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16. August 2023
„Grundsätzlich erwarten wir weiterhin eine ‚bumpy road‘“

„Grundsätzlich erwarten wir weiterhin eine ‚bumpy road‘“

AssCompact feiert die 25 und fragt anlässlich des Jubiläums bei Branchenvertretern nach, die AssCompact schon lange begleiten oder auch erst neu für sich entdecken. Diesmal ist das Charles Neus, Head of Retirement Solutions der Schroder Investment Management (Europe) S.A., German Branch.

Herr Neus, das Startjahr von AssCompact war 1998. Seit 1998 ist auch Schroders wieder in Deutschland aktiv. Wie sieht sich Schroders seither in Deutschland aufgestellt?

Anfangs waren wir ein typisches Marketing- und Vertriebsbüro, doch gerade in den letzten Jahren hat sich hier viel getan. So haben wir mittlerweile Portfolio-Management im Hause und die starke Nachfrage nach Private-Asset-Lösungen hat zu einer Erweiterung durch zahlreiche Vertriebsexpertinnen und -experten geführt. Die Übernahme von Blue Asset Management, Greencoat Capital sowie eine Beteiligung an dem Impact Investor BlueOrchard sind Beispiele dafür, wie unser deutscher Standort gewachsen ist.

Seit wir miteinander im Gespräch sind, ging es auch immer um die risikoscheuen Deutschen. Zuletzt scheint sich das etwas geändert zu haben. Wird das von Dauer sein?

Das ist die Hoffnung. Und das wird auch mehr und mehr sichtbar: Allein die Zunahme an neuen Fondssparplänen über die Volksbanken und Sparkassen sowie die wachsende Beliebtheit der fondsgebundenen Versicherungen stimmen uns hier sehr zuversichtlich. Auch der Gesetzgeber spielt hier eine unterstützende Rolle, indem er unter anderem beim Betriebsrentenstärkungsgesetz keine harte Garantie mehr zulässt. Und Risiko­aversion lässt sich auch mit weichen Garantien sowie konservativen Investmentfonds gut kombinieren.

Sie sind Niederländer – ist es im Nachbarland deutlich anders?

In keinem Land auf der Welt verliert man gerne Geld, auch nicht bei meinen Landsleuten. Dadurch, dass wir seit den siebziger Jahren unsere betriebliche Altersvorsorge an den Kapitalmärkten investieren müssen, hat sich hier eine grundsätzlich positive Wahrnehmung zum Thema Risiko eingebürgert. Die niederländischen Pensionsfonds legen ab dem ersten Tag mittels Mischfonds an.

Anfang des Jahres sagten Sie, dass es ein volatiles Jahr werden wird. Bisher kann man dies so sagen, teilweise mit erstaunlichen Ausschlägen des DAX nach oben. Was erwarten Sie für das zweite Halbjahr?

Grundsätzlich erwarten wir weiterhin eine „bumpy road“, und solange der Ukraine-Krieg anhält, wir eine erhöhte Inflation sehen und nicht wissen, wie sich das Energiethema entwickelt, wird es unruhig bleiben. Auf der anderen Seite hatten wir auch eine extrem lange Zeit der Nullzinsphase. Zurück zu einer neuen/alten Normalität inklusive überschaubarer Inflationsraten und Zinsen ist aber ein Weg, den wir zum Jahresende noch nicht beschreiten werden.

Unter den jetzigen – sich verändernden – Rahmenbedingungen, welche Fonds sind gefragt?

Wie immer, wenn es um die Altersvorsorge geht, plädieren wir für eine ordentliche Prise an Aktienfonds, kombiniert mit einer gesunden Rentenquote. Das führt dann in der Regel zu einem aktiv gemanagten Mischfonds.

Spielt Nachhaltigkeit tatsächlich eine große Rolle?

Für die Anbieter führt kein Weg daran vorbei. Wir haben unsere Fonds darauf eingestellt und bieten eine breite Palette an Artikel-8- und -9-Fonds an. Bei den Anlegern und Anlegerinnen sieht das noch anders aus. Laut einer Allianz-Studie aus 2022 sind lediglich 20% bereit, in nachhaltige Geldanlagen zu investieren. Wir sehen jedoch auch ein steigendes Interesse an nachhaltigen Produkten bei unseren Kundinnen und Kunden. Hier müssen wir als Anbieter weiterhin informieren.

In diesem Jahr spüren Versicherer und Fondsgesellschaften, dass die private Altersvorsorge ins Stocken gerät. Was erwarten Sie in dem Bereich?

Dieses Stocken hat meiner Meinung nach zwei wesentliche Gründe: Erstens hatten wir in der Niedrigzinsphase einen enormen Zuwachs an frischen Geldern, die auf dem Girokonto liegend keine Renditen gebracht haben, und zweitens haben wir durch die Un­sicherheiten am Markt, etwa eine Rezession in der Eurozone und hohe Energiepreise, aktuell wieder Zinsen auf dem Girokonto und viele Menschen, die das Thema Altersvorsorge nicht in den Vordergrund stellen. Hier ist natürlich der Berater oder die Beraterin gefragt und muss nah am Kunden bleiben!

Wie läuft es für Sie als Lieferant von Fondspolicen?

Es lässt sich nicht verheimlichen, dass wir als Anbieter von aktiven Investments einen frischen Gegenwind aus der passiven Richtung empfinden. Versicherer müssen die Kosten der Police offenlegen und wollen hier so günstig wie möglich arbeiten. Das spricht zuerst mal für Anbieter von ETFs. Allerdings sehen wir gleichzeitig eine hohe Nachfrage nach unseren Art.-8- und Art.-9-Fonds, und das stimmt mich zuversichtlich, dass wir hier für die Zukunft ein gesundes Miteinander sehen. Wichtig für uns ist allerdings auch, mehr als nur Fonds­anbieter zu sein. Und somit entwickeln wir gemeinsam mit Versicherern und Allfinanzvertrieben neue Konzepte für die Altersvorsorge. Zum Beispiel haben wir gemeinsam mit der Gothaer einen offenen Immobilienfonds aufgelegt. Auch haben wir ein Tool entwickelt, das die Verrentungsphase visualisiert.

Ein mögliche Provisionsregelung für Versicherungsanlageprodukte steht im Raum. Provisionsverbot ist auch ein Thema, das die Branche schon so lange begleitet. Ihre Meinung?

Meine persönliche Meinung ist ziemlich einfach: Beide Modelle haben eine Existenzberechtigung. Klar ist auch, dass durch ein mögliches Provisionsverbot viele Familien, die eine fundierte Altersvorsorgeberatung brauchen, hiervon ausgeschlossen werden. Das darf nicht passieren. Andererseits sehe ich bei der Ruhestandsplanung großes Potenzial für das Thema Honorarberatung.

Und wenn wir Sie zum Abschluss noch zum 25-jährigen Bestehen von AssCompact befragen würden, was wäre Ihre Antwort?

Ich bin ähnlich lange in der Vorsorgebranche und seit dem ersten Tag begleitet mich AssCompact sowie das ganze bbg Team. Für mich sind alle ein bisschen wie Familie geworden, bei der ich mich bestens aufgehoben fühle. Deswegen kann ich nur sagen: Gratulation, vielen Dank und weiter so! Ich freue mich auf die nächsten X Jahre mit euch.

Zur Person

Charles Neus ist bei Schroders für Konzepte zur Altersvorsorge verantwortlich und hält damit auch den direkten Kontakt in die Versicherungsbranche. Zudem ist er im Vermittlermarkt gut vernetzt. Bei Schroders ist er seit 2011, zuvor war er in ähnlichen Positionen bei J.P. Morgan und Fidelity tätig. AssCompact begleitet Charles Neus von Anfang an – und umgekehrt.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2023 und in unserem ePaper.

Bild: © Charles Neus, Schroders

 
Ein Interview mit
Charles Neus