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24. Mai 2022
Zum Säumniszuschlag auf KV-Prämienrückstände
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Zum Säumniszuschlag auf KV-Prämienrückstände

Eine Vorlage rund um die Frage, ob die VVG-Vorschrift, dass Versicherte für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstandes einen Säumniszuschlag von 1% des Prämienrückstandes zu entrichten haben, mit dem Grundgesetz vereinbar ist, hat das BVerfG jüngst für unzulässig erklärt.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jüngst per Beschluss eine Vorlage des Amtsgerichts Wiesbaden (AG) zu § 193 Abs. 6 Satz 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) für unzulässig erklärt, da sie den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG nicht genügt.

In der Vorlage geht es um die Frage, ob die betreffende VVG-Vorschrift insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als der Versicherungsnehmer für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstandes einen Säumniszuschlag in Höhe von 1% des Prämienrückstandes zu entrichten hat.

Säumniszuschlag in Höhe von 1% des Prämienrückstandes

Der Sachverhalt stellt sich folgendermaßen dar: Nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG ist jede Person mit Wohnsitz in Deutschland grundsätzlich verpflichtet, für sich selbst und für die von ihr gesetzlich vertretenen Personen eine private Krankheitskostenversicherung zu gesetzlich näher geregelten Bedingungen abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Gerät der Versicherungsnehmer einer solchen Pflichtkrankenversicherung mit der Prämienzahlung in Rückstand, so hat er nach § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG für jeden angefangenen Monat eines Prämienrückstandes anstelle von Verzugszinsen einen Säumniszuschlag in Höhe von 1% des Prämienrückstandes zu entrichten.

In der zivilrechtlichen Streitigkeit, die der Vorlage des AG Wiesbaden zugrunde liegt, hat ein Versicherungsunternehmen einen Versicherungsnehmer auf Zahlung rückständiger Prämienbeiträge nebst Säumniszuschlägen nach § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG verklagt.

AG sieht allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verletzt

Das AG hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Frage sei entscheidungserheblich, denn falls die Vorschrift verfassungskonform sei, müssten der klagenden Versicherungsgesellschaft die Säumniszuschläge wie beantragt zugesprochen werden. Andernfalls habe das Gericht der Versicherung keine Säumniszuschläge in der geforderten Höhe zuzusprechen, sondern nur denjenigen Prozentsatz, der nicht auf die Zinsen entfalle. § 193 Abs. 6 Satz 2 VVG verstoße unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu § 233a der Abgabenordnung (AO) gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Nach § 233a AO sind Steuernachforderungen und Steuererstattungen unter den dort genannten Bedingungen zu verzinsen. Die Zinsen betragen für jeden Monat 0,5%. Das BVerfG hat § 233a in Verbindung mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2014 ein Zinssatz von 0,5% für jeden Monat zugrunde gelegt wird (Beschluss des BVerfG vom 08.07.2021 – 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17).

Es besteht nach Auffassung des AG Wiesbaden eine Ungleichbehandlung zwischen zinszahlungspflichtigen Steuernachzahlern und säumniszuschlagszahlungspflichtigen Versicherungsnehmern seit dem Jahr 2014. Diese Ungleichbehandlung sei nicht gerechtfertigt.

BVerfG: Vorlage genügt Begründungsanforderungen nicht

Laut BVerfG ist die Vorlage aber unzulässig, weil sie den aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht genügt: So lasse die Vorlage beispielsweise nicht erkennen, ob oder dass der Sachverhalt vollständig aufgeklärt und die erforderlichen Beweise erhoben worden seien, also, ob die Sache somit entscheidungsreif sei. Die Ausführungen zur Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Norm genügten den Vorgaben des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG ebenfalls nicht. Das AG stelle nicht hinreichend dar, weshalb es von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt sei. (ad)

BVerfG, Beschluss vom 04.05.2022 – 2 BvL 1/22

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