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8. April 2022
„Die Kreditversicherung braucht einen funktionierenden Handel“
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„Die Kreditversicherung braucht einen funktionierenden Handel“

Die Kreditversicherung ist im Umbruch und hängt immer mehr auch von politischen Maßnahmen, z. B. Wirtschaftssanktionen, ab. Das hat Folgen für die Maklerunternehmen in dem Bereich. Ihnen wird zudem immer mehr abverlangt, etwa was Administration, Risikobewertung und Vertragsverhandlungen anbelangt.

Ein Interview mit Cengiz Horn, Präsident des BARDO – Internationaler Verband der Kreditversicherungsmakler e. V.
Herr Horn, im Jahr 2022 sind steigende Insolvenz­zahlen zu erwarten. Befürchten Sie diesbezüglich Probleme für die Kreditversicherung?

Ich befürchte keine Probleme oder zumindest nicht mehr Probleme als sonst. Die Kreditversicherer sind heute sogar besser aufgestellt als je zuvor. Im Zuge der Pandemie und unter Schutz des Staates konnte man die Systeme auf Vordermann bringen und die Informationslage scharf stellen. Ich denke, die Versicherer sind auf die nächste mögliche Krise besser vorbereitet, weil sie auch entsprechende Instrumente zum Reagieren haben. Natürlich, sollten Dinge völlig außer Kontrolle geraten, kann es zu Problemen kommen. Aber das sehe ich nicht.

Was hat sich denn konkret in der Pandemie geändert?

Die Versicherer haben in der Pandemiezeit ihren Informationsstand erneuert. Sie haben die vorhandenen Daten zur Bewertung von Risiken auf Vordermann gebracht und können nun mit feineren Instrumenten auf Risikosteigerungen reagieren. Die Risiken sind besser klassifiziert, sodass aus meiner Sicht, die Versicherer gut aufgestellt sind.

Zur Situation hat auch der gemeinsame Schutzschirm von Bund und Versicherern beigetragen. Wie gut fanden Sie die Maßnahme?

Ich habe diese Maßnahme immer für gut befunden. Im Nachhinein war sie noch besser als erwartet. Zu Pandemiebeginn waren die Prognosen für die Wirtschaft sehr negativ und die Versicherer waren froh, dass der Schirm kam. Nun war der Schutzschirm letztlich auch ein Geschäft für den Staat, weil die Versicherer 65% ihrer Einnahmen abgegeben haben und die Schadenquoten nahezu null waren. Das hat auch mit der Gesetzgebung und dem Aussetzen der Insolvenzantragspflicht zu tun. Aber auch der psychologische Effekt hat dazu beigetragen, dass in der Wirtschaft wenig passiert ist.

Natürlich hat sich mancher Versicherer gefragt: „War das jetzt eine gute Investition, dem Staat so viel Geld zu geben? Das hätte ich selbst verdienen können.“ Der Wunsch nach dem Schutzschirm kam von den Versicherern, der Wunsch ihn zu beenden, ebenso.

Trotzdem: Der Staat war in der Phase sehr notwendig. Er hat viel Unsicherheit aus der Wirtschaft genommen. Und ich denke, ähnliche Konstrukte kann man auch in Zukunft in Betracht ziehen.

Wurden dann in der Zeit auch mehr Verträge gezeichnet?

Es ist sicherlich nicht mehr gezeichnet worden. Es ist aber auch kaum was nach unten gezeichnet worden. Wir als BARDO – die bei uns zusammengeschlossenen Maklergesellschaften repräsentieren einen Großteil des Marktes – haben aber auch darauf geachtet und wir standen im stetigen Kontakt mit dem Bundeswirtschafts­ministerium. Das ist gut gelaufen. Dafür hat unser Vorstand und insbesondere unser Vorsitzender Albrecht Vater eine Menge Energie investiert.

Wie sieht es dann mit anderen Vertragsänderungen aus?

Natürlich ist so ein Ereignis ein guter Anlass für die Versicherer, Prämien zu erhöhen. Die Prämien waren in den vergangenen 10 bis 15 Jahren ständig am Sinken, während das Risikovolumen immer höher ging. Da hat insbesondere der Marktführer versucht, mit Risikoklassifizierung auch eine Preiserhöhung durchzusetzen. Es wurden Risiken gekürzt und dann später gesagt: „Gegen erhöhte Prämienaufkommen könnt ihr die Limits wiederhaben.“ Das wurde dem Versicherer sehr übel genommen.

Mittlerweile hat sich das einigermaßen beruhigt. Prämienerhöhungen sind sicherlich auch notwendig, um ein bisschen Reserven zu haben. Nur in Zeiten, in denen die Industrie auch in eine missliche Auftragslage rutschen könnte, kommt das nicht gut an.

Die Pandemie ist noch nicht vorbei, andere Krisen ziehen auf. Was kommt als Nächstes?

Konkrete Szenarien sind schwer vorherzusagen. Interessant ist aber, dass die Versicherer immer sehr, sehr negative Ausblicke gegeben und sehr hohe Risikoszenarien aufgezeigt haben, die so nicht eintrafen. Das heißt, die Einschätzung war viel schlimmer, als die Realität das dann gezeigt hat. Von solchen Szenarien wollen die Kunden dann auch nichts mehr hören.

Aber natürlich haben wir geopolitische Spannungen und wir haben steigende Rohstoffpreise, Ölpreise, Energiepreise. Die Inflation zieht an. Die Geldpolitik wird darauf wahrscheinlich mit höheren Zinsen reagieren. Das sind Zutaten, mit denen verschiedene Ökonomien durch­einandergeraten können. Wie wird sich die USA entwickeln? Wohin laufen der weltweite Handel und die Zusammenarbeit zwischen China, Europa und USA? Und wenn dann weitere Spannungen und kriegerische Handlungen dazukommen, dann können ernsthafte Probleme entstehen.

Was mir persönlich Sorge macht: Wir gewöhnen uns daran, dass die Wirtschaft zum Spielball der Politik wird. Das wird keinem nützen und vielen schaden. Und man sollte Politik auf der politischen Ebene betreiben und Wirtschaft und Handel auf der anderen Ebene. Wie soll denn eine gedeihliche Weltwirtschaft funktionieren, wenn es immer wieder zu Sanktionen und zu Stopps kommt? Die Kreditversicherung lebt davon, dass die Wirtschaften für sich vernünftig funktionieren, miteinander kooperieren und miteinander Handel treiben. Wenn das nicht gegeben ist, braucht man die Kreditversicherung immer weniger.

Von den Lieferketten hört man nichts Gutes.

Das eine bedingt das andere. Ein simples Beispiel: Wenn ein Produkt zu Teilen in Deutschland, zu Teilen in China, zu Teilen in den USA hergestellt wird und an irgendeiner Stelle die Zusammenarbeit verboten wird, ist doch klar, dass die Lieferketten an der Stelle unterbrochen werden.

Welche Rolle spielt dabei die Cyberkriminalität?

Ich sehe die Cyberkriminalität im Sinne von Wirtschaftskriminalität zweigeteilt: Generell führt die zunehmende Digitalisierung zur Zunahme der Risiken sowie der Schäden für alle Unternehmen. Es gibt Schäden, die durch Vertrauenspersonen des Unternehmens, also aus dem Inneren des Unternehmens verursacht werden, wie zum Beispiel Betrug, Untreue, Diebstahl oder auch Computermissbrauch. Diese Schäden bilden nach wie vor einen Großteil der Schäden, sind aber meist nicht existenzgefährdend.

Die klassischen Cyberrisiken sind die Angriffe auf die EDV-Systeme – von innen oder außen – sowie Datenmissbrauch. Die Zahl dieser Schäden ist nach wie vor überschaubar, nimmt aber rasant zu. Diese Risiken sind nicht einfach zu quantifizieren und der Deckungsumfang ist sehr begrenzt.

Es gibt daneben Risiken wie Geldwäsche, Kartellabsprachen etc., die gar nicht versicherbar sind. Es ist die Aufgabe des Topmanagements diese Risiken adäquat zu managen.

Es gibt also keine Lösung für Cyberschäden?

Zumindest nicht der Art, dass dies bezahlbar ist oder man bei Schäden einfach mit Prämienerhöhungen kommen könnte. Von solchen Normalitäten ist diese Sparte weit entfernt.

Sie haben kurz die Vertrauensschadenversicherung angesprochen. Wie sieht es denn hier aus?

Das Thema Vertrauensschaden gibt es lange. Da gibt es ausreichend Erfahrung und Rückdeckungssysteme. Die Schäden sind zudem viel niedriger, als wenn ein Konzern angegriffen wird und die Produktion lahm­gelegt wird. Dennoch ist die große Mehrzahl der Schäden im Bereich der klassischen Vertauensschäden.

Über die Situation der Versicherer haben wir gesprochen. Wie sieht es denn bei den Maklern aus?

Die Geschäftserwartung der Makler ist in diesem Markt von Gesamtentwicklungen abhängig. Das heißt, wenn der Markt für die Versicherungen gut ist und der Versicherer wie Versicherte bereit sind, ihre Aufgaben auf hohem Level zu erfüllen, dann ist der Makler natürlich mit einem bestimmten Prozentsatz immer dabei. Also, dieser Ablauf gilt immer: Wie viel Handel wird getrieben, wie viel Kredit wird vergeben und wie viel O davon ist deckbar? Und wie viele Leute sind bereit, für diese Risiken Geld auszugeben? Der Makler steckt in dieser Kette drin.

Was wir aber feststellen können, ist, dass der Kreditversicherungsmarkt im Umbruch ist – organisatorisch und aufgrund der Risikoumstände. Das Geschäft ist für Makler kein Selbstläufer. Es ist hohe Qualität gefragt. Bis Risiken untergebracht sind – zu vernünftigen Konditionen und Spielregeln –, das ist heute wesentlich aufwendiger. Die Haftungsfragen sind anders. Der Makler hat es heute schon deutlich schwerer als vor 10 oder 20 Jahren.

Ich war jetzt über 30 Jahre in dem Bereich tätig. Ich hatte immer meine Netzwerke, man kannte die Leute von der Kreditabteilung der Versicherer und man konnte auch relativ zügig und vertrauensvoll zu Ergebnissen kommen. Heute läuft viel maschinell. Andererseits werden Verträge von vier oder fünf Personen in Gremien abgenickt. In den 80er- und 90er-Jahren gab es zudem vielleicht ein Bedingungswerk von zehn oder zwölf Seiten. Heute geht nichts mehr unter 80 Seiten. Und glauben Sie mir, die zusätzlichen 60 Seiten sind nicht immer zum Vorteil des Versicherten.

Liegt das an der Regulierung?

Das ist eine Mischung. Der Versicherer möchte alle möglichen Lücken schließen. Und dann gibt es natürlich auch politische Vorgaben. Ein Beispiel: So eine Sanktionsklausel hat uns jetzt auch als Verband länger beschäftigt. Wenn zum Beispiel die USA eine Sanktion verhängen gegen eine Person, ein Unternehmen in Russland, wird jedes Unternehmen, das diese Sanktion unterläuft, bestraft. Niemand will in so einen Sanktionsstrudel hineingeraten. Oder was ist, wenn ein Versicherer sagt: Alles, was sanktioniert ist, selbst wenn dies erst nachträglich festgestellt wird, ist von Anfang an nicht gedeckt. Und da kann auch der Makler in die Haftung kommen, wenn der Kunde plötzlich keine Deckung hat.

Die Anforderungen an die Maklerunternehmen steigen. Spürt man auch bei den Kreditversicherungsmaklern eine Konsolidierung?

Wir sehen zurzeit, dass im Markt Bewegung ist. Die Umstände führen zu immer mehr Verdichtung, denn mehr Arbeit und größere Anforderungen können nicht mit der gleichen Anzahl an Personal erfüllt werden. Dazu noch die Digitalisierung. Ein gewisser Abbau ist da am Markt vorprogrammiert.

Können Sie uns noch kurz ein paar Informationen zu BARDO geben?

Wir zählen aktuell 24 Mitgliedsunternehmen. Der Verband wurde vor acht Jahren gegründet. Wir sind mittelständisch geprägt, die Großmakler sind nicht dabei. Das hat auch einen Hintergrund. Unser Verband hält das Prinzip der Courtage hoch und wir lehnen Honorareinkommen ab. Trotzdem vertreten wir mit unseren Mitgliedern nach eigener Schätzung schon über 40% des deutschen Marktes. Insgesamt ist der Markt überschaubar, was die Zahl der Versicherer und Makler­unternehmen angeht.

Wir verstehen uns als diejenigen, die die Qualität der Kreditversicherung hochhalten und die einen Beitrag leisten, dass Kreditversicherung immer ein Qualitätsprodukt sein wird, das die Wirtschaft unterstützt – und nicht reguliert. Wir verstehen uns als Problemlöser. Und um die Probleme zu lösen, benötigen wir gute Kreditversicherer. Im Idealfall sind wir sozusagen die positiven Mittler.

Über BARDO

BARDO – der Internationale Verband der Kreditversicherungsmakler wurde im Juli 2013 in Hamburg gegründet. Aktuell sind 24 Kreditversicherungsmakler im BARDO organisiert. Der Verband versteht sich als Interessenvertretung gegenüber Versicherern, Unternehmen und der Politik. Als Fachverband steht er in- und ausländischen Unternehmen offen. In der Satzung ist die Courtage als Vergütungsform festgehalten. Zur Sparte der Kreditversicherung gehören auch der Bereich Kaution und die Vertrauensschadenver­sicherung sowie im weiteren Sinne Factoring.

Präsident des BARDO e. V. ist Cengiz Horn. In dieser Funktion repräsentiert er seit 2019 die Politik und die Interessen des Vereins und seiner Mitglieder. Ab 2003 war Horn geschäftsführender Gesellschafter der GGW Kreditver­sicherungs-Makler GmbH. Ende 2021 verabschiedete er sich aus Altersgründen aus der Geschäftsführung.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2022, S. 32 ff., und in unserem ePaper.

Bild: © Funtap – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Cengiz Horn