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24. Mai 2023
„Beruhigend, inhabergeführtes Familienunternehmen zu sein“

„Beruhigend, inhabergeführtes Familienunternehmen zu sein“

MARTENS & PRAHL feiert 125-jähriges Firmenjubiläum. Die Holding aus Lübeck gehört zu den ersten, die mit einem Beteiligungsmodell Maklerbetriebe unter einem Dach versammelten, und reagiert entspannt auf die aktuellen Konsolidierungsentwicklungen. Über 90 Betriebe gehören heute zum Unternehmen.

Interview mit Alexandra Jung, Partnerin, und Holger Mardfeldt, Partner der MARTENS & PRAHL Versicherungskontor GmbH & Co. KG (Holding)
Herr Mardfeldt, wie geht es MARTENS & PRAHL im Jubiläumsjahr?

Holger Mardfeldt Bestens, danke der Nachfrage. Die Stimmung ist gut, die Gruppe wächst sowohl organisch als auch anorganisch. Und bezüglich unseres 125-jährigen Firmenjubiläums ist langsam eine positive Aufgeregtheit zu spüren.

Gelten die Ideen der Gründer heute noch für ihr Haus?

Alexandra Jung Welche Ideen die Gründer im Jahre 1898 hatten, welche Pläne sie verfolgten, ist tatsächlich leider nicht überliefert. Sie waren aber erfolgreiche hanseatische Kaufleute. Ich glaube, dass wir mit unseren heutigen Werten – Vertrauen, Verlässlichkeit, Selbstverantwortung und Freude bei der Arbeit – gar nicht weit auseinanderliegen. Die positive Neugier für neue Entwicklungen ist bis heute vorhanden.

MARTENS & PRAHL gilt als Vorreiter, Maklerunternehmen unter einem Dach zu versammeln. Wann und wie hat diese Entwicklung begonnen?

HM Anfang der 1980er-Jahre war der Lübecker Markt „gesättigt“. MARTENS & PRAHL hatte ca. 15 Mitarbeiter in Lübeck und kleinere Büros in Kiel und Hamburg. Es ergaben sich im Umland Lübecks diverse Möglichkeiten, mit kleineren Maklerfirmen zu kooperieren und über eine Beteiligung näher zusammenzurücken. Gleichzeitig suchten diese Unternehmen altersbedingt Nachfolger. Unser damaliger Seniorpartner fragte drei junge Wilde – einer davon war ich –, was wir uns für die Zukunft wünschen würden, was uns motiviert. Die Antwort war schnell gefunden: Wir wollten Unternehmer sein, selbst Anteile an den von uns gemanagten Unternehmen halten, diese entwickeln – und so am Erfolg teilhaben. Damals entstand die Idee, die M&P-­Geschäftsführer zu geschäftsführenden Gesellschaftern (GGF) zu machen.

1989/90 kam die Wiedervereinigung – für Lübeck als Grenzstadt eine ganz besondere Erfahrung. Schnell ergaben sich Kontakte, wir gründeten ca. 15 Firmen in den neuen Bundesländern, lernten tolle Menschen kennen. Mit ihnen entwickelten wir die Unternehmen und hatten nach einigen Jahren den anfänglichen Verlustvortrag gemeinsam abgebaut. Wir sind stolz, dass alle damals gegründeten Firmen auch heute noch an Bord sind, wir die Nachfolgen gelöst und die Unternehmen profitabel gemeinsam weiterentwickelt haben. 2005 expandierten wir dann nach Süddeutschland, vor einigen Jahren kamen die Schweiz, Spanien und zuletzt Österreich hinzu.

Können Sie uns noch etwas zur Struktur der MARTENS & PRAHL-Gruppe sagen?

HM Das erwähnte GGF-Modell praktizieren wir auch heute noch, haben damit beste Erfahrungen gemacht, was insbesondere Motivation, Teilhabe am Erfolg und Kontinuität anbelangt. Unsere Gesellschafter-Geschäftsführer sind freie Unternehmer, die aber alle eines gemeinsam haben: den Mitgesellschafter M&P Holding aus Lübeck.

Und in Lübeck haben wir lange überlegt, welches der richtige Weg ist: eine kleine, sehr abgespeckte Beteiligungsholding zu haben – oder aber eine Firma, die den operativ tätigen Maklern das Leben leichter macht, ihnen Arbeit abnimmt, damit mehr Zeit vor Ort für die Kundenbetreuung bleibt. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden. Heute sind in Lübeck über 60 Kolleginnen und Kollegen für unsere über 90 M&P-­Maklerfirmen tätig, bieten Support in den Bereichen Konzepte, Vertrieb, HR-Akademie und Recruiting, IT, Buchhaltung und Social Media an. Wir unterstützen zudem in den Bereichen Versicherermanagement, Vertragsmanagement sowie Rechtsfragen.

AJ Jeder M&P-GGF ist in seiner Entscheidung völlig frei, ob er diese Dienste in Anspruch nimmt oder nicht. Wir ordnen nicht an, sondern versuchen durch Leistung zu überzeugen. In Lübeck müssen wir alle Top-Dienstleistungen für die M&P-Makler erbringen, sie werden nicht automatisch „Kunde“ bei uns. Im Ergebnis liegt der Nutzungsgrad bei über 90% und steigt weiter. Ein Erfolgsgeheimnis ist, dass wir alle Dienstleistungen zu Selbstkosten anbieten – ohne Gewinnmarge. Geht es den operativen Maklerfirmen gut, geht es uns in Lübeck gut, wir haben das gleiche Interesse. Wir haben keine anderen Einnahmequellen als die Gewinnausschüttungen auf unseren Anteil an den operativen Maklerfirmen.

Es gibt auch weitere Neuzugänge. Wie intensiv sind Ihre Bemühungen, weitere Maklerunternehmen für sich zu gewinnen?

HM Wie bereits erwähnt wachsen wir organisch und auch anorganisch. Pro Jahr wächst die Gruppe inzwischen um zwei bis fünf Maklerunternehmen. Teils sind das persönliche Kontakte, teils Empfehlungen. Und da unsere M&P-Kollegen von der Gruppe und ihrem Spirit überzeugt sind, sprechen auch sie sicherlich befreundete Makler an.

Wichtig ist, dass die Menschen zu uns passen, die gleichen Werte vertreten. Jemand kann wirtschaftlich noch so erfolgreich sein – wenn er nicht zur Gruppe passt, werden wir uns nicht engagieren. Unser Wachstum haben wir viele Jahre hanseatisch zurückhaltend kommuniziert. Wir handhaben das anders als viele Konsolidierer, die jeden Aufkauf in allen Medien feiern, ja feiern müssen, da die sie finanzierenden Private-Equity-Fonds hohe Wachstumsraten fordern. Da ist es doch schön und beruhigend, ein inhabergeführtes Familienunternehmen zu sein.

Wenn Sie das Engagement von Private-Equity-Investoren gerade schon erwähnen: Wie beobachten Sie diese Entwicklung?

HM Wir sind erstaunt, wie viele Unternehmer bereit sind, ihr Lebenswerk zu verkaufen und gegen „bedruckte Baumwolle“ einzutauschen. In den letzten Tagen konnte man lesen, dass die ersten Maklerkonsolidierer ihre Mehrheit an Finanzinvestoren abgegeben haben. Wir schätzen, dass wir in Kürze weitere Meldungen dieser Art hören werden.

Auch wir erhalten fast wöchentlich Anfragen von Investoren, was uns ehrt – aber deren Botschaft uns nicht erreicht. Wir denken in Generationen. Zum einen haben wir uns vor einigen Jahren eine Satzung gegeben, nach der unsere Lübecker MARTENS & PRAHL Versicherungskontor GmbH & Co. KG (Holding) – sie hält alle Beteiligungen – nicht veräußert werden kann. Zum anderen bringen wir in den operativen Maklerunternehmen sehr rechtzeitig gemeinsam die anstehenden Nachfolgen auf den Weg.

AJ Wie erwähnt haben wir uns bei M&P für ein Geschäftsmodell entschieden, bei dem der Unternehmer im Maklerunternehmen die Entscheidungsfreiheit behält und gleichzeitig die Vorteile einer großen Gruppe nutzen kann. Durch unsere Beteiligung und die Interessengleichheit ist die Beziehung enger und vertrauensvoller als bei einer bloßen Kooperation.

Kurz haben wir bereits über die Gründeridee gesprochen und die Unterschiede zu den neueren Investor-Modellen. Wir wollen noch einmal nach­fragen: Wie lautet Ihre Philosophie denn genau?

HM Partnerschaftliches Miteinander bestimmt unser Tun und der Mensch steht im Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns. Geschäfte möchten wir immer zum beiderseitigen Vorteil miteinander machen. Jemand kann noch so erfolgreich sein, wenn es menschlich nicht passt, kommen wir nicht zusammen. Teilt man unsere Grundtugenden, werden wir gemeinsam viel Spaß und Erfolg haben. Und wir haben erkannt, dass wir nur von unseren Kunden leben – von nichts anderem. Deswegen steht Service bei uns an oberster Stelle.

Wir sind stolz darauf, mehrere Jahre hintereinander zum besten Mittelstandsdienstleister unter den Versicherungsmaklern gewählt worden zu sein. Der Handschlag zählt – ich selbst habe über 15 Jahre ohne Arbeitsvertrag bei M&P gearbeitet, dann kam eine Betriebsprüfung, die den schriftlichen Arbeitsvertrag sehen wollte – und wir haben dann das Gelebte niederschreiben müssen. Fairness leben wir auch gegenüber unseren Geschäftspartnern auf der Versichererseite. Im Versicherungsgeschäft sieht man sich mindestens dreimal.

Aufgrund Ihrer Aufstellung können Sie in Gewerbe und Industrie viele Branchen betreuen. Gibt es dennoch eine Art Schwerpunkt?

AJ Über 80% unseres betreuten Prämienvolumens in Höhe von ca. 800 Mio. Euro stammen in der Tat aus dem Industrie- und Gewerbegeschäft. Der Mittelstand weiß gute Arbeit zu schätzen, er ist unsere Zielgruppe. Den Rest teilen sich unsere Spezialisten wie zum Beispiel aus den Bereichen Schifffahrt, erneuerbare Energien, Wohnungswirtschaft, Landwirtschaft, Systemgastronomie, Kreditwirtschaft.

Gibt es bestimmte Branchen, die aus Ihrer Sicht künftig stärker in den Fokus rücken?

AJ Regenerative Energien, Gesundheit und IT werden aufgrund der momentanen Entwicklungen sicherlich zulegen. Dazu die Wohnungswirtschaft und Lebensmittelindustrie – wohnen und essen muss der Mensch immer.

In der Holding kümmern Sie sich um verschiedene Belange, die Maklerunternehmen betreffen, wie schon geschildert. Ein Thema ist die Digitalisierung, insbesondere die Maklerkommunikation mit den VR. Sehen Sie Fortschritte?

HM Diese Entwicklung verläuft mir viel zu langsam, das hatte ich früher anders eingeschätzt. Es gibt immer noch viel zu viele Doppelarbeiten, keine durchgängige Normierung. Zum Glück gibt es die BiPRO – ein e. V. Hier kommen die Mitglieder – alles Marktteilnehmer – zusammen. Aber die Geschwindigkeit ist „steigerungsfähig“. Vielleicht ist der Druck noch nicht groß genug, geht es unserer Branche noch zu gut. Aber es gibt Licht am Horizont: BiPRO Hub, das Projekt „Optimierung Abrechnungsverkehr“ oder das gerade gestartete Projekt „Digitale Spielregeln“ seien hier nur beispielhaft erwähnt. Wer hier nicht aufpasst, wird abgehängt, ich kann nur zum Mitmachen appellieren.

Nachhaltigkeit, Regulierung und Frauenförderung sind weitere Stichworte unserer Zeit. Was bereitet Ihnen Kopfzerbrechen, wo sind Sie guten Mutes?

AJ Nachhaltigkeit wird sich in den Köpfen immer stärker verankern, was auch notwendig ist. Frauen sind bei uns seit jeher stark vertreten, auch in leitenden Funktionen. Wir können uns nicht leisten, in der heutigen Arbeitswelt auf 50% der Bevölkerung zu verzichten. Regulierung ist oft dogmatisch, das Courtagemodell ist gerade für die Beratung von sozial Schwachen wichtig. Großbritannien dient hier als warnendes Beispiel, wie es nicht laufen sollte.

Welche großen Veränderungen mit Auswirkungen auf Versicherer und Maklerunternehmen werden dann die nächsten Jahre prägen?

AJ Demografie und Technologie wie KI. Wir alle werden weiterhin fachlich gutes Personal benötigen – gegen diesen Bedarf läuft die demografische Kurve. Da können digitale Prozesse und KI teilweise die Lösung sein.

Wenn Sie ein Bild von MARTENS & PRAHL malen sollten, wie sähe das Motiv aus?

HM Eine strahlende Sonne mit blauem Himmel!

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2023, S. 80 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Alexandra Jung und Holger Mardfeldt, MARTENS & PRAHL

 
Ein Interview mit
Alexandra Jung
Holger Mardfeldt