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19. Juni 2022
Zurück zum Zinspapier
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Zurück zum Zinspapier

Immer weniger Anleihen rentieren negativ. Eine gute Nachricht für ertragsorientierte Anleger, auch wenn das Umfeld für die Rentenmärkte herausfordernd bleiben dürfte. Warum Anleihen anziehen dürften, wenn die Zinswende die Luft aus Blasen am Markt lässt, erläutert Nick Hayes von AXA Investment Managers.

Ein Artikel von Nick Hayes, Portfoliomanager und Leiter Total Return and Fixed Income Asset Allocation bei AXA Investment Managers

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass das Jahr 2022 eine ganze Reihe von Herausforderungen mit sich gebracht hat – sowohl auf geopolitischer und humanitärer Ebene als auch in Bezug auf die Marktvolatilität. Erheblicher makroökonomischer Gegenwind, darunter eine anhaltend höhere Inflation, Probleme in der Lieferkette, steigende Energiepreise sowie die Eskalation der Spannungen zwischen Russland und der Ukraine, sorgten für ein negatives Umfeld sowohl für Anleihen als auch für Aktien.

Investmentchancen auch in schwachen Märkten

In einem solchen Umfeld mit korrelierten negativen Renditen über alle Anlageklassen hinweg ist es eine Herausforderung, mit festverzinslichen Wertpapieren allein positive Erträge zu erwirtschaften. Allerdings sollte man bedenken, dass das Umfeld in den ersten Monaten des Jahres 2022 ein ziemlich seltenes ist.

Dass die Märkte eine Menge guter Nachrichten eingepreist haben, seit es in den Volkswirtschaften zu einer Erholung nach den Covid-19-bedingten Lockdowns kommt, ist das Positive für Anleiheinvestoren. Damit sind Anleihen heute eine viel günstigere Anlageklasse als in den vergangenen Jahren – als niedrige und vielfach negative Renditen und geringe Risikoaufschläge an der Tagesordnung waren.

Tatsächlich gab es vor 2014 weltweit kaum negativ verzinste Anleihen. 2020 erreichte ihr Volumen dann einen Höchststand von 18 Bio. US-Dollar. Seither ist dieser Wert auf nur noch 4 Bio. US-Dollar zurückgegangen. Zuletzt durchbrachen zehnjährige US-Treasuries erstmals seit 2019 die viel beachtete 2%-Marke, und auch die Rendite zehnjähriger deutscher Bundes­anleihen drehte ins Plus. Das ist ein positives Zeichen für Anleger, die sich unter anderem wegen des positiven Einkommensstroms zu Anleihen hingezogen fühlen.

Auch wenn kurzfristig weiter erhöhte Schwankungen zu erwarten sind, eröffnen die jüngsten Marktentwicklungen doch längerfristig wieder Chancen, attraktive Erträge an den Rentenmärkten zu erzielen.

Anleihen profitieren, wenn die Blasen platzen

Die Zentralbanken werden ihren Zinserhöhungskurs trotz der negativen Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine auf das globale Wachstum aller Wahrscheinlichkeit nach fortsetzen. Denn schließlich treibt dieser gleichzeitig die Inflation weiter in die Höhe. Aber auch wenn es einen Konsens darüber gibt, dass Kern-Staatsanleihen unter den erwarteten Zinsschritten auf kurze Sicht leiden sollten, existieren einige wichtige Faktoren, die einen Anstieg der Renditen und damit verbundene Kursverluste laufender Anleihen beschränken könnten.

Zunächst dürfte die Straffung der Geldpolitik sanfter ausfallen als bisher angenommen – und sicherlich nicht so aggressiv, wie sie der Markt derzeit einschätzt. Die Zinswende wird darüber hinaus zum Platzen vieler Blasen führen. Festverzinsliche Wertpapiere sollten davon profitieren können, auch wenn der Weg dorthin kurzfristig etwas schmerzhaft sein kann.

Denn höhere Renditen führen zu einem Anstieg der Volatilität und zu niedrigeren Aktienkursen, vor allem im Technologiesektor. Ab einem bestimmten Punkt dürfte dies zu wieder sinkenden Renditen führen, da der Safe-Haven-Charakter von Staatsanleihen in den Vordergrund rückt. Zuletzt haben sich die Anleiherenditen seit mehr als einem Jahr stetig nach oben bewegt, und die Märkte preisen rund sechs Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed im Jahr 2022 ein. Auch wenn dies eintrifft, bewegen sich Anleiherenditen auf einen fairen Wert zu. Möglicherweise könnten höhere Renditen zusammen mit volatileren Aktienmärkten zudem zu einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und zu weniger Zinserhöhungen führen. In einem solchen Umfeld sollten sich Staatsanleihen erholen und eine anständige Gesamtrendite erwirtschaften.

Unternehmensanleihen und Schwellenländer sind besonders attraktiv

Auch für Unternehmensanleihen bieten sich im aktuellen Umfeld Chancen, insbesondere im Investment-Grade-Segment, punktuell aber auch bei Hochzinspapieren (High Yields). Denn die Fundamentaldaten haben sich nur wenig geändert. Dennoch begannen sich in der zweiten Januarhälfte die Renditeaufschläge (Spreads) für Hochzinsanleihen auszuweiten, was auf eine Abschwächung des Aktienmarktes zurückzuführen war.

Die Spreads europäischer Hochzinsanleihen haben sich dabei stärker ausgeweitet als die von US-Anleihen, da der Krieg in der Ukraine größere Auswirkungen auf Europa hat. Die Kreditmärkte für Investment-Grade-Anleihen wurden ebenfalls durch die höheren Spreads belastet und hatten gleichzeitig mit höheren Renditen für Staatsanleihen zu kämpfen.

Die jüngste Marktschwäche eröffnet dabei immer wieder Investment-Gelegenheiten. Insbesondere BBB-Anleihen mit niedrigerem Rating erscheinen interessant, wobei die GBP-/EUR-Märkte gegenüber den USD-Märkten attraktiver bewertet erscheinen. Bei Hochzinsanleihen wiederum ist angesichts der aktuellen Volatilität eine gewisse Zurückhaltung angebracht, wobei es bisher immer noch Gelegenheiten gab, durch eine Positionierung mit kürzerer Duration und eine sorgfältige Titelauswahl einen Wertzuwachs bei US-Hochzinsanleihen seit Jahresanfang zu erzielen.

Anders sieht es in den Schwellenländern aus. Ihre Rentenmärkte haben sich nach einem schwierigen Jahr 2021, das durch die Volatilität des chinesischen Immobilienmarktes und die Anfälligkeit der Schwellenländerwährungen gegenüber höheren US-Staatsanleiherenditen geprägt war, nicht erholt. Im Jahr 2022 werden sich diese Themen fortsetzen. Die Krise in der Ukraine kommt erschwerend hinzu und verstärkt die negative Stimmung gegenüber der Anlageklasse. Auch wenn die kommenden Monate schwierig sein dürften, werden die Schwellenländer unserer Meinung nach im Jahr 2022 einen Punkt erreichen, an dem sie sehr attraktiv bewertet sein werden.

Fazit

Es gibt mithin gute Gründe, optimistisch zu sein, was die Erträge von festverzinslichen Wertpapieren angeht. Vor allem die derzeitige Volatilität könnte Chancen eröffnen. Das gilt zum einen für Kern-Staatsanleihen. Aber auch der Appetit auf Risikoanlagen scheint nach wie vor groß zu sein. Die Ausfallraten dürften sich kaum von ihren historischen Tiefstständen entfernen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass an den Anleihemärkten bereits viel eingepreist wurde und ihre Fähigkeit, nach oben zu überraschen, nicht unterschätzt werden sollte – zumal auf­einanderfolgende negative Jahre bei Anleihen äußerst selten sind.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 06/2022, s. 38 f., und in unserem ePaper.

Bild: © FR Design – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Nick Hayes