Interview mit Hava Misimi, Gründerin und Geschäftsführerin der Finanz- und Versicherungsberatung Femance
Hava, bei dir ist geschäftlich viel los. Woran arbeitest du aktuell alles?
Aktuell fokussiere ich mich auf zwei große Themen: Wachstum – und die Unabhängigkeit unseres Unternehmens von mir als Gründerin. Ich möchte unsere Mission weiter vorantreiben und noch mehr Frauen in Deutschland für unsere Beratung begeistern. Gleichzeitig ist es mir wichtig, dass Femance auch ohne meine tägliche Präsenz in der Beratung stabil funktioniert. Dazu gehört vor allem, Prozesse so aufzusetzen, dass sie skalierbar und unabhängig von mir sind.
Du bist auch im Start-up muffintech investiert. Worum geht es dabei?
Bei muffintech dreht sich alles um den Einsatz generativer künstlicher Intelligenz für Makler und Versicherer. Ziel ist, Prozesse effizienter zu gestalten, den Vertrieb zu stärken und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken – also genau die Themen, die unsere Branche aktuell beschäftigen. Für mich ist KI aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wir nutzen sie heute schon im Marketing und in der Kundenberatung. Aber das ist erst der Anfang – es gibt noch so viel mehr Potenzial, das wir erkunden und testen sollten.
Und wo siehst du dort konkret die Potenziale, die dich zum Einstieg bewegt haben?
Vor allem in der Vertriebsunterstützung: etwa beim Prüfen von Vertragsbedingungen, bei der Angebotserstellung, der Dokumentation oder der Beantwortung von Kundenanfragen. Auch im Backoffice kann KI viel automatisieren. Besonders spannend finde ich die Möglichkeiten im Bereich Risikovoranfragen – zum Beispiel bei der Arbeitskraftabsicherung oder in der privaten Krankenversicherung. Hier könnten Prozesse durch KI erheblich vereinfacht und beschleunigt werden, was sowohl Beraterinnen als auch Kundinnen zugutekommt.
Bei allem geschäftigen Treiben – bleibt da überhaupt noch Zeit für die Beratung?
Ehrlicherweise kaum. Ich leite heute den Vertrieb, der aus vier Beraterinnen und unserem Backoffice besteht. Außerdem bin ich verantwortlich für unseren Content, das Marketing, die Prozess- und Geschäftsentwicklung. All das wäre in dem Umfang nicht möglich, wenn ich noch voll in der Kundenberatung tätig wäre – auch wenn ich das früher geliebt habe. Für das Unternehmen ist diese Fokussierung langfristig aber die bessere Entscheidung.
Mit deiner Website, deinem Blog und vielen weiteren Kanälen richtest du dich speziell an Frauen. Welche Themen begegnen dir in den Gesprächen besonders häufig – und welche werden oft vergessen?
Das Thema Vermögensaufbau und Altersvorsorge ist inzwischen bei vielen Frauen angekommen. Das Verständnis wächst, und das ist großartig. Was aber häufig vergessen oder bewusst verdrängt wird, ist die Absicherung. Viele wollen sich mit der Arbeitskraftabsicherung nicht beschäftigen, weil sie denken: „Mir passiert schon nichts.“ Oder sie hoffen, dass ihre Ersparnisse im Notfall ausreichen. Ein weiterer Punkt: Der mögliche Wechsel in die private Krankenversicherung wird oft gar nicht in Erwägung gezogen – selbst wenn es theoretisch möglich wäre. Viele Frauen gehen davon aus, dass ihre Erwerbsbiografie durch Kinder oder Care-Arbeit nicht stabil genug ist. Und es kursieren immer noch viele Mythen zur PKV, die für große Unsicherheit sorgen.
In deinem letzten Buch ging es um Finanzen. Nun hast du ganz frisch ein neues Buch zu Versicherungen herausgebracht. Warum genau dieses Thema?
In „Better safe than sorry“ dreht sich alles um Versicherungen – ein Thema, das oft unterschätzt wird, aber ein zentrales Element der finanziellen Sicherheit ist. Ich erkläre, wie unser Sozialversicherungssystem funktioniert, was der Staat abdeckt und wo private Vorsorge notwendig ist. Ich arbeite mit verschiedenen Personas, die stellvertretend für unterschiedliche Lebenslagen stehen. So können Leser ganz praxisnah herausfinden, welche Versicherungen ein Must-have sind, welche nur nice to have – und worauf man auch verzichten kann. Das Buch enthält viele Fallbeispiele und Erfahrungswerte aus unserer Beratungspraxis.
Du gehst als unabhängige Finanzberaterin und Versicherungsmaklerin sehr stark an die Öffentlichkeit – über Blog, Bücher, Social Media. Was funktioniert am besten?
Es ist die Mischung, die wirkt. Kurzformate eignen sich hervorragend, um Menschen für ein Thema zu sensibilisieren. Langformate – wie Blogartikel, Podcasts oder Bücher – bauen Vertrauen auf, weil sie Tiefe ermöglichen. Entscheidend ist, wo die Zielgruppe unterwegs ist und wie sie Inhalte konsumiert. Unsere Kundinnen kommen über ganz unterschiedliche Kanäle zu uns – genau deshalb ist ein kanalübergreifender Auftritt so wertvoll.
Wie würdest du die Auswirkungen deines Engagements auf das Image von Makler:innen in der Öffentlichkeit einschätzen?
Das ist schwer zu messen – aber ich hoffe, dass mein Engagement und das vieler großartiger Kolleginnen dazu beitragen, das Bild von Maklern zu modernisieren. Wir leisten einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Sicherheit – und ich wünsche mir, dass dieser Beruf wieder mehr Anerkennung bekommt.
Schauen wir auf die gesamte Branche: In welche Richtung entwickelt sie sich – insbesondere in Bezug auf Frauen und Vertrieb? Was hat sich verbessert, wo besteht noch Nachholbedarf?
Es bewegt sich was – das ist spürbar. Immer mehr Frauen finden ihren Weg in die Finanz- und Versicherungsberatung, bringen frischen Wind und neue Perspektiven mit. Auch auf Kundenseite verändert sich viel: Frauen fordern heute aktiv Beratung ein und treffen zunehmend selbstbestimmte Finanzentscheidungen. Gleichzeitig braucht es aber noch mehr strukturelle Veränderungen: flexiblere Arbeitsmodelle und eine Unternehmenskultur, die Vielfalt fördert. Ich wünsche mir, dass noch mehr Frauen erkennen, wie spannend und sinnstiftend der Vertrieb sein kann. Denn eines ist klar: Mehr Frauen im Vertrieb tun der Branche als Ganzes gut – nicht nur weil sie andere Kundengruppen erreichen, sondern weil sie die Zukunftsfähigkeit der Branche mitgestalten.
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