese Verbindung über Jahrzehnte aufrechtzuerhalten?
CN Langfristigkeit funktioniert nur über Vertrauen. Wir sehen in der Ruhestandsplanung, dass Berater erfolgreich sind, wenn sie das ganze Familiengefüge einbeziehen. Wer frühzeitig auch die Kinder oder Erben an den Tisch holt, bleibt Ansprechpartner über Generationen hinweg. Eine aktuelle Studie von Vanguard zeigt, dass rund 70% der Ehepartner nach einem Todesfall den bisherigen Berater wechseln. Bei den Kindern liegt die Quote sogar noch höher. Das bedeutet: Wenn eine Beratung ausschließlich auf eine Generation ausgerichtet ist, besteht die Gefahr, dass der Berater spätestens beim Erbfall den Kontakt zum Kundenstamm verliert.
Aber ist das in der Praxis wirklich umsetzbar? Viele Makler berichten, dass die Einbindung der Familie häufig an Zurückhaltung oder fehlender Offenheit scheitert.
CN Das stimmt zum Teil, ja. In Deutschland spricht man ungern über Geld – oft nicht einmal innerhalb der Familie. Doch erfolgreiche Ruhestandsplaner wissen, wie sie diese Barrieren abbauen können: durch Aufklärung, durch Transparenz und durch klare Nutzenkommunikation. Wer erklärt, dass gemeinsame Gespräche spätere Konflikte vermeiden, stößt meist auf Offenheit.
CH In vielen Familien ist es nicht einfach, über sensible Themen wie Geld, Absicherung oder Nachfolge zu sprechen. Da prallen Emotionen aufeinander. Der Makler steht außerhalb dieser Dynamik. Er darf – und muss – Fragen stellen, die innerhalb der Familie oft niemand offen anspricht. Das verschafft ihm eine objektive Position, aus welcher heraus er Lösungen vorschlagen kann, ohne in familiäre Konflikte hineingezogen zu werden.
Was macht aus Ihrer Sicht eine erfolgreiche Familienberatung aus? Welche Faktoren entscheiden über Vertrauen und Bindung?
CH Aus meiner Sicht ist Kommunikation der Schlüssel. Familienberatung bedeutet, mit unterschiedlichen Generationen zu sprechen – Eltern, Kindern, manchmal auch Großeltern. Jeder hat ein anderes Verständnis von Risiken und Finanzen. Makler können es schaffen, diese verschiedenen Sichtweisen zusammenzubringen. Das funktioniert, wenn sie sich breit aufstellen, unterschiedliche Kommunikationswege nutzen und stets dafür offen bleiben – sei es per Anruf, Brief oder digital via Social Media. Wichtig ist, dass der Kontakt bestehen bleibt, auch über viele Jahre.
Herr Eichhorn, worauf kommt es aus Ihrer Sicht an?
ME Neben Kommunikation spielt Empathie eine zentrale Rolle. Familien wissen oft gar nicht, welche Risiken sie tatsächlich betreffen. Der Makler muss zuhören, Lebenssituationen verstehen und Themen sensibel ansprechen – auch solche, die unbequem sind. Eine gute Beratung erkennt Risiken frühzeitig und vermittelt sie so, dass der Kunde sie nachvollziehen kann.
Das setzt Vertrauen voraus – und viel Wissen. Herr Nuschele, wie lässt sich dieses Vertrauen über einen langen Zeitraum aufrechterhalten?
CN Durch echte Expertise und Kontinuität. Der Makler muss fachlich sattelfest sein, darf aber nicht nur transaktional arbeiten. Es geht nicht darum, jedes Jahr neue Produkte zu platzieren, sondern Kunden über Jahrzehnte zu begleiten. Wer ein langfristiges Betreuungskonzept hat und von Beginn an klar kommuniziert, dass er auch die Familie miteinbeziehen möchte, schafft eine stabile Beziehung.
Können Makler das überhaupt leisten angesichts von Zeitdruck und Regulatorik?
ME Nicht immer allein. Aber sie können Strukturen schaffen – etwa durch Mitarbeitende mit unterschiedlichen Schwerpunkten oder durch Kooperationen. Wichtig ist, dass die Beratung als Prozess verstanden wird, nicht als einmaliges Gespräch. Und Makler sollten den Zugang zu den Themen modern gestalten. Familien ticken heute anders: Sie erwarten Service, schnelle Reaktion und verständliche Sprache. Wenn das gelingt, entsteht Loyalität.
CN Am Ende ist entscheidend, ob ein Makler als echter Begleiter wahrgenommen wird – einer, der die Familie in allen Lebensphasen versteht. Das ist kein kurzfristiger Verkaufserfolg, sondern nachhaltige Bestandssicherung.
Familienberatung bedeutet heute auch, mit neuen Risiken umzugehen. Welche Entwicklungen sehen Sie aktuell besonders stark?
ME Viele klassische Risiken bleiben bestehen – Streitigkeiten beim Wohnen, im Beruf oder in der Schule. Aber hinzu kommen neue Themen, vor allem im digitalen Bereich. Cybermobbing, Identitätsdiebstahl oder Online-Betrug betreffen Familien zunehmend. Eltern und Kinder bewegen sich in einer digitalen Welt, in der rechtliche Konflikte ganz anders entstehen als früher. Unser Ziel ist, hier aufzuklären und präventiv zu unterstützen. Wir bieten etwa einen „Cyber-Check“ an, um Makler und Kunden für diese Themen zu sensibilisieren.
Das klingt stark nach Prävention. Wie wichtig ist dieser Aspekt aus Ihrer Sicht?
ME Sehr wichtig. Es geht nicht nur darum, im Schadenfall da zu sein, sondern Probleme zu verhindern, bevor sie entstehen. Unsere telefonische Rechtsberatung etwa kann genutzt werden, ohne dass ein Schadenfall vorliegt. So können Familien sich rechtzeitig informieren.
CH Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich – im Sportverein, in der Schule, in der Nachbarschaft. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Haftungsfälle in diesem Bereich zu. Oft wird übersehen, dass sich daraus echte Risiken ergeben können. Wir haben deshalb unsere Policen um entsprechende Zusatzbausteine erweitert. Auch solche Themen gehören in jede moderne Familienberatung, denn sie zeigen, wie breit das Leben heute aufgestellt ist.
Wie reagieren Makler auf diese Veränderungen? Sind sie ausreichend sensibilisiert für solche neuen Themen?
CH Noch nicht immer. Viele Makler denken zuerst an die klassischen Sparten – Hausrat, Haftpflicht, Unfall. Aber neue Risiken entwickeln sich schnell. Deshalb setzen wir stark auf Weiterbildung, Webinare und den ständigen Austausch. Der Makler muss diese Entwicklungen kennen, um seinen Kunden echten Mehrwert bieten zu können.
Herr Nuschele, in der Lebensversicherung gibt es ebenfalls neue Schwerpunkte. Welche Beobachtungen machen Sie hier?
CN Tatsächlich wächst das Bewusstsein, frühzeitig vorzusorgen – sei es über Ausbildungsversicherungen, Schüler-BU oder kombinierte Vorsorgelösungen. Aber ich würde es nicht als Trendthema bezeichnen, sondern als Pflichtaufgabe. Familien müssen verstehen, dass Vorsorge nicht erst im Alter beginnt. Hier sind Makler gefragt, Aufklärungsarbeit zu leisten und die Komplexität verständlich zu machen.
Familienberatung umfasst häufig auch Kapitalaufbau – etwa bei Vorsorge- oder Ruhestandslösungen. Welche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang die Erlaubnis nach § 34f Gewerbeordnung?
CN Grundsätzlich ist die 34f-Erlaubnis nicht zwingend notwendig, um im Bereich der Alters- oder Familienvorsorge tätig zu sein. Wer das fachliche Wissen hat, kann auch im Rahmen des § 34d GewO sehr fundiert beraten. Trotzdem erweitert die zusätzliche Qualifikation den Handlungsspielraum. Sie ermöglicht, über den Versicherungsmantel hinaus direkt in Investmentfonds zu beraten – und damit die finanzielle Planung breiter aufzustellen. In der Praxis zeigt sich, dass gerade Makler mit beiden Zulassungen häufig im Vorsorgegeschäft besonders aktiv sind. Es ist kein Muss, aber ein Vorteil.
Eltern spielen wohl eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, junge Menschen an Versicherungsthemen heranzuführen. Wie wichtig ist diese Rolle aus Ihrer Sicht?
CH Enorm wichtig. Jugendliche beschäftigen sich selten von selbst mit Versicherungen. Ihr erster Kontakt entsteht fast immer über die Eltern – und damit über den Makler, der die Familie betreut. Wenn Eltern ihren Kindern den Wert persönlicher Beratung vermitteln, ist das die beste Gegenstrategie zu anonymen Vergleichsportalen. Der Makler kann diesen Übergang aktiv begleiten, etwa wenn das Kind volljährig wird, die Ausbildung beginnt oder auszieht. Das sind perfekte Zeitpunkte, um Vertrauen aufzubauen und Beratung zur Selbstverständlichkeit zu machen.
ME Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder fair und unabhängig beraten werden. Der Makler steht auf der Seite des Kunden, nicht des Produkts. Diese Unabhängigkeit ist gelebter Verbraucherschutz – und etwas, was kein Vergleichsportal leisten kann. Dort gibt es keine Rückfragen, keine persönliche Einschätzung, keine Einordnung. Eltern wissen das und können ihre Kinder dafür sensibilisieren.
Eltern schaffen das Bewusstsein, Makler sichern die Qualität?
ME Es ist eine Art Zusammenspiel: Eltern geben Orientierung, Makler liefern Kompetenz. So entsteht das Vertrauen, das junge Menschen später selbst in die Beratung trägt. Kompetenz bedeutet zugleich immer auch Verantwortung. Diese Chance sollten Makler gegenüber der Zielgruppe Familien mit einer professionellen Beratung erkennen und wahrnehmen.
Die Beratung von Familien ist komplex, individuell – und sie braucht vor allem eines: Zeit. Gleichzeitig zeigt eine aktuelle Erhebung der BFV in Kooperation mit AssCompact, dass Makler rund ein Viertel ihrer Arbeitszeit mit regulatorischen Aufgaben verbringen. Wie wirkt sich das aus Ihrer Sicht auf die Beratungsrealität aus?
CH Das spüren wir deutlich. Regulatorik ist wichtig, sie schafft Sicherheit und Transparenz – aber sie kostet massiv Zeit. Viele Makler berichten, dass sie einen großen Teil ihrer Woche mit Dokumentation, Datenschutz oder Nachhaltigkeitsanforderungen verbringen. Das schmälert die eigentliche Beratungszeit, insbesondere in Feldern wie der Familienberatung, wo man Vertrauen aufbauen und Zusammenhänge erklären muss. Unsere Aufgabe als Versicherer ist deshalb, Prozesse so einfach wie möglich zu gestalten und dem Makler Wege aufzuzeigen, effizienter zu arbeiten.
Wie kann das konkret aussehen?
CH Wir versuchen, die Abläufe zu vereinfachen – etwa durch klar strukturierte Prozesse, schnelle Reaktionszeiten und eine verlässliche Schadenregulierung. Wenn der Makler weiß, dass es bei uns reibungslos läuft, spart das wertvolle Zeit. Außerdem bieten wir Seminare und Workshops an, in denen es um Prozessoptimierung geht. Alles, was beim Makler Effizienz schafft, gibt ihm mehr Raum für das, was wirklich zählt: die Beratung.
Herr Eichhorn, auch Sie erleben, dass Regulatorik für viele Makler zur Belastung geworden ist. Wie gehen Sie damit um?
ME Indem wir uns bewusst machen, dass jeder Makler andere Voraussetzungen hat. Der eine arbeitet allein, der andere im Team. Entsprechend unterschiedlich sind die Bedürfnisse. Wir bieten deshalb flexible Unterstützung – vom direkten Ansprechpartner bis hin zu digitalen Schnittstellen, die Routineprozesse beschleunigen. Ziel ist immer, Beratungszeit zurückzugewinnen. Denn die Qualität einer Beratung bemisst sich nicht an Formularen, sondern an persönlicher Nähe.
Regulatorik ist eine systemische Frage. Hier braucht es die Betätigung einiger Stellschrauben, um für Entlastung zu sorgen, oder?
CN Wir können die Regulatorik nicht abschaffen, aber wir können sie gestalten. Als Branche müssen wir der Aufsicht und der Politik zeigen, welche Folgen übermäßige Regulierung hat: weniger Zeit für Kunden, weniger unabhängige Beratung. In Verbänden wie der BFV bündeln wir diese Erfahrung und bringen sie in den Dialog mit den Entscheidungsträgern ein.
Das klingt nach langfristiger Arbeit. Gibt es auch kurzfristige Ansätze, um Makler zu entlasten?
CN Ja, wir können unterstützen, indem wir Prozesse standardisieren und verständlicher machen. Es hilft schon, wenn Versicherer ihre Abläufe vereinheitlichen, anstatt jede Vorschrift unterschiedlich zu interpretieren. Wenn jeder Anbieter seine eigenen Formulare und Nachweise entwickelt, entsteht unnötiger Mehraufwand für den Makler. Hier tragen wir Verantwortung – durch klare Strukturen, digitale Schnittstellen und praxisgerechte Umsetzungshilfen. Hier müssen wir uns als Versicherer aber auch an die eigene Nase greifen und für Verbesserung sorgen.
CH Unsere Zusammenarbeit innerhalb der BFV ist eine Chance, diese Anliegen stärker zu bündeln. Gerade mittelständische Maklerversicherer profitieren davon, mit einer Stimme zu sprechen. Wenn wir unsere Erfahrungen bündeln und geschlossen auftreten, werden wir auch gehört – etwa bei EIOPA oder im Finanzministerium. Das ist keine Lobbyarbeit im klassischen Sinne, sondern praktische Aufklärungsarbeit für mehr Vertriebszeit im Maklerhaus.
Lesen Sie auch: Bürokratie erdrückt Makler: Steigen regulatorische Anforderungen?
Interessieren Sie sich für weitere Hintergrundartikel aus der Branche? Dann abonnieren Sie das monatliche Fachmagazin AssCompact – kostenfrei für Versicherungs- und Finanzmakler.
- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können