Ein Artikel von Klaus-Jürgen Baum, Inhaber KJB Consulting
Nur kurze Atempause oder Vorbote einer dauerhaften Abkühlung? In den ersten acht Monaten des Jahres 2025 kam es zu einem deutlichen Rückgang der Transaktionszahlen. Insgesamt waren 50 High-Profile-Übernahmen zu verzeichnen. Besonders die großen Aggregatoren GGW, GLOBAL und MRH Trowe waren deutlich weniger aktiv. Sie kamen zusammen auf acht Übernahmen. Unverändert in Kauflaune waren demgegenüber einige Player aus der zweiten Reihe: ATTIKON, HBC, Helmsauer und die in Privathand befindliche Aventus, die zusammen für 22 Übernahmen stehen. Ihre Übernahmeschwerpunkte lagen überwiegend bei kleineren und mittelgroßen Regionalmaklern.
Investorenstimmung vor dem Test
Vergleichsweise starke Bewegung gab es dagegen bei einigen der Konsolidierer selbst: Die HBC Gruppe ist in die Hände des Finanzinvestors Bridgepoint übergegangen, bei ATTIKON Finanz ist die Beteiligungsgesellschaft Astorg eingestiegen. Astorg ist u. a. auch bei Acturis investiert (in Deutschland mit ASSFINET, NAFI aktiv). Beide Aggregatoren wurden mit frischem Kapital ausgestattet, um ihre „Einkaufstouren“ fortzusetzen. Speziell ATTIKON hat bereits angekündigt, den Umsatz verdreifachen und unter die Top 10 der Firmen- und Gewerbemakler aufsteigen zu wollen.
Marktbeobachter gehen außerdem davon aus, dass es bei der GLOBAL GRUPPE in absehbarer Zeit zu einem milliardenschweren Verkauf kommen wird. Diese Großtransaktion könnte sich als Lackmustest für die Marktstimmung insgesamt erweisen: Verläuft sie erfolgreich für die bisherigen Investoren, wäre das ein starkes Signal für eine Fortsetzung der Rallye.
Makler kalkulieren Ende des Ausnahmezustands ein
Auf der anderen Seite des Marktes ist aufgrund zahlreicher zwischenzeitlich geführter Interviews mit Mittelstandsmaklern ableitbar, dass die Versuchung tendenziell steigt, die weiterhin hohe Unternehmensnachfrage für sich zu nutzen: Das gilt zum einen natürlich für Makler, bei denen die Nachfolge nicht klar geregelt ist; zum anderen aber auch immer mehr für Inhaber, die eigentlich „ihre Höfe bestellt“ haben. Denn bei ihnen steigt der Leidensdruck gerade an der Schnittstelle zu den Versicherern. Reizworte sind dabei u. a. Platzierungsschwierigkeiten bei bestimmten Kundenrisiken, Sanierungsdruck selbst bei profitablen Verträgen und lange Bearbeitungszeiten in der Angebotsphase und bei der Schadenregulierung. Gleichzeitig macht sich unter den Verkaufsinteressenten die Erkenntnis breit, dass es keine Gewähr für die unbegrenzte Fortsetzung dieses „Ausnahmezustands“ gibt. Die Bewertungen könnten sich nach einer historisch einmaligen Aufwärtsentwicklung auch wieder „südwärts“ bewegen. Auch wird für die Zukunft mit einer stärkeren Preisdifferenzierung gerechnet, da die Einkäufer und Investoren dann anhand ihrer bisherigen Übernahme- und Integrationserfahrungen noch stärker die Geschäftsqualität von Targets in ihre Bewertungen einfließen lassen dürften. Dies gilt umso mehr angesichts einer zunehmenden Zahl von Unternehmenspleiten und eines insgesamt durchwachsenen Ausblicks für mehrere deutsche Leitindustrien, mit denen Versicherungsmakler in der Vergangenheit gute Erträge erzielt haben.
Geld ist nicht alles
Allerdings ist der erzielbare Verkaufspreis nach Autorenwahrnehmung ein zwar wichtiger, aber keineswegs der alleinige Entscheidungsfaktor bei der Unternehmensnachfolge: Viele verkaufsbereite Makler legen großen Wert darauf, dass ihre Kunden und Mitarbeiter beim Erwerber in guten Händen sind. Und besonders dann, wenn nach dem Unternehmensverkauf eine längere Übergangsphase vorgesehen ist, in der der verkaufende Inhaber weiterhin als angestellter Geschäftsführer tätig wird, kommen weitere Überlegungen ins Spiel. Für jüngere Verkäufer, die ihre weiteren beruflichen Perspektiven innerhalb der Erwerbergruppe sehen, können sie letztlich sogar ausschlaggebend sein.
Neben der zum Teil spürbaren grundsätzlichen Zurückhaltung gegenüber kurzfristig finanzgetriebenen „Heuschrecken“ und „Finanzalchemisten“ geht es dabei v. a. um drei Aspekte: erstens um die Möglichkeit, sich selbst weiterhin unternehmerisch einzubringen; zweitens um Kontinuität bei den Verantwortlichen auf der Erwerberseite; drittens um ein langfristiges strategisches Commitment der Käufer – idealerweise ohne übermäßigen (Rendite-)Druck von der Finanzierungsseite aufgrund hohen Fremdkapitaleinsatzes, wie er bei den überwiegend Private-Equity-finanzierten Gruppen „normal“ ist.
Marathon-Investoren schieben sich nach vorn
Genau diese „weichen Faktoren“ adressieren einige langfristig ausgerichtete Aggregatoren aus der zweiten Reihe. Nach Autorenwahrnehmung sind solche „Marathon-Investoren“ in der Verkäufergunst zuletzt spürbar gestiegen. Sie bauen ihre Argumentarien v. a. auf folgende Punkte auf:
- Die Firmenkäufe werden vollständig oder überwiegend mit Eigenkapital finanziert. Dabei agieren die Aufkäufer eher wie „Strategen“ und verfolgen langfristige Wachstumsziele („Buy, Build & Hold“). Eine spätere Abgabe von Anteilen wird nicht ausgeschlossen, ist aber nicht die primäre Zielsetzung.
- Die gewonnenen Maklerbetriebe werden nach Möglichkeit mit ihren Teams an den bestehenden Standorten weitergeführt – oft unter Erhalt des früheren Firmennamens – und durch passende Firmen- und Bestandsübernahmen in ihrer jeweiligen regionalen Marktstellung gestärkt. Die verkaufenden Inhaber verbleiben idealerweise in der Gruppe und führen ihre Einheiten als „Unternehmer im Unternehmen“ weiter.
- Die regionalen Maklereinheiten werden mit der Bereitstellung von zentralen Services unterstützt (z. B. IT und Prozesse, Einkauf, Recht und Personal).
- Im Ergebnis führt das zu stärker dezentral agierenden Maklergruppen, die versprechen, die Autonomie ihrer Partnermakler weitgehend zu erhalten, dabei aber zugleich durch die Bereitstellung einer Plattform mit zentralen Services Synergien heben wollen.
- Zusätzlich werben Marathon-Investoren für ihre fast schon verbundartigen Ansätze mit attraktiven Beteiligungsmodellen für ihre Partnermakler. Diese können sich zu fairen Konditionen direkt an der Obergesellschaft (rück-) beteiligen und werden damit zu echten Co-Investoren der (Haupt-)Kapitalgeber.
Alea iacta est? Nein, die Würfel sind noch nicht gefallen
Trotz des erkennbaren Rücksetzers bei den Deal-Zahlen im ersten Halbjahr 2025 ist von einer längerfristigen Fortsetzung der Übernahmewelle bei den Mittelstandsmaklern im deutschen Markt auszugehen. Die stattfindende Differenzierung auf der Käuferseite wird dazu beitragen, zunehmend auch Makler auf die Verkäuferseite zu ziehen, die den bislang dominierenden „Heuschrecken-Investoren“ skeptisch gegenüberstehen.
Erwartbar ist außerdem, dass noch weitere Akteure versuchen werden, bei der Marktkonsolidierung intensiver mitzumischen: etwa Verbünde mit starker Verankerung bei Mittelstandsmaklern. Sie dürften schon zur Sicherung des eigenen Kerngeschäfts entsprechende Aktivitäten hochfahren – v. a. durch die finanzielle Unterstützung von Makler-zu-Makler-Transaktionen und/oder durch eigene Maklerbeteiligungsgesellschaften.
Auf der anderen Seite des Marktes wird einerseits die anhaltende Verkaufsbereitschaft von Maklern ohne Nachfolgeregelung aus der Boomer-Generation dafür sorgen, dass die Zahl der unabhängigen Mittelstandsmakler weiter abnimmt. Andererseits wird der harte Kern der familiengeführten Makler („Gallier“) allmählich an Kontur gewinnen.
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