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14. Oktober 2021
„Industrieversicherungsmarkt muss neue Balance finden“
Construction workers standing on concrete beam on height and placing truss lifted by crane

„Industrieversicherungsmarkt muss neue Balance finden“

Die Zurich setzt im harten Markt der Industrieversicherung auf Kommunikation mit Maklern und Kunden. Für mehr Effizienz, besseren Service und gezielte Prävention weitet der Versicherer die Maßnahmen in der Digitalisierung und im Risk Engineering aus. Zudem rückt auch der Mittelstand in den Fokus.

Interview mit Petra Riga-Müller, Vorstandsmitglied für den Industriekundenbereich der Zurich Gruppe Deutschland
Frau Riga-Müller, wir müssen mit dem oft zitierten harten Markt in der Industrieversicherung beginnen, den Makler und Kunden zuletzt ausgiebig beklagt haben. Wie sieht die Entwicklung aus Ihrer Sicht aus?

Tatsächlich ist es so, dass dieses Segment seit Jahren unter Ertragsschwäche leidet. In den letzten zehn Jahren haben wir fallende Preise und gleichzeitig Erweiterungen im Deckungsschutz gesehen. Insgesamt ist das Prämien­niveau aber nicht auskömmlich, um die anfallende Schadenlast zu decken. Daher gehen wir dort, wo erforderlich, in den Dialog mit unseren Kunden und Maklern zwecks Anpassung der Konditionen auf Einzelfallbasis, das können auch Preiserhöhungen sein. Wir betrachten dabei aber stets jeden Kunden individuell und streben eine partnerschaftliche Lösung für beide Seiten an.

Neben einigen Faktoren wie zum Beispiel steigenden Schäden aus Naturkatastrophen, die aktuelle Schaden­inflation in D&O und Cyber und anziehende Rückversicherungskosten hat die Corona-Pandemie den Marktzyklus beschleunigt. Zudem steigt der Druck auf das versicherungstechnische Ergebnis weiterhin durch die tiefen Zinsen am Finanzmarkt an.

Schlussendlich muss der Industrieversicherungsmarkt insgesamt eine neue Balance finden, die unseren Kunden ausreichenden Versicherungsschutz bietet und den Versicherern nachhaltige Profitabilität ermöglicht, damit wir langfristig ein leistungsstarker und verläss­licher Partner sein können. Auf dem Weg zu dieser Balance sind die Kommunikation und Zusammen­arbeit auf Augenhöhe zwischen Kunde, Makler und Versicherer wichtiger denn je.

Am meisten scheinen sich die Kunden neben den harten Fakten wie Preisen über die knappe und oft kurzfristige Kommunikation vonseiten der Versicherer geärgert zu haben. Geht das besser?

Sicherlich ist an der ein oder anderen Stelle nicht immer alles zu voller Zufriedenheit abgelaufen, aber wir legen großen Wert auf eine transparente, offene und konstruktive Kommunikation. Wir betreuen jeden Kunden individuell und stehen auch in schwierigen Zeiten mit Kontinuität an der Seite unserer Kunden und Partner. Für diese Herangehensweise haben wir in der letzten Erneuerungsphase positives Feedback erhalten und werten dies als Ansporn, um uns stetig zu verbessern. Gerade in der aktuellen Marktphase ist Kommunikation wichtiger denn je, um frühzeitig nachhaltige Lösungen zu finden. Dabei kommen auch innovative Konzepte oder alternative Deckungsstrukturen infrage, beispielsweise in Form einer erhöhten Eigentragung oder der Einbindung einer Captive.

Ein zentrales Thema für die Industriekunden ist auch die Digitalisierung der Versicherer. Sie wünschen sich hier schnellere Fortschritte. Funktioniert ein hoher Digitalisierungsgrad in dem Segment überhaupt?

Technologie spielt auch in der Industrieversicherung eine immer wichtigere Rolle, aber die Industrieversicherer müssen die Vorzüge der Digitalisierung noch besser für sich nutzen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist die große verfügbare Datenmenge, die wir für unser Geschäft und unsere Kunden noch besser einsetzen können. Für uns bedeutet das, dass wir daran arbeiten, Effizienzen durch neue Tools sowie Data & Analytics zu heben.

Wo steht hier die Zurich?

Wir investieren derzeit stark in unsere Mitarbeitenden, in IT und Systeme, um unseren Kunden ein noch breiteres Produkt- und Serviceangebot ermöglichen zu können. Gerade im Bereich internatio­naler Programme steigt die Komplexität der Risikolandschaft weiter an. Im Lichte dessen ist es für unsere Kunden von enormer Bedeutung, mit Unterstützung von neuen Technologien ihre Versicherungslösungen möglichst einfach, effizient und zu jeder Zeit steuern zu können.

Neben unseren bestehenden Tools wie der Kundenplattform MyZurich, die wir kontinuierlich weiterentwickeln und um zusätzliche Funktionalitäten ergänzen, haben wir kürzlich unser neues Zurich Global Program Support (GPS) Tool gestartet. Hiermit haben unsere Kunden und Makler ihre internationalen Programme sowie die Performance stets im Blick und haben mit unseren Tools 24/7 Zugriff auf alle wichtigen Dokumente und Daten ihrer Versicherungsprogramme.

Außerdem bieten wir unseren Kunden mit API-Schnittstellen direkten Anschluss an ihre Daten und werten diese intelligent und automatisiert aus, um vorhandene Erfahrungen bestmöglich für Effizienzgewinne und zur Risikoverbesserung zu nutzen. Über MyZurich kann man dazu auch auf individuelle Analysen, Benchmarking und Risikoverbesserungsmaßnahmen zugreifen und mit dem Zurich Risk Engineering kommunizieren.

Die Aufgabe der Versicherer ändert sich. Im Industriebereich bieten Versicherer neue Angebote an, um Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen. Ändert sich das Risikomanagement?

Risk Engineering hat bei Zurich schon immer einen sehr hohen Stellenwert. Zukünftig wollen wir unsere Kunden noch gezielter bei Risikopräventionsfragen unterstützen. Dafür haben wir zum Jahresbeginn 2021 einen neuen Geschäftsbereich geschaffen. Die Zurich Resilience Solutions ist eine eigenständige Gesellschaft und bietet ab sofort zusätzliche Dienstleistungen zur Risikoprävention an, die traditionelle Versicherungsprodukte ergänzen. Das Angebot kombiniert Risikoberatungsdienste mit neuesten Technologien und Werkzeugen. Als Teil der globalen Zurich Einheit greifen wir auf die weltweite Expertise von mehr als 750 Risiko-Ingenieuren zurück. Die Risiken, die wir hier betrachten können, sind vielfältig, genau wie unsere Kunden auch.

Ganz besonders beschäftigen unsere Kunden aktuell die Themen rund um Klima-, Cyber- oder auch Supply-Chain-Risiken. Speziell für diese drei Risikobereiche können wir auf ein sehr großes Fachwissen und Serviceangebot zurückgreifen, in Deutschland wie auch global durch unser Netzwerk. Gemeinsam mit unserer langjährigen Marktkenntnis und dem Verständnis für die individuellen Bedürfnisse unserer Kunden bietet dieses neue Produktangebot wichtige Unterstützung neben dem eigentlichen Versicherungsprodukt.

Teilweise haben Sie es schon angesprochen: Versicherer müssen sich auf sogenannte Emerging Risks vorbereiten. Welche Themen stehen da im Fokus?

Wir sehen diese Risiken kommen und haben sie genau im Blick, gerade auch im Hinblick auf den Klimawandel. Wir verstärken unsere Mannschaft in diesem Bereich und erweitern unser Serviceangebot, zum Beispiel mit den Climate Change Resilience Services im Rahmen unserer zuvor genannten Gesellschaft Zurich Resilience Solutions. Zurich Klimarisikoexperten analysieren Klimadaten und daraus resultierende Risiken in verschiedenen Erwärmungsszenarien auf globaler Ebene sowie für Einzelstandorte unserer Kunden und unterstützen sie dabei, ihre Widerstands­fähigkeit nachhaltig zu verbessern.

Dieser Service geht weit über den Risikotransfer versicherbarer Risiken hinaus und wir bieten unseren Kunden eine maßgeschneiderte Beratung an. So unterstützen wir sie beispielsweise bei der Auswahl eines Grundstücks für den Bau von Produktionsstätten, Risikoprävention bei bestehenden Anlagen, Identifizierung exponierter Produktionsstätten oder durch eine Analyse ihrer Wertschöpfungskette.

Die auch schon genannten Cyberrisiken sind heute schon ziemlich real. Welche Entwicklungen sehen Sie hier?

Auch wir nehmen einen starken Anstieg bei den Cyberrisiken wahr – und das über alle Kundensegmente hinweg. Während früher vorrangig die Großindustrie betroffen war, sind aktuell auch kleine und mittelgroße Unternehmen Opfer von Cyberbedrohungen. Wir sehen damit einhergehend einen Anstieg in Anzahl und Volumen der Schadenmeldungen. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Cyberdeckungen in diesem Jahr stark gestiegen und wir erwarten kein Abflachen dieses Trends. Wir haben daher unser bestehendes Produkt und unseren Online-Antrag für die kleineren Kunden verbessert und ein neues Produkt speziell für mittelständische und große Unternehmen auf den Markt gebracht. Das reichern wir mit Cyberservices an, um unsere Kunden auch bei der Prävention zu unterstützen.

Sie bauen also die Angebote für den Mittelstand aus. Welche Strategie steckt hier dahinter?

Ein wichtiger Pfeiler unserer Strategie ist der Ausbau des Mid-Market-Geschäfts, um Zurich auch im Mittelstand als einen der führenden Versicherer zu etablieren. Im internationalen Großkundengeschäft sind wir eine feste Größe, nun wollen wir uns auch im Mid-Market- Segment stärker positionieren. Unser Ziel ist es, die Angebote, die Prozesse und die Kommunikation noch besser auf die Bedürfnisse unserer mittelständischen Kunden zuzuschneiden. Die wichtigsten Erfolgsfak­toren sind dabei aus meiner Sicht, schnell, effizient und lösungsorientiert die Makler und Kunden zu unterstützen. Damit sind wir überzeugt, auch im Mittelstands­bereich ganz vorne mitzuspielen.

Mit welchen weiteren Angeboten?

Wir decken bereits alle Sparten mit einer hohen Expertise ab. Insofern steht für uns derzeit insbesondere im Vordergrund, die bestehenden Angebote zu verbessern und noch genauer auf unsere mittelständischen Kunden zuzuschneiden. Aber es gibt tatsächliche Bereiche, in denen wir ein neues, auf den Mittelstand zugeschnittenes Angebot anbieten werden. Beispielsweise eine neue Online-Strecke für D&O und eine effiziente, kostengünstige internationale Versicherungslösung, mit der auch unserer mittelständischen Kunden noch besser von der einzigartigen Expertise der Zurich im internationalen Programmgeschäft profitieren können.

Ist damit auch eine neue Strategie in der Zusammenarbeit mit Versicherungsmaklern verbunden?

Auch in der Marktansprache wollen wir uns gezielt auf den Mittelstand ausrichten und schneller und effizienter unterstützen. Insgesamt müssen die Prozesse mit uns einfacher und schneller werden. Dabei ist es wichtig, dass unsere Underwriter lokal vertreten sind, weshalb wir gezielt in die Verstärkung unserer regionalen Teams investieren. Auch wenn die Technologie einiges erleichtert, kann das die Kontakte vor Ort nicht ersetzen. Dank der umfassenden Expertise der Zurich in Bereichen wie Risk Engineering, Nachhaltigkeit oder Emerging Risks können wir unseren Partnern hier einen spürbaren Mehrwert bieten.

Zur Person

Petra Riga-Müller ist seit August 2019 Head of Commercial Insurance der Zurich Deutschland. Bei der Zurich ist die Betriebswirtin bereits seit 1999. Sie hatte verschiedene leitende Führungsaufgaben sowohl in Deutschland als auch in der Schweizer Zentrale des Ver­sicherers in den Bereichen Underwriting, Internationales Programmgeschäft und Customer & Distribution Management Zurich inne.

Im Jahr 2020 wurde Riga-Müller mit dem Preis „Women to Watch“ ausgezeichnet. Dieser Preis rückt weltweit das Engagement und die Leistung weiblicher Führungskräfte aus den Bereichen Industrieversicherung, Risiko Management, Consulting und Recht in den Mittelpunkt. Er ehrt Preisträgerinnen für ihre außergewöhnlichen Leistungen und hervorragende Arbeit auf diesen Gebieten.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 10/2021 und in unserem ePaper.

Bild: © Budimir Jevtic – stock.adobe.com: Porträtfoto: © Zurich

 
Interview mit
Petra Riga-Müller