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22. Juni 2025
„Viele unserer Tarife waren aus heutiger Sicht zu knapp kalkuliert“
„Viele unserer Tarife waren aus heutiger Sicht zu knapp kalkuliert“

„Viele unserer Tarife waren aus heutiger Sicht zu knapp kalkuliert“

Die NÜRNBERGER musste 2024 ein verlustreiches Jahr verkraften. Wie es zu dem Defizit kommen konnte, welche Folgen das für Kunden und Vertriebspartner hat und in welche Richtung sich der Versicherer weiterentwickeln möchte, darüber hat AssCompact mit Vorstandsmitglied Andreas Politycki gesprochen.

Interview mit Andreas Politycki, Vertriebsvorstand bei der Nürnberger
Herr Politycki, lassen Sie uns direkt einsteigen: Wie konnte es zu den erheblichen Verlusten in der Schaden- und Unfallsparte kommen, die zu dem negativen Konzernergebnis 2024 von -77 Mio. Euro geführt haben? Wo genau lag das Problem bzw. rückblickend die Ursache?

Positiv und keinesfalls zu vernachlässigen ist, dass alle anderen Unternehmensteile – mit Ausnahme der Schaden- und Unfallsparte – planmäßige Gewinne liefern, und das in einem sicherlich nicht einfachen Umfeld.

Die immensen Verluste in der Schaden- und Unfallsparte lassen sich grob auf zwei Faktoren zurückführen. Erstens war das Geschäft im Kfz-Bereich im marktweiten Durchschnitt defizitär, und die Inflation in dieser Sparte hält weiterhin an. Mit Blick auf das Neugeschäft waren viele unserer Tarife aus heutiger Sicht zu knapp kalkuliert – auch, weil die explosionsartigen Kostensteigerungen bei Ersatzteilen und Reparaturkosten nicht abzusehen waren. Wir haben unser Monitoring neu aufgestellt, führen Bestandssanierungen durch und setzen bei der Preisgestaltung auf agilere Prozesse. Zweitens kamen Naturkatastrophen und Großschäden hinzu, die uns stark belastet haben. Um die NÜRNBERGER in der Phase des Turnaround-Prozesses optimal zu schützen und unseren Kunden ein verlässlicher Partner zu sein, haben wir zwischenzeitlich trotz hoher Preise mehr Rückversicherungen gekauft.

Die Stimmung im Maklermarkt und unter den Kunden ist angespannt. Dazu sind auch bei AssCompact Stimmen eingegangen. Was unternimmt das Unternehmen, um die Makler zu „beruhigen“?

Bislang ist kein drastischer Einbruch der Stimmung erkennbar. Wir bemühen uns um einen intensiven Dialog und die Optimierung unserer Strukturen. Die bestmögliche Betreuung unserer Vertriebspartner ist für uns von zentraler Bedeutung. Uns ist es wichtig, aktuelle Tendenzen wahrzunehmen und dann möglichst schnell mit passenden Ansätzen auf sich ändernde Rahmenbedingungen zu reagieren.

Können Sie hier konkreter werden? Welche Maßnahmen setzen Sie ein, um Makler optimal zu betreuen? Hat es hier Veränderungen gegeben, auch im Zuge des Effizienzprogramms?

Grundsätzlich sind wir davon überzeugt, dass das hybride System einen dauerhaften Platz im Maklervertrieb haben wird. Erfolg hat, wer dual vorgeht: persönlich beraten und digital kommunizieren. Deshalb investieren wir intensiv in die digitale Vertriebsunterstützung.

Und ergänzen die persönliche Betreuung durch unsere Maklerbetreuer und Vertriebsleiter um KI-gestützte Tools. Damit können wir den Maklern das vertriebliche Leben erleichtern. Denn die Digitalisierung schafft mehr Zeit für die so wichtige Kundenberatung. Prozess-Exzellenz ist ein gewichtiger Wettbewerbsfaktor. In Summe ist das eine klassische Win-Win-Situation.

Wird die Nürnberger auch zukünftig weiterhin auf den Maklervertrieb setzen?

Wir sind einer der größten Maklerversicherer in Deutschland und wollen es auch bleiben. Im Bereich der Lebensversicherung generieren wir 80% unseres Geschäfts mit Maklern. Darüber hinaus wird unsere Vertriebsstruktur durch die Ausschließlichkeit ergänzt, bei der wir vor allem im Schadengeschäft stark sind. Hinzu kommen Aktivitäten im Onlinebereich. Diese Diversifizierung ist Teil unserer DNA und macht uns erfolgreich.

Laut Zahlen aus Ihrem Haus können Sie erste Erfolge vermelden, das Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu lenken, beispielsweise mit einer Schaden-Kosten-Quote in der Kfz-Versicherung unter 100% im ersten Quartal. Welche Maßnahmen haben Wirkung gezeigt?

In der Sparte Kfz haben wir an zentralen Stellschrauben angesetzt. Im Privatkundenbereich führen wir eine Bestandssanierung durch und haben die Tarife angepasst. Zudem trennen wir uns von Verträgen mit hohen Schadenquoten oder Untertarifierung. So werden wir zum Jahresende die schweren Industrie-Portfolios aufgegeben haben, die wir über Großmakler gezeichnet hatten. Ein umfangreiches Monitoring versetzt uns in die Lage, agil auf Veränderungen zu reagieren und nötige Anpassungen im Portfolio vorzunehmen, um die Solidargemeinschaft unserer Versicherten zu schützen.

Gehen die Kunden diese Prämienerhöhungen mit? Oder hat das Unternehmen mehr Kündigungen als „normalerweise“ erhalten?

Wir beobachten sehr genau, welche Auswirkungen die Prämienerhöhungen auf die Stornoquote haben. Unsere Kunden sind über die Preiserhöhungen natürlich nicht erfreut, können diese aber nachvollziehen und bleiben uns zum Großteil treu. So ist das Prämienvolumen im Privatkundengeschäft seit Beginn der Maßnahmen sogar gewachsen.

Gerade im AKS-Geschäft ist die Nürnberger auch immer wieder unter den AssCompact Maklerfavoriten zu finden. Haben eigentlich die negativen Schlagzeilen auch Auswirkungen auf andere Sparten gehabt?

Wir führen viele Gespräche mit unseren Vertriebspartnern. Sie wissen, dass unsere Herausforderungen ausschließlich im Schadenbereich liegen. Auch dort haben wir nicht enttäuscht, wenn wir die Katastrophe im Ahrtal als Beispiel nehmen. Für unsere Zuverlässigkeit und Geschwindigkeit bei der Schadenbearbeitung haben wir damals sehr gutes Feedback erhalten. Und die Makler erleben im Tagesgeschäft ja auch, wie gut wir in den Bereichen Leben und Kranken aufgestellt sind. In der Folge vertrauen sie weiterhin auf die Leistungsfähigkeit der NÜRNBERGER.

Welche Rolle spielt die Entwicklung hin zum Präventionsversicherer? Wie soll diese Strategie dabei helfen, das Konzernergebnis wieder auf einen grünen Zweig zu bringen?

Unsere Entwicklung zum Präventionsversicherer umfasst alle Sparten. Denn nur durch Prävention können Versicherungen bezahlbar bleiben. Zukünftig werden wir alle Produkte aus den Bereichen Schaden-, Unfall- und Personenversicherung mit Präventionskomponenten ausstatten, die nah an den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden ausgerichtet sind. Mithilfe von KI-Lösungen beugen wir bereits heute Versicherungsbetrug vor und stellen unsere Anwendungen auch branchenweit zur Verfügung. Kurzfristig werden sowohl unser Sanierungsprogramm in der Schaden- und Unfallsparte als auch das Effizienzprogramm „Fit für die Zukunft“ auf Konzernebene dafür sorgen, dass wir wieder ein positives Konzernergebnis erzielen werden.

Das erklärte Ziel für das Konzernergebnis 2025 liegt bei 40 Mio. Euro. Nun ist das erste Halbjahr fast verstrichen. Sehen Sie sich realistisch auf einem Kurs, dieses Ergebnis zu erreichen?

Das Ziel ist tatsächlich ambitioniert, vor allem für die Sparte Schaden und Unfall, wie eingangs bereits gesagt. Alle anderen Unternehmensteile schreiben seit Jahren planmäßig Gewinne. Die Halbjahresergebnisse versprechen gut zu werden, darauf lässt sich aufbauen.

Apropos Zukunftskurs: Auf der Hauptversammlung vor einigen Wochen kam die Unabhängigkeit des Unternehmens zur Sprache. Es hieß, das Unternehmen prüft „ergebnisoffen“ ob diese Strategie weiterhin im Unternehmensinteresse liegt. Wie weit ist die Prüfung hier bereits fortgeschritten und gibt es hier bereits Ergebnisse? Und wie blicken Sie in Ihrer Rolle als Vertriebsvorstand auf diesen Kurs?

Die Aufgabe eines Vorstands besteht darin, die Unternehmensstrategie kontinuierlich zu prüfen und sie bei Bedarf anzupassen. Das passiert hier auch. Wie Sie richtig zitiert haben, sind dies ergebnisoffene Überlegungen. Als Vertriebsvorstand ist es für mich entscheidend, dass wir unseren Vertriebspartnern langfristig ein verlässlicher Partner sind. Daran arbeite ich mit meinem Team jeden Tag.