Interview mit Christian Höfel, CEO der OVB Vermögensberatung AG
Herr Höfel, die OVB Vermögensberatung AG (OVB) feiert in diesem Jahr ihr 55-jähriges Betriebsjubiläum. Welche Meilensteine prägten die Entwicklung des Unternehmens?
In den letzten 55 Jahren hat sich OVB von einem Unternehmen, das 1970 infolge der Änderungen zum Dritten Vermögensbildungsgesetz mit Bausparverträgen begann, zu einem europaweit tätigen Allfinanzdienstleister entwickelt. Anfangs lag der Fokus in Deutschland auf der Vermittlung von Bausparverträgen, doch das Produktportfolio wurde im Laufe der Zeit stetig erweitert. Heute bietet OVB ein breites Spektrum an Finanzdienstleistungen an, darunter Versicherungen, Finanzierungen und Geldanlagen. Unser Schwerpunkt liegt dabei auf der individuellen Beratung von Privatkunden sowie kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Was zeichnet das Geschäftsmodell aus, das dieses Wachstum ermöglicht hat?
Unsere Beratung steht im Mittelpunkt − nicht der Produktverkauf. Als Mehrfachagenten arbeiten wir mit ausgewählten Produktpartnern zusammen und setzen auf einen strukturierten Beratungsansatz: Analyse, Beratung und Service. Dieses Modell bewährt sich sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Märkten, da es flexibel auf unterschiedliche regulatorische Rahmenbedingungen und Kundenbedürfnisse eingeht.
Welche Veränderungen beobachten Sie gegenwärtig bei den Bedürfnissen und Erwartungen der Kunden?
Kunden sind heute informierter und anspruchsvoller denn je. Ein Standardprodukt reicht längst nicht mehr aus – gefragt sind maßgeschneiderte, flexible Lösungen, die sich an die individuelle Lebenssituation anpassen. Während früher eine klassische Lebensversicherung oft viele Zwecke abdeckte, erwarten Kunden heute durchdachte Konzepte, die Vorsorge, Absicherung und Vermögensaufbau intelligent verbinden.
Gleichzeitig gewinnt Transparenz immer mehr an Bedeutung. Der einfache Zugang zu Vergleichsportalen, Apps und digitalen Informationen verändert die Erwartungen: Beratung muss auf Augenhöhe stattfinden. Gefordert sind echte Expertise und individuelle Lösungen – keine Einheitskonzepte.
Deutschland bleibt trotz der europäischen Ausrichtung der Kernmarkt. Worin liegt die besondere Bedeutung?
Deutschland ist für uns nach wie vor ein sehr wichtiger Markt – in Bezug auf Volumen, Bedeutung für unsere Produktpartner und auch strategisch. Hier hat alles vor 55 Jahren angefangen und unsere Aufgabe und Verantwortung ist, das Unternehmen für die nächsten 55 Jahre aufzustellen und vorzubereiten.
In 55 Jahren erwirbt ein Unternehmen jede Menge Erfahrung und Marktkenntnis. Was sind die Learnings bei OVB?
Mut und die Bereitschaft, Neues auszuprobieren, zeichnen uns aus. Veränderungsbereitschaft ist daher ein zentraler Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Wir lernen kontinuierlich – auf Basis von Marktbeobachtung und Kundenfeedback.
Dieser Ansatz prägt unsere Beratungsstrategien, Produkte, Prozesse und den Umgang mit neuen Anforderungen. In einer europaweiten Struktur ist es entscheidend, flexibel auf unterschiedliche regulatorische und kulturelle Rahmenbedingungen zu reagieren.
Wie wirkt sich das konkret auf die Digitalisierung aus?
Digitalisierung ist für uns kein Selbstzweck. Wir investieren gezielt in technische Lösungen, um Beratung ortsunabhängig, rechtssicher und effizient zu gestalten. Digitale Unterschriften, automatisierte Dokumentation oder Online-Terminvereinbarungen gehören zunehmend zum Standard. Dabei orientieren wir uns auch an Best Practices aus anderen Ländern. Wichtig bleibt: Technologie soll unterstützen – nicht ersetzen.
Technische Innovationen spielen aber nicht nur für die Beratung eine Rolle – sie sind auch ein Teil eines größeren Ziels: Nachhaltigkeit. Sie betonen Nachhaltigkeit als wichtiges Zukunftsthema. Wie setzt OVB das konkret um?
Nachhaltigkeit betrifft bei uns sowohl den internen Betrieb als auch die Beratung. Im Unternehmen reduzieren wir systematisch Strom-, Papier- und Müllverbrauch, setzen auf Jobrad, hybride und Elektro-Fahrzeuge oder wiederverwendbare Verpackungen. In der Beratung achten wir darauf, dass unsere Produktpartner klare ESG-Kriterien erfüllen. Dabei geht es nicht um Symbolpolitik, sondern um überprüfbare Standards, die wir konsequent in unseren Auswahlprozess integriert haben.
Reagieren Kunden aktuell überhaupt auf dieses Engagement oder spielt Nachhaltigkeit eher intern eine Rolle?
Nachhaltigkeit ist für viele unserer Kundinnen und Kunden ein wichtiges Thema – aber oft mit widersprüchlichen Erwartungen. Niemand muss heute auf Rendite verzichten, wenn er nachhaltig anlegen möchte. Unsere Aufgabe ist, transparent zu beraten und Produkte zu empfehlen, die beides vereinen. Entscheidend ist, dass wir als Unternehmen glaubwürdig handeln. Wir behaupten nicht, schon nachhaltig zu sein – aber wir arbeiten jeden Tag daran, es ein Stück mehr zu werden.
Eine weitere Herausforderung für die Branche sind Fachkräfteengpässe. Das Image des Finanzvermittlers ist seit Jahren im Wandel. Was macht den Beruf für Sie heute besonders attraktiv?
Der Beruf ist heute vielfältiger, flexibler und sinnstiftender als früher. Das veraltete Bild des Versicherungsvertreters mit Krawatte und Musterkoffer gehört der Vergangenheit an. Junge Menschen suchen nach Sinn, Unabhängigkeit und Gestaltungsfreiheit – und genau das bietet dieser Beruf. Arbeitsort und -zeit sind flexibel, Beratung kann digital, hybrid oder persönlich erfolgen. Wer Engagement mitbringt, kann schnell Verantwortung übernehmen und wird leistungsorientiert vergütet. Das spricht viele an – besonders im Vergleich zu klassischen Angestelltenmodellen.
Wie gelingt es der OVB, neue Talente für diesen Beruf zu gewinnen?
Wir bieten einen niedrigschwelligen Einstieg, etwa über das Tippgebermodell oder nebenberuflich. Wer sich dann entscheidet, hauptberuflich einzusteigen, erhält eine strukturierte Ausbildung mit Zertifizierungen, Mentoring und konkreten Entwicklungsperspektiven – bis hin zum eigenen Unternehmen im Unternehmen OVB. Dabei legen wir großen Wert auf Vielfalt. Es kommt nicht auf Herkunft, Alter oder Geschlecht an, sondern auf Leistung und Motivation. Immer wieder stellen wir fest, dass Menschen ohne Branchenerfahrung bei uns erfolgreich Karriere machen.
Und wie wichtig ist unternehmerisches Denken im Strukturvertrieb?
Unternehmerisches Denken ist der Schlüssel. Unsere Partner sind selbstständig tätig, aber eng in ein Netzwerk eingebunden, das ihnen fachliche, technische und strategische Unterstützung bietet. Wir fördern gezielt den Aufbau eigener Teams, bieten Coaching und gezielte Programme für Jungunternehmer. Zudem eröffnet die Möglichkeit, international tätig zu werden, zusätzliche Perspektiven und erweitert den Handlungsspielraum.
Gemeinsam gestalten wir nicht nur den Erfolg unserer Partner, sondern tragen auch aktiv zu einer nachhaltigeren Zukunft bei – mit innovativen Lösungen, die Mensch und Umwelt gleichermaßen zugutekommen.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 05/2025 und in unserem ePaper.

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