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25. Juni 2020
„Attraktive Versorgungsmodelle des Arbeitgebers sind gefragter denn je“

„Attraktive Versorgungsmodelle des Arbeitgebers sind gefragter denn je“

Viele Unternehmen sind von der Corona-Krise schwer getroffen. Doch wie wirkt sich dies auf die betriebliche Versorgung aus? Schließlich stellen sich schon ohne Corona einige Fragen in der bAV, vom Niedrigzins bis hin zur künftigen Rolle der Digitalisierung. AssCompact hat nachgefragt bei Andreas Brand, Geschäftsführender Gesellschafter der BRANDCONSULT GmbH.

Herr Brand, das BRSG sollte der betrieblichen Altersversorgung neuen Aufwind verleihen. Ist das aus Ihrer Sicht in der Praxis auch der Fall gewesen?

Ja, tatsächlich ist durch das BRSG ein Aufwind entstanden. Der Pflichtzuschuss ist der relevante Faktor, ohne diesen wäre kaum neue Bewegung in die Thematik gekommen. Unternehmen, mit denen wir bisher noch keine Geschäftsverbindung hatten, kommen auf uns zu, um ihr Betriebsrentensystem gesetzeskonform anzupassen. Allerdings hat der Gesetzgeber es den Unternehmen mit der Novellierung des BetrAVG auch nochmals schwerer gemacht. Unsere Kunden berichten uns, dass ohne unsere Beratung eine gesetzeskonforme Umsetzung nicht möglich gewesen wäre. Zusätzlich sind die Unternehmen häufig überrascht, wie mit relativ geringen effektiven Kosten die Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität durch ein modernes Versorgungssystem erhöht werden kann.

Sind die Fortschritte durch Corona nun zunichtegemacht?

Wir glauben, dass die Corona-Pandemie bei den solventen Arbeitgebern größtenteils eher eine aufschiebende Wirkung hat. Allerdings müssen wir, unabhängig von gesundheitlichen Ängsten, vor allem zwischen zwei Gruppen unterscheiden: Die Arbeitnehmer, die um ihren Job bangen und ggf. schon heute mit dem Kurzarbeitergeld auskommen müssen, werden sich in naher Zukunft nicht um ihre Altersversorgung kümmern können. Hier fehlt schlichtweg das Geld und Existenzängste stehen im Vordergrund. Bei den Arbeitnehmern, die weniger Ängste um ihren Arbeitsplatz haben, steht die Zukunftsvorsorge vermehrt im Fokus. Ich glaube, wir machen uns heute alle vermehrt Gedanken um unsere Gesundheit und die Zukunft. Hier sind attraktive Versorgungsmodelle des Arbeitgebers gefragter denn je, was aber noch nicht jedem Arbeitgeber so bewusst ist.

Welche Auswirkungen auf die bAV sind derzeit bei Unternehmen schon spürbar und mit welchen Konsequenzen rechnen Sie weiterhin angesichts drohender Insolvenzen?

In den letzten Wochen mussten sich die Unternehmen auf die neue Situation einstellen und auch wir haben Kunden, die aufgrund von Kurzarbeit ihre Beiträge zur bAV gestoppt haben. Neue Projekte wurden zum Beispiel aufgrund der Kontaktbeschränkungen bis auf Weiteres erst einmal gestoppt. Es ist mit einem deutlichen, wenn nicht gar massiven Umsatzrückgang in der Branche zu rechnen, den nicht jeder Marktteilnehmer überleben wird.

Mit welchen Maßnahmen unterstützen Sie Ihre Kunden in dieser Situation?

Gerade in der aktuellen Situation haben insbesondere die Personalabteilungen viele Fragen. Vertragsveränderungen wie Beitragsstundungen müssen aufgrund von Kurzarbeit unkompliziert durchgeführt werden. All das managen wir für unsere Kunden unabhängig davon, ob es einen oder 30 Versicherer je Unternehmen betrifft. Zum Glück haben wir unsere bAV-Verwaltung schon frühzeitig voll digitalisiert, sodass eine schnelle Umsetzung möglich ist. Für den Arbeitgeber sind die Vertragsveränderungen auf Knopfdruck erledigt. Wir glauben fest daran, dass die zukünftigen Beratungen vermehrt über digitale Kanäle stattfinden werden. Wir haben dafür schon länger die Grundlage gelegt und bieten unseren Kunden eine rechtssichere persönliche Beratung bis hin zur digitalen Unterschrift an. Persönliche Beratungen finden zukünftig gemäß unserem internen Strategiepapier „Corona-sichere Beratung“ nach Vorgaben des Robert Koch-Instituts statt.

Nun stellen sich schon ohne Corona-Krise einige Fragen in der bAV, etwa der Niedrigzins – eine Belastung für Versicherer und Arbeitgeber und weniger Rendite für die Versicherten. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Die Herausforderung für Arbeitgeber, aber auch für Berater, die Spreu vom Weizen zu trennen, ist ungleich höher geworden. Wie sollen die Parteien heute noch sinnvoll eine Entscheidung treffen? Hierbei geht es in erster Linie um Haftungsfragen des Arbeitgebers wie zum Beispiel Einstandsverpflichtungen aufgrund von mangelhaften Garantien. Auch die Rendite für Arbeitnehmer darf hierbei nicht zu kurz kommen. Ohne unsere eigene, sehr tiefgehende marktumfassende bAV-Tarifanalyse könnten wir unserem Auftrag der unabhängigen Beratung als bAV-Makler nicht gerecht werden. Aus unserer Sicht gibt es nur eine Handvoll Tarife, die diese Voraussetzungen für beide Parteien erfüllen.

Das nächste Thema ist die Doppelverbeitragung. Reichen die kürzlich getroffenen Erleichterungen aus?

Sicherlich können wir erst einmal dankbar sein, dass überhaupt etwas getan wurde. Ausreichend ist das Ergebnis allerdings nicht. Wenn die bAV weiter gestärkt werden soll, dann müssen hier noch deutliche Verbesserungen beschlossen werden.

Die genannten Felder hemmen ja mehr oder weniger die bAV. Sie erwähnten bereits, dass Sie mit Ihrem bAV-Portal frühzeitig die digitalen Weichen gestellt haben. Hat die Digitalisierung das Zeug dazu, mehr Durchdringung und Effizienz zu bringen?

Nein, aber die Digitalisierung ist ein unabdingbares Hilfsmittel, ohne das die zukünftige Betreuung und Verwaltung kostendeckend nicht mehr möglich sein wird. Wir sind weiterhin überzeugt, dass eine persönliche Beratung der Arbeitnehmer unverzichtbar ist.

Lassen Sie uns noch näher auf Ihr bAV-Portal eingehen. Wie sieht der Einsatz aus und wie fördern Sie weitere digitale Prozesse?

Wir können über unser bAV-Portal alle Versicherer, Durchführungswege und Zusagearten abbilden. Selbst komplexe Zuschussregelungen werden bei uns automatisch berechnet und die Arbeitgeber erhalten bei Änderungen wie zum Beispiel BBG-Dynamiken detaillierte Lohnbuchungsdaten. Jedem Mitarbeiter steht ein eigener digitaler Zugang mit allen Infos und Verträgen seiner bAV zur Verfügung. Weder Arbeitgeber, Mitarbeiter oder Berater noch unsere Backoffice-Mitarbeiter müssen Papier in die Hand nehmen.

Wie läuft denn die Zusammenarbeit mit den Versicherern?

Das ist so unterschiedlich wie die Versichererlandschaft. Es gibt Versicherer, die sagen, sie können BiPRO, aber die Geschäftsvorfälle landen am Ende dennoch als Papier im Postkorb des Sachbearbeiters. Andere Versicherer haben schon in der Vergangenheit die Digitalisierung vorangetrieben und sind somit schon deutlich weiter. Davon merkt aber unser Kunde nichts, da durch unser System für ihn alles digital ist.

Wie sehen Sie die Zukunft in Sachen bAV?

Wir als Spezialist sind weiterhin optimistisch, auch wenn es noch einige Monate dauern wird, bis wieder ein wenig Normalität eintreten wird.

Und ergänzend eine Frage zum Schluss: Wie könnte die perfekte bAV aussehen?

Ein einfaches Handling ohne Formulare und Papier. Keine Haftung für den Arbeitgeber, eine gute Rendite und damit eine hohe Rente nach Kosten für den Mitarbeiter.

Den Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 06/2020 und in unserem ePaper.

Bild: © hkama – stock.adobe.com