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28. Mai 2021
„Restschuldversicherungen sind für Überschuldungsprävention wichtig“

„Restschuldversicherungen sind für Überschuldungsprävention wichtig“

Restkreditversicherungen sollen Kreditnehmer vor unerwarteten Ereignissen absichern. In der Praxis stehen sie trotz dieses positiven Grundgedankens regelmäßig in der Kritik. Der Bankenfachverband sieht diese nicht gerechtfertigt und wehrt sich insbesondere gegen die Deckelung der Abschlussprovisionen.

Interview mit Jens Loa, Geschäftsführer des Bankenfachverband e. V.
Herr Loa, der Bankenfachverband hat bereits mehrfach die Deckelung der Abschlussprovisionen bei Restkreditversicherungen kritisiert. Warum?

Restkreditversicherungen sind ein unverzichtbares Mittel der Überschuldungsprävention für Verbraucher, die eine Finanzierung nutzen – auch und insbesondere in Zeiten der Corona-Pandemie. Sie sind ein wichtiger Schutz im Fall von Arbeitslosigkeit, Arbeitsunfähigkeit oder beim Tod des Partners und übernehmen dann die Zahlung der monatlichen Kreditraten. Die Versicherungen müssen auch weiterhin zu marktfähigen Vergütungen vermittelt werden dürfen. Ein starrer Provisionsdeckel und undifferenzierte Begrenzungen der Vermittlervergütung, wie sie der Gesetzgeber derzeit plant, stehen diesem Zweck entgegen, da sie faktisch wie ein Verkaufs- bzw. Vergütungsverbot für erbrachte Dienstleistungen wirken.

Sie sprechen sich dafür aus, den Verkauf der Restkreditversicherung zu einer angemessenen Vergütung auch weiterhin zu ermöglichen. Was wäre aus Ihrer Sicht angemessen?

Die Vermittlung und – was oft nicht gesehen wird – auch die Vertragsverwaltung und Kundenbetreuung sind Dienstleistungen, die – neben der Schulung der Vertriebsmitarbeiter – von den vermittelnden Banken erbracht werden. Diese Leistungen können nur erbracht werden, wenn sie auch vergütet werden. Angemessen sind Vergütungen, wenn der Vermittlungserfolg und die erbrachten Dienstleistungen zu marktüblichen Preisen entlohnt werden, ohne vertriebliche Fehlanreize oder Interessenkonflikte zu erzeugen. Ein frei gegriffener, starrer und pauschaler Provisionsdeckel in Höhe von 2,5% der Darlehenssumme ist nicht nur ökonomisch unangemessen, sondern auch ordnungs- und verbraucherpolitisch verfehlt sowie verfassungsrechtlich äußerst bedenklich.

Sind die bisherigen Selbstverpflichtungen der Kredit- und Versicherungswirtschaft ein ausreichender Schutz der Verbraucher?

Zunächst einmal bietet schon das Gesetz in Bezug auf die Informations- und Beratungspflichten, die Widerrufs- und Kündigungsrechte, die Vermittlervergütungen sowie die aufsichtlichen Eingriffsbefugnisse einen angemessenen und umfassenden Verbraucherschutz. Die Verbraucherrechte wurden 2018 durch die IDD-Umsetzung zusätzlich gestärkt. In Bezug auf die RKV besteht somit bereits eine hohe Informationstransparenz zu den Produkteigenschaften und den Kosten.

Der Punktekatalog des Bankenfachverbandes sowie auch weitere Initiativen der Finanz- und Versicherungsbranche gehen über diese gesetzlichen Vorgaben noch hinaus, um weitere legitime Verbraucher­interessen aufzugreifen, die Informationstransparenz für den Verbraucher zusätzlich zu erhöhen und das Versicherungsprodukt verbraucherpolitisch fortzuentwickeln.

Wie sehen die bisherigen Vorgaben für Vermittler­vergütungen aus?

Nach geltendem Recht stehen die Versicherungsunternehmen bereits jetzt in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass sich eine Provision nicht nachteilig auf die Qualität der Dienstleistung auswirkt und dass Interessenkonflikte vermieden werden. Zudem gilt das qualifizierte „Arms-length-Prinzip“, um überhöhte Kosten zwischen dem Versicherer und dem Vermittler zu verhindern. Daneben sind weitreichende Informationspflichten zu Vermittlungsprovisionen normiert. So muss der Versicherungsvermittler darüber informieren, dass er eine Vergütung für seine Tätigkeit erhält und wer diese bezahlt.

Wie wichtig ist das Thema Transparenz in Sachen Verbraucherschutz und was unternimmt die Branche in dieser Hinsicht?

Der Bankenfachverband hat im Jahr 2019 den Punktekatalog „RKV pro Verbraucher“ ins Leben gerufen, der die Transparenz bei der RKV nochmals deutlich erhöht. Dies erreichen wir unter anderem mit dem doppelten Ausweis der Kreditrate einmal mit und einmal ohne die monatlichen Kosten der Restkreditversicherung.

Dieser Punkt zahlt direkt auf eine zentrale Forderung des Verbraucherschutzes ein. Natürlich sind auch die weiteren Initiativen aus der Finanz- und Versicherungswirtschaft von großer Bedeutung, weil sie zeigen, dass hier branchenübergreifend an dem gemeinsamen Ziel gearbeitet wird, ein wichtiges Mittel der Überschuldungsprävention im Sinne der Verbraucher zu erhalten.

Warum braucht es in der Praxis eine differenzierte gesetz­geberische Herangehensweise?

Ein gesetzlicher Provisionsdeckel ist per se ein schwerwiegender Eingriff in die Privatautonomie sowie in die Berufsausübungsfreiheit der Versicherer und der Versicherungsvermittler. Der beabsichtigte Grundrechtseingriff ist im vorliegenden Fall auch nicht durch verfassungs­legitime Gründe des Gemeinwohl­interesses gerechtfertigt, zumal auch keine auf valider empirischer Grundlage erfassten Marktunzulänglichkeiten oder Missstände im Bereich der Restschuldversicherungen ersichtlich und erwiesen sind. Insofern ist die Festsetzung von Provisionsobergrenzen auch ordnungspolitisch verfehlt.

Die Bundesregierung hat in einer ihrer Stellungnahmen auf eine parlamentarische Anfrage jüngst selbst festgestellt, dass die Restkreditversicherung kein standardisiertes Versicherungsprodukt ist, sodass Leistungen, Beiträge und Kosten im Markt variieren. Sie wies zudem darauf hin, dass sich verallgemeinernde Schlussfolgerungen zur RKV insoweit nicht ziehen lassen. Auf der Grundlage dieses Befundes schließt sich eine starre und undifferenzierte Deckelung von Abschlussprovisionen, die den komplexen Lebenssachverhalten und wirtschaftlichen Verhältnissen der beteiligten Parteien sowie den unterschiedlichen Kreditprodukten zum Beispiel hinsichtlich Darlehenshöhe und Laufzeiten in keinster Weise Rechnung trägt, aus.

Wie sieht der aktuelle RKV-Markt in Deutschland aus?

Rund jeder vierte Ratenkredit in Deutschland ist mit einer Rest­kreditversicherung abgesichert. Aus unseren jährlichen Marktstudien, die wir seit über zehn Jahren auf reprä­sentativer Basis erheben, wissen wir, dass sich dieser Anteil über lange Jahre konstant gehalten hat.

Die aktuelle Studie aus dem Jahr 2020 belegt, dass mit einem Anteil von 73% die große Mehrheit der Ver­sicherten mit ihrer RKV zufrieden ist. Nur 5% sind nicht dieser Meinung und ein Fünftel ist neutral eingestellt. Im Übrigen sehen drei Viertel der deutschen Bevölkerung die Banken in der Pflicht, Kreditinteressenten beim Abschluss die Optionen einer RKV aufzuzeigen und anzubieten. Dieser Verpflichtung kommen die Institute nach.

Wie haben sich der RKV-Markt und der Markt für Ratenkredite im Allgemeinen durch die Corona-Pandemie verändert?

Das Bedürfnis nach Sicherheit und konkret nach der Absicherung der eigenen Zahlungsfähigkeit hat im Zuge der Corona-Pandemie für Verbraucher stark an Bedeutung gewonnen. Wer heute ein Konsumgut finanzieren möchte, legt Wert darauf, dass seine Finanzierung sicher ist. Dementsprechend haben wir im vergangenen Jahr einen Anstieg der RKV-Abschlüsse um vier Prozentpunkte verzeichnet.

Finanzierungen sind eine essenzielle Stütze der Konjunktur, die wir gerade in einer Krisen­situation wie der jetzigen dringend benötigen, um den privaten Konsum anzukurbeln. Verbraucherkredite haben dabei – wie Restkreditversicherungen ebenfalls – eine signifikante volkswirtschaftliche Bedeutung. Deshalb ist es wichtig, ein marktgängiges Angebot von Restkreditversicherungen weiterhin zu ermöglichen. (mh)

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 05/2021, Seite 80 f., und in unserem ePaper.

Bild: © tomertu – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Jens Loa