AssCompact suche
Home
Steuern & Recht
25. März 2024
„Versicherungsmakler zu sein, ist eine Vertrauensposition“

„Versicherungsmakler zu sein, ist eine Vertrauensposition“

Die rechtliche Stellung von Versicherungsmaklern ist komplex. Welche Herausforderungen und rechtlichen Rahmenbedingungen muss ein Versicherungsmakler in der Interaktion mit Kunden und Versicherern kennen und meistern? Und wie beeinflussen aktuelle Entwicklungen seine rechtliche Position?

Interview mit Stefan Rumpp, Vorsitzender des IGVM Interessen­gemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e. V.
Herr Rumpp, wie steht es denn generell um die rechtliche Stellung des Versicherungsmaklers im Vermittlungsgeschäft im Vergleich zu anderen Vermittlern?

Die rechtliche Stellung des Versicherungsmaklers ist leider, selbst für Fachleute, schwierig zu greifen. Seit dem Sachwalterurteil aus dem Jahr 1985, in dem der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt hat, dass die Pflichten des Versicherungsmaklers weitgehend sind, ist viel Zeit vergangen. Der Gesetzgeber hätte also genug Gelegenheit gehabt, den Versicherungsmakler neben diesen umfangreichen Pflichten auch mit entsprechenden Rechten auszustatten. Dies ist leider bis heute unterblieben. Stattdessen stellt man immer wieder fest, dass in der täglichen Praxis die Differenzierung der einzelnen Berufsbilder auch Fachleuten aus Justiz, Politik und Medien nicht zutreffend gelingt. Vom Verbraucher ganz zu schweigen.

Dabei ist in der Neufassung des Versicherungsvertragsgesetzes in § 59 Abs. 3 klar definiert, was ein Ver­sicherungsmakler ist.

In der unabhängigen Vermittlerschaft tummeln sich bekanntlich mehrere namhafte Berufsverbände. Warum ist dennoch eine Interessenvertretung der Makler durch die Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler (IGVM) e. V. notwendig?

Es ist zutreffend, dass es zahlreiche Berufsverbände und Interessenvertretungen gibt. Viele von ihnen vertreten aber die unterschiedlichsten Marktteilnehmer. Also gleichzeitig gebundene und ungebundene Versicherungsvermittler, Vertriebe, Anbieter, Versicherungsmakler und Pools. Für Fragestellungen, die all diese Gruppen im gleichen Maß betreffen, mag das funktionieren. Ein gutes Beispiel ist die übergreifende Arbeit an einer allgemein gültigen Datenschutzerklärung, die von allen Marktteilnehmern akzeptiert wird. Hier kann die Zusammenarbeit über Verbandsgrenzen hinweg als vertrauensvoll und durchaus fruchtbar bezeichnet werden.

Schwierig wird es dann, wenn die Interessen der einzelnen Gruppen sich deutlich unterscheiden. Das ist naturgemäß dann der Fall, wenn es um die Rechtsposition eines Versicherungsmaklers zu Mandanten und Produktlieferanten geht. Hier treffen wir regelmäßig auf Druckstücke, die ohne jeden Zweifel für die Ausschließlichkeits-organisation konzipiert und mit wenig Liebe und Sachkunde auf Versicherungsmakler angepasst wurden. Auch andere rechtliche Sachverhalte wie beispielsweise der Umstand, dass eine Vollmacht nicht altert oder gar verjährt, ist für Versicherungsmakler relevant. Für Vertreter spielt das keine Rolle.

Hier kann ein Versicherungsmaklerverband wichtige Impulse setzen, ohne dass die Geschäfts­beziehung des einzelnen Mitglieds mit dem Versicherer darunter leidet. Der IGVM e. V. öffnet sich hier bewusst auch den sogenannten Einzelkämpfern, also Maklern, die nicht über eine große Organisation verfügen oder eine Mindestanzahl an Mitarbeitern haben. Sie profitieren vom kollegialen Austausch innerhalb des Verbandes. Ein direkter persönlicher Kontakt zu teils hochspezialisierten und langjährig erfahrenen Kollegen sichert die Qualität im Sinne der Mandanten. Junge Kollegen bringen dafür häufig wichtige Impulse zu neuen Medien ein. So wachsen alle.

Wie ist die Rechtsposition des Maklers gegenüber Kunden bzw. Versicherern charakterisiert? Wie stark ist seine rechtliche Stellung?

Diese Frage lässt sich nicht mit wenigen Worten und schon gar nicht allgemein beantworten. Versicherungsmakler zu sein, ist eine Vertrauensposition, sowohl dem Mandanten gegenüber, mit dem ein Versicherungsmaklervertrag und ein Vollmachtsverhältnis besteht, als auch gegenüber dem Versicherer, der sich auf die Sachkunde des Maklers verlässt.

In der weitaus überwiegenden Zahl der Fälle funktioniert das hervorragend. Die Geschäftsbeziehungen dauern häufig über Jahrzehnte an und umfassen nicht selten mehrere Generationen. Naturgemäß richtet sich der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung auf die Fälle, in denen so ein Verhältnis eine Störung erfährt.

Die Gründe sind vielschichtig. Wie die Beschwerdezahlen beim Versicherungsombudsmann zeigen, ist die Zufriedenheit mit der Arbeit von Versicherungsvermittlern sehr hoch. Und das, obwohl es fast immer um viel Geld geht.

Die Beschwerdequote bezogen auf Vermittler lag bei weniger als 0,2% im Jahr 2023.

Spektakulär ist in diesem Zusammenhang das Urteil des Landgerichts Konstanz, das den Makler zu einer umfangreichen Marktanalyse verpflichtet sieht. Welche Folgen hatte dieses Urteil mit Blick auf die Rechtsposition des Maklers?

Das Urteil des Landgerichts Konstanz ist so ein Fall. Er zeigt gleich mehrere Problemfelder, deren Lösung einfach wäre, offenkundig politisch aber nicht gewollt ist.

Das Gericht geht zu Unrecht von einem idealtypischen Umfeld aus, in dem alle am Markt verfügbaren Angebote dem Rat des Maklers zugrunde zu legen sind. Das wäre dann der sogenannte „best advice“. Ein Versicherungsmakler müsste also zu jedem Zeitpunkt alle am deutschen Markt verfügbaren Angebote kennen, inhaltlich vollumfänglich beurteilt haben und mit dem Mandanten besprechen. Selbst wenn man wirtschaftliche Überlegungen völlig außen vor lässt, was das Gericht getan hat, ist dies faktisch unmöglich.

Einer der Gründe ist zum Beispiel, dass zahlreiche Versicherer ihre Angebote und Versicherungsbedingungen Versicherungsmaklern nicht zur Prüfung zur Verfügung stellen. Hier hat der Gesetzgeber versäumt, die Marktteilnehmer zu verpflichten, diese Informationen zugänglich zu machen. Das könnte beispielsweise in Form eines zentralen Registers geschehen, in dem alle relevanten Vertragsinhalte revisionssicher hinterlegt werden. Angenehmer Nebeneffekt wäre, dass die auszuhändigenden Unterlagen beim Vertragsabschluss deutlich reduziert werden könnten. Das wäre echter Verbraucherschutz, weil es die Übersichtlichkeit und damit auch die Verständlichkeit fördern würde. Ein Zugriff auf die vollständigen Unterlagen wäre dennoch zu jedem Zeitpunkt gewährleistet. Ein Nebeneffekt wäre, dass beispielsweise Steuerberater und Rechtsanwälte ebenfalls Zugriff auf Unterlagen O ihrer Mandanten erhalten könnten und damit Rechtsunsicherheiten durch unvollständige oder veraltete Dokumente entfallen würden.

Gleichzeitig wäre erforderlich, dass Versicherer Geschäft von Ver­sicherungsmaklern annehmen müssen, sofern es deren Annahmerichtlinien entspricht. Auch hier hat der Gesetzgeber entsprechende Richtlinien bislang nicht erstellt.

Hier klafft eine Lücke zwischen den Anforderungen und Pflichten an einen Berufsstand und den damit zu verbindenden Rechten.

Hat sich die Rechts­position des Versicherungsmaklers in den vergangenen Jahren verschlechtert?

Die Rechtsposition des Versicherungsmaklers hat sich nicht verschlechtert. Sowohl Haftung als auch Beratungspflichten bestehen seit vielen Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten. Die Beschwerdestatistik spricht eine deutliche Sprache. Es gibt so gut wie keine Fälle, in denen sich Versicherungsnehmer über die Arbeit ihres Vermittlers beschweren. Hier wird also ein Handlungsbedarf suggeriert, den es in der Praxis offenkundig nicht gibt.

Wir plädieren auch vor dem Hintergrund der EU-weiten Harmonisierung für die Übernahme des in Österreich praktizierten Modells. Hier gibt es die Unterscheidung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsberater nicht. Es ist auch nicht nachzuvollziehen, weshalb ein Versicherungsmakler, der sich zum Beispiel auf das Thema private Krankenversicherung spezialisiert hat, nicht gegen Honorar eine Kundenberatung bei einem Verbraucher durchführen darf, ohne dass es eine Vermittlungsabsicht gibt. Diese Regelung hat mit Verbraucherschutz nichts zu tun, sondern läuft diesem entgegen.

Inwiefern sehen sich Versicherungsmakler vom Gesetzgeber gut verstanden, was die Stärkung ihrer Rechtsposition angeht?

Leider lässt sich aus den Aktivitäten von Politik, Gesetzgeber und Verbraucherschutz deutlich erkennen, dass die Rechtsposition des Versicherungsmaklers sowie der Aufbau und Umfang seiner Tätigkeit nicht verstanden werden. Zu häufig werden die verschiedenen Vermittlertypen in einem Atemzug genannt und damit in einen Topf geworfen. Die Presse, teilweise sogar die Fachpresse, bildet hier leider keine Ausnahme. Immer wieder bekommt man als Rückmeldung auf kritische Ansprache zu hören: „Das können die Leute doch ohnehin nicht unterscheiden.“ Solange es regelmäßig unvollständig oder falsch dargestellt wird, wird sich daran auch nichts ändern.

Welche Entwicklungen in der Versicherungsbranche könnten sich in Zukunft auf die rechtliche Position von Versicherungsmaklern schwächend bzw. vielleicht sogar stärkend auswirken?

Die zunehmende Komplexität und Vielfalt von Versicherungslösungen macht es unwahrscheinlich, dass der Beruf des Versicherungsmaklers in den nächsten Jahren überflüssig wird. Richtig ist, dass die KI sehr viele Arbeitsprozesse nachhaltig verändert. Das wird auch das Tagesgeschäft von Versicherungsmaklern betreffen. Viele Prozesse werden sich deutlich beschleunigen und die Vernetzung von Informationen wird die Risikoeinschätzung und die Schadenbearbeitung beschleunigen und insgesamt verbessern.

Richtig ist aber auch, dass KI speziell in komplexeren Fallkonstellationen schnell an ihre Grenzen stößt. Eine KI-gestützte Produktempfehlung wird, das zeigen Studien im Bereich Investmentanlagen, eine hohe Fehleranfälligkeit haben. Hier wird zwingend der Versicherungsmakler mit seinem Überblick und seiner Erfahrung die letzte Entscheidung treffen müssen. Verbunden mit dem Umstand, dass sehr viele erfahrene Fachleute in den nächsten Jahren aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden werden, ergeben sich für qualifizierte Versicherungsmakler ausreichend Betätigungsfelder. Es wird zu einer weiteren Spezialisierung der Maklerbetriebe und zur verstärkten Bildung von Netzwerken kommen.

Welche Empfehlungen haben Sie für Makler, um ihre rechtliche Stellung zu stärken?

Zentrales Thema für die Versicherungsmakler in der Zukunft wird Aus- und Weiterbildung, die Konzentration auf Bereiche oder Zielgruppen sowie die Bildung von Netzwerken zur umfassenden Beratung der Mandanten sein. Der Markt wird weiter sehr dynamisch umgebaut werden. Sowohl Versicherer als auch Pools und Verbünde werden sich zusammenschließen. Bereits heute ist es schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, unabhängige Vergleichssoftware für Versicherungslösungen am Markt zu finden.

Dieser Umstand eröffnet den verbliebenen freien Versicherungsmaklern eine klare Positionierung. Natürlich wird es Bereiche geben, die mit KI und Geld von Finanzinvestoren so weit automatisiert werden, dass persönliche Beratung entfallen kann und wird. Im Bereich von komplexen Firmenstrukturen, Gewerbeimmobilien oder persönlichen Besonderheiten wird der Ver­sicherungsmakler seinen Platz an der Seite des Mandanten behalten. Die Anforderungen an das Berufsbild werden allerdings weiter steigen.

Die Mitgliedschaft in einem Berufsverband kann ein wichtiger Schritt sein, um sich in diesem Umfeld zu behaupten. Die IGVM als reiner Versicherungsmaklerverband bietet hier eine Gemeinschaft, die den Berufsstand weiterentwickeln und in der öffentlichen Wahrnehmung sichtbarer machen will. Gleichzeitig werden wir auch in Zukunft ein konstruktiver und unabhängiger Ansprechpartner für Versicherer sein, die Versicherungsmakler als Sachwalter der Kunden verstehen und ernst nehmen.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 03/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Stefan Rumpp, IGVM