Interview mit Frederik Wulff, Vorstandsvorsitzender der Markel Insurance SE
Herr Wulff, wie sieht die Zukunft der Versicherer in der digitalen Welt aus? Und gibt es eine einfache Antwort auf diese Frage?
Wow, das ist gleich eine starke Frage zum Einstieg. Kundenbedürfnisse ändern sich. Gleichzeitig entwickeln sich die technischen Möglichkeiten mit einer großen Geschwindigkeit weiter. In dieser Umgebung muss sich auch die Versicherungswirtschaft weiterentwickeln. Die Versicherer, die sich dieser Herausforderung proaktiv stellen, werden als Gewinner aus dem Veränderungsprozess hervorgehen. Wie bei jedem Prozess braucht es für den Erfolg ein starkes Team, das Veränderungen positiv begleitet, eine Kultur, die Innovation fördert und fordert, und eine generelle Bereitschaft zur Weiterentwicklung und zu lebenslangem Lernen. Wenn man als Versicherer diese Kernelemente umsetzt, hat man aus meiner Sicht eine extrem spannende Zukunft vor sich.
Die Begriffe Ökosysteme, Blockchain und KI hallen durch die Flure der Versicherer. Aber liegen die eigentlichen Probleme heute nicht noch bei der Bereinigung von Alt- und Bestandssystemen?
Ich bin froh über diese diversen Schlagworte auf den Fluren unserer Branche. Ohne Einbezug der verschiedenen Trends wird es für Versicherer sehr schwierig, ein Bild für die eigene Zukunft zu entwickeln. Je breiter die Grundlage, desto detaillierter und abgerundeter wird das Eigenbild. Diese Trends reflektieren nur die aktuellsten Entwicklungen auf der Technik- und Kundenseite und bringen interessante Ansätze, mit denen man sich wenigstens intellektuell befasst haben muss, um die richtigen Antworten in Bezug auf die eigene Systemlandschaft zu finden.
Nun hat die Pandemie in der Digitalisierung einiges angestoßen. Wird das ein dauerhafter Prozess?
Covid-19 war und ist eine sehr unangenehme Erfahrung für uns alle. Gleichzeitig ist die Pandemie aber auch ein positiver Katalysator in einigen Bereichen. Die Flexibilisierung der Arbeitswelt zum Beispiel ist eine Entwicklung, die lange sehr schleppend voranging und nun schnell Fahrt aufgenommen hat. Gleiches gilt für den Breiteneinsatz von Videokonferenzen oder die Akzeptanz von digital unterzeichneten Dokumenten. Diese Errungenschaften werden uns dauerhaft erhalten bleiben. Gleichzeitig würde es mich freuen, wenn wir das positive Beispiel der Entwicklungs- und Adaptionsgeschwindigkeit in der Pandemie als Vorbild für weitere Digitalisierungsschritte nehmen würden.
Wir kennen Ihre Begeisterung für Technik und Digitales. Wie viel lässt sich von Ihren Ideen konkret in der Praxis umsetzen?
Ich liebe ein Zitat von Steve Jobs in diesem Zusammenhang: „Stay hungry, stay foolish!“ Aus meiner Sicht ist das ein wunderbarer Ansatz. Hungrig bleiben, neue Dinge zu machen, und dabei Raum für echte Innovation schaffen. Diesen Ansatz verfolgen wir auch in Bezug auf Technik und Digitales bei uns, und das kommt auch mir sehr entgegen, weil wir bei Markel Ideen schnell umsetzen. In jedem Fall lernen wir immer etwas Neues und schaffen zum Teil wirklich tolle neue Lösungen.
Wagen Sie auch mal den Schritt: „Wir verändern radikal“ oder „Wir beginnen von vorne“?
Wir verfolgen eigentlich immer die Idee, Dinge nicht nur ein bisschen zu verbessern, sondern die Nutzer mit neuen Lösungen zu begeistern. Das erfordert allerdings eine offene Denkweise – im Sinne von radikaler Veränderung oder einem neuen Ansatz. Wir haben einige Beispiele auf der Technik- oder Produktseite, wo wir sicherlich einen für unsere Branche ungewohnten Weg gegangen sind. Das macht uns aus und das wollen wir uns auch in jedem Fall bewahren, weil es auch Teil unserer Innovationskultur ist.
In Richtung Vertriebspartner haben sich Ihre Bestrebungen in einem noch jungen Markel Maklerportal niedergeschlagen. Wie ist der aktuelle Stand, welche weiteren Pläne gibt es dafür?
MarkelNow ist ein gutes Beispiel für eine Neuerung, bei der wir bemüht sind, nicht nur etwas gut zu machen, sondern unsere Makler zu begeistern. In MarkelNow kann der Makler zu all unseren Produkten jederzeit ein Angebot oder gleich eine fertige Police erstellen. Nicht nur die Breite ist einzigartig für einen Spezialversicherer in Deutschland, sondern auch die einfache und intuitive Bedienung ist besonders. Wir entwickeln unsere Plattform mit großer Geschwindigkeit weiter. Demnächst werden wir neben dem jetzt schon möglichen Upselling und dem Jahresmeldeprozess Änderungen über MarkelNow ermöglichen. Den Königsschritt der Vernetzung mit den verschiedenen Maklerverwaltungsprogrammen sind wir ebenfalls bereits angegangen. Es wird also noch einiges kommen, MarkelNow macht aber schon heute eine Menge Spaß.
Für Maklerbetriebe stellt sich die Frage, wie sie mit einer Vielzahl von Versicherer-Portalen zurechtkommen. Sehen Sie da Fortschritte?
Aktuell entwickelt unsere Branche Frontend-Lösungen, die einen guten Prozess ermöglichen, wenn der Makler bereit ist, Daten strukturiert zu erfassen. Unserer Meinung nach kann das nur ein erster Schritt in eine richtige Richtung sein. In einer weiteren Entwicklungsstufe muss der Versicherer dem Makler einen optimalen Prozess anbieten. Unabhängig davon, ob der Makler eine E-Mail mit einem Antrag an den Versicherer schickt, über das Maklerportal des Versicherers einen Vorgang erledigt oder in seinem MVP einen Prozess im System des Versicherers anstößt, darf perspektivisch keinen Unterschied machen. Der Versicherer muss all diese Varianten mit gleicher Qualität und Geschwindigkeit anbieten. Insofern sehe ich Fortschritte, aber noch eine Strecke zur echten Begeisterung!
Markel ist ein Spezialversicherer in der gewerblichen Haftpflichtversicherung. Das Thema gewinnt an Bedeutung. Profitiert Markel davon?
Die Bedeutung von Haftpflichtrisiken nimmt auch unserer Wahrnehmung nach zu. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Mit unserer klaren Fokussierung auf gewerbliche Haftpflichtrisiken profitieren wir als Spezialversicherer von dieser Entwicklung. Das macht uns aber nicht träge in unserem Anspruch, immer besser zu werden und noch bessere Lösungen anbieten zu können.
Können Sie sich auch Erweiterungen in andere Bereiche vorstellen?
Wir sind und bleiben Spezialversicherer. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht auch andere Bereiche vorstellen können. Naheliegend ist für uns die Betriebshaftpflichtversicherung, wo wir unser Angebot deutlich ausweiten wollen. Drei große Themen treiben uns aktuell besonders an. Zum einen wollen wir die persönliche Betreuung unserer Maklerpartner in der Fläche deutlich verbessern und als qualifizierter Gesprächspartner auf Augenhöhe mit unseren Maklerpartnern neue vertriebliche Ansätze entwickeln und umsetzen. Die Weiterentwicklung von MarkelNow zur Verbesserung der digitalen Zusammenarbeit mit dem Makler ist ein weiteres wichtiges Thema. Schlussendlich möchten wir unseren erfolgreichen Ansatz aus der Berufs- und Vermögensschadenhaftpflicht auch anwenden, um marktführende Produkte in der Betriebshaftpflicht für ausgewählte Zielgruppen zu entwickeln. Sie sehen: Wir haben bei Markel weiterhin viel vor.
Das Interview begann mit der Frage, wie die Zukunft der Versicherer in der digitalen Welt aussieht. Enden wollen wir mit der Frage: Wie sieht konkret die Zukunft von Markel in Deutschland aus?
In einem Wort: sonnig! Spaß beiseite, wir haben ein sensationelles Team mit vielen super Ideen und einer starken Innovationskultur, eine tolle Zusammenarbeit mit vielen Maklern in Deutschland und einen Markt, der uns viele Möglichkeiten bietet. Was kann man sich mehr wünschen?
Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2021 und in unserem ePaper.
Bild: © Markel
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