AssCompact suche
Home
Immobilien
16. Juni 2021
„Baufinanzierungskunden bleiben auf der vorsichtigen Seite“

„Baufinanzierungskunden bleiben auf der vorsichtigen Seite“

Führen die historisch niedrigen Zinsen zu einer Fahrlässigkeit bei Baufinanzierungskunden? Ditmar Rompf, Vorstandsvorsitzender der Hüttig & Rompf AG, gibt diesbezüglich klare Entwarnung. Manches sei heute aber schlicht nicht mehr leistbar. Umso wichtiger bleibe eine professionelle persönliche Beratung.

Herr Rompf, Sie haben eine Studie zum deutschen Markt für Wohn­immobilien erstellt. Wie ist denn die Lage dort?

Der Immobilienmarkt präsentiert sich sehr robust. Als wir letztes Jahr im März mit der Corona-Pandemie konfrontiert wurden, war die Frage, was passiert jetzt? Kaufen die Leute auch im Home-Office Immobilien oder haben sie andere Sorgen und Themen? Es gab große Bedenken, dass der Markt ins Stocken geraten könnte, zumal wir zuvor seit über zehn Jahren eine Immobilienhausse erlebten, in der sich die Preise vor allem in den Metropolen mindestens verdoppelt hatten.

Parallel dazu hat sich das durchschnittliche Darlehensvolumen ebenfalls mehr als verdoppelt. Es gab daher im Frühjahr 2020 Bedenken, dass diese Hausse endet. Nach wenigen Monaten haben wir aber bereits gemerkt, dass sie weitergehen wird. Wir haben im vergangenen Jahr 10% mehr Geschäft gemacht als 2019.

Und wie ging es in diesem Jahr weiter?

Noch dynamischer. Wir haben Quartalszuwächse von weiteren 25%, und das bei über 30 Filialen in ganz Deutschland. Der Boom ist also nicht nur auf einzelne Städte begrenzt. Die Leute kaufen Immobilien, obwohl die Preise bereits sehr hoch sind. In Frankfurt finden Sie keinen Neubau mehr unter 8.000 Euro pro m2, in München müssen Sie sogar mit 10.000 Euro rechnen. 100 m2 kosten dann bereits 1 Mio. Euro.

Sind das noch Summen, die man sinnvoll finanzieren kann?

In den Metropolen können sich häufig nur noch gut und doppelt verdienende Haushalte eine Immobilie finanzieren. Die durchschnittlichen Einkommen der Kunden, die bei uns finanzieren, gehen immer weiter nach oben. Im Schnitt lag die Darlehenssumme bei 543.000 Euro. Das ist allein innerhalb eines Jahres ein Plus von rund 50.000 Euro bzw. 12%. Parallel dazu steigen die Einkommen, die diese Summen finanzieren. Im vergangenen Jahr lag das durchschnittliche Haushaltseinkommen bei 5.700 Euro netto. Jetzt sind es bereits 5.900 Euro.

Offenbar gibt es aber immer noch genügend Menschen, die solche Einkommen haben, wenn die Nachfrage so groß ist, dass die Preise weiter anziehen …

Das ist so. In den Metropolen beschränken sich die Wohnwünsche mittlerweile aber ausschließlich auf Wohnungen. Häuser gibt es dort nicht mehr. Das ist nicht mehr leistbar. Dass wir 2020 trotzdem mehr Häuser finanziert haben, zeigt, dass Familien wieder stärker auf das Umland setzen, wo ein Häuschen noch eher realistisch ist. Dazu hat auch die Pandemie beigetragen. Früher wollten alle in die Stadt. Das geht bei diesen Preisen nicht mehr. Durch das vermehrte Home-Office können sich zudem mehr Leute vorstellen, etwas weiter außerhalb der Metropolen zu wohnen, weil sie nicht jeden Tag ins Büro fahren müssen.

Wie gehen die Banken mit dieser Gesamtsituation um. Sind sie angesichts der Preisrallye vorsichtiger geworden?

Die Banken werden in der Tat etwas vorsichtiger. Sie wollen nicht in irgendeine Blase hinein zu 100% finanzieren. Sie sind aber ohnehin durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zu einer ordentlichen Prüfung verpflichtet. Unter dem Strich ist die Immobilienfinanzierung aber fast das einzige Geschäft, an dem sie überhaupt noch etwas verdienen. Entsprechend wird es ein Kerngeschäft der Banken bleiben.

Sind die Kunden ähnlich umsichtig wie die Banken oder sind sie aufgrund der historisch niedrigen Zinsen fahrlässiger geworden?

Auch die Kunden bleiben in Deutschland auf der vorsichtigen Seite. Die Tilgungsmentalität ist weiter gut. Die Tilgung liegt im Schnitt weiter bei etwa 3%. Der Beleihungsauslauf ist ebenfalls relativ stabil. Er liegt weiterhin bei unter 90%. Auch das spricht nicht dafür, dass Kunden die Baufinanzierung auf die leichte Schulter nehmen. Oft werden zudem Ersatz­sicherheiten wie etwa das Haus der Eltern zur Verfügung gestellt. Die Politik muss also keine Angst haben, dass sich die Immobilieninteressenten zu hoch verschulden. Die Verschuldung ist immer noch in einem vertretbaren, gesunden Rahmen.

Kunden sichern sich die Zinsen zudem für längere Zeiträume als früher. Waren früher zehnjährige Zinsbindungen besonders beliebt, sind es heute 15-jährige. Über 40% unserer Finanzierungen haben heute 15-jährige Zinsbindungen. Weitere 14% unserer Kunden schließen sogar 20-jährige Zinsbindungen ab. Es gibt aber natürlich auch kürzere Zinsbindungen, weil der Aufpreis nicht immer leistbar ist oder weil Kunden davon ausgehen, dass die Zinsen dauerhaft auf niedrigem Niveau verbleiben werden.

Die Bauzinsen sind zuletzt aber leicht gestiegen. Was das eher ein kleines Aufflackern oder der Beginn einer größeren Zinswende?

Das dürfte eher ein kleines Aufflackern sein. Eine starke Steigerung der Baufinanzierungszinsen gibt das Umfeld nicht her. Die Verschuldung der Staaten ist durch die Pandemie nicht niedriger, sondern deutlich höher geworden. Natürlich werden aktuell ein paar Inflationsängste kolportiert. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir tatsächlich eine größere Inflation bekommen.

Sie unterscheiden in ihrer aktuellen Baufinanzierungsstudie zwischen Anlegern und Eigennutzern. Wie unterscheiden sich beide denn bei der Finanzierung?

Der Kapitalanleger orientiert sich primär an der Rendite. Ob diese in den Metropolen noch auskömmlich ist, ist fraglich. Die Renditeaussichten sind mit etwa 1 bis 2% oft schlicht zu gering. Daher investieren Anleger vermehrt in die Rand­lagen, wo zumindest noch Renditen von 3% erzielt werden können. Der Kapitalanleger will zudem möglichst wenig Eigenkapital einbringen und kauft nur Eigentumswohnungen und keine Häuser. Im Schnitt verdienen Anleger wesentlich mehr. Da sind wir bei Haushaltseinkommen von rund 9.000 Euro. Bei diesen Einkommen und den entsprechenden Vermögen könnte auch die Vermeidung von Negativzinsen bereits eine Rolle spielen.

Eine größere Rolle spielen seit Corona auch digitale Wege der Beratung. Welche Auswirkungen hatte das bei Hüttig & Rompf?

Die Beratungen werden auch bei uns derzeit überwiegend mit digitalen Kommunikationsmitteln wie Teams geführt. Ab und zu kommt auch mal ein Kunde in die Filialen, aber der Großteil nutzt die Video­beratung – und das, obwohl wir stark von der persönlichen Beratung leben. Andererseits profitieren Berater wie wir auch davon, dass der Kunde weniger die Beratung in einer lokalen Bankfiliale in Anspruch nimmt. Er informiert sich über das Internet und findet dort Experten wie Hüttig & Rompf oder andere unabhängige Baufinanzierungsvermittler.

Bleibt persönliche Beratung in der Baufinanzierungsberatung trotz digitaler Möglichkeiten wichtig?

Definitiv. Im Gegensatz zu einigen großen Konkurrenten machen wir ausschließlich persönliche Beratung und fahren auf Wunsch auch zum Kunden. Eine Baufinanzierungsberatung braucht Zeit, denn es ist in vielen Fällen eine der wichtigsten Finanzentscheidungen des Lebens. Entsprechend gut muss die Finanzierung zur jeweiligen Lebensphilosophie des Kunden passen. Und diese findet man nur im persönlichen Gespräch heraus – ob jetzt über Video oder in normalen Zeiten beim Kunden zu Hause oder in einer unserer Filialen. Wir werden nie ein Telefon­berater werden. Wichtig ist auch, den Kunden nach dem Abschluss zu begleiten, sodass zum Beispiel die Auszahlungen an Bauträger oder Haushersteller klappen. Die haben oft strikte Vorgaben. Ansonsten kann es zu ärgerlichen Verzögerungen kommen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 06/2021, Seite 64 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Alva Steury – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Ditmar Rompf