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15. August 2022
„Weitaus mehr als fünf Herren in Anzügen“

„Weitaus mehr als fünf Herren in Anzügen“

Die Initiative Women@MRH Trowe gibt Frauen Plattform und Netzwerk. Das Arbeitsumfeld im Unternehmen soll durch solche Projekte vorurteilsfreier werden. Ein Interview darüber, wie Diversität gelebt wird, wann Absichtserklärungen Luftschlösser sind, und zur Wichtigkeit von Expertise und beruflichem Hintergrund.

Interview mit Marco Gerhardt, Vorstand MRH Trowe und zuständig für HR, und Miriam Marx, Head of Financial Lines, Rechtsanwältin, MRH Trowe
Herr Gerhardt, MRH Trowe hat die Charta der Vielfalt unterzeichnet und eine Initiative für Frauenförderung ins Leben gerufen. Es geht Ihnen um mehr Diversität. Was bedeutet das für Sie?

Marco Gerhardt Mit der Unterzeichnung der Charta der Vielfalt zu Beginn dieses Jahres hat sich MRH Trowe dazu verpflichtet, durch gezielte Projekte ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen. Denn Vorurteile – die so­genannten unconcious bias –, die viele Menschen unterschwellig mit sich tragen, sind ein wesentlicher Grund, warum sich Diversität nicht von allein umsetzt. Wir wollen – auch mit unserer Initiative Women@MRH Trowe – eine Organisationskultur leben, die von gegenseitigem Respekt und Wertschätzung geprägt ist.

Was braucht es, um dies auf allen Ebenen umzusetzen? Insbesondere bei Ihnen, wo mehrere Maklerhäuser aufeinandertreffen.

MG Bei der Integration neuer Unternehmen achten wir darauf, dass die Kulturen zusammenpassen. Ab einer gewissen Größe der Unternehmen ist ein Cultural Check Teil des M&A-Prozesses. Das heißt, wir schauen uns die Unternehmen und die Philosophie des Managements an, ob es mit unserer vereinbar ist. Wenn wir ein Maklerhaus bereits seit Langem kennen, ist das natürlich umso leichter. Was wichtig ist: Wir kaufen nicht aus rein ökonomischen Beweggründen.

Uns ist es vielmehr wichtig, dass wir in der MRH Trowe-Gruppe menschlich gut zusammenpassen. Denn unser Geschäft ist auf eine vertrauensvolle und loyale Zusammenarbeit sowohl intern unter den Teams als auch extern zu Versicherern und Mandanten angewiesen, um für Letztere die besten Lösungen gestalten zu können.

Frau Marx, Sie zeichnen bei MRH Trowe für Financial Lines verantwortlich. Ganz so viele Frauen dürfte man bisher in dem Bereich nicht antreffen. Spielt das für Sie eine Rolle?

Miriam Marx Dass eine Frau eine Business Line führt und kein Mann? Das spielt für mich keine Rolle. Ich denke, ich wurde für diese Rolle wegen meines beruflichen Hintergrunds besetzt. Ich war bereits bei der Zurich Global Corporate für die Produktentwicklung im Bereich Financial Lines verantwortlich. Für den GDV habe ich die Musterbedingungen für den Cyberschutz mitentwickelt. Bei MRH Trowe bringe ich diese Erfahrungen jetzt ein. Konkret, indem wir unsere Cyberstrategie neu aufgesetzt haben und hier mit einem professionellen Netzwerk aus Versicherungsexperten, IT-Spezialisten und Rechtsanwälten zusammenarbeiten, um unseren Mandanten den besten Versicherungsschutz anbieten zu können und auch im Worst Case eines Cyberangriffs mit einem eigenen MRH Trowe-Netzwerk beiseitezustehen.

Würden Sie sagen, Sie profitieren schon direkt von den getroffenen Maßnahmen?

MM Ich denke, zunächst einmal ist die Expertise entscheidend. Aber Frauen bekommen durch die Initiative Women@MRH Trowe verstärkt die Chance, ihr Wissen und Können zu beweisen. Sie werden sichtbarer, auch jene, die heute noch nicht im Fokus stehen. Um echte Diversität im Unternehmen zu leben, müssen wir die unterschiedlichen Fähigkeiten der Kolleginnen und Kollegen nutzen und fördern. Chancengleichheit ist ein unternehmensstrategisches Ziel bei MRH Trowe, das wir auch in unseren ESG-Kriterien verankern.

Sehen Sie auch, dass sich mehr Frauen, auch junge Frauen, für einen Beruf bei einem Makler­unternehmen und da auch im Vertrieb interessieren?

MM Generell ist es nicht so, dass Frauen in der Versicherungsbranche unterrepräsentiert sind. Sie sind nur an den exponierten Stellen des Vertriebs noch zu wenig sichtbar. Das liegt auch daran, dass hier nach wie vor männliche Strukturen herrschen, die Frauen nicht ohne Weiteres aufbrechen können und auch nicht wollen. Es ist deshalb wichtig, mit gemischten Teams zu agieren und sich klar zum Commitment, voneinander lernen zu wollen, zu bekennen. Wir wollen das Beste für die Mandanten erreichen mit dem Bewusstsein, dass wir eventuelle gegenseitige Vorurteile beiseitelegen.

Herr Gerhardt, wie weit sind Sie denn hier schon? Gibt es konkrete Beispiele über die Absichtserklärung hinaus?

MG Absichtserklärungen sind Luftschlösser, wenn keine konkreten Maßnahmen darauf folgen. Auch eine Initiative wie Women@MRH Trowe wird nichts erreichen, wenn wir nur darüber reden. Wer MRH Trowe kennt, der weiß, dass unsere Maßnahmen einem klaren strategischen Ansatz folgen. Das beginnt bei den M&A-Aktivitäten, geht über unsere Integrationsprozesse bis hin zur Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter.

Wir haben zahlreiche Frauen im Unternehmen mit langjährigen Erfahrungen im Vertrieb, die Inhaberinnen und Geschäftsführerinnen ihres eigenen Maklerhauses waren und nun in einem großen Team ihre Managementqualitäten einbringen. Sie sind es, die unsere Unternehmenskultur mitgestalten. MRH Trowe ist weitaus mehr als fünf Herren in Anzügen, die als Inhaber den Vorstand bilden.

MRH Trowe hat in den letzten Jahren kräftig zugekauft. Zu Ihrer Buy-­and-Build-Strategie gehört auch, dass Sie den Inhabern und Inhaber­innen der akquirierten Unternehmen Zukunftsmöglichkeiten aufzeigen wollen. Spielt der Diversitätsansatz hier auch eine Rolle?

MG Diversität heißt für uns Chancengleichheit schaffen. Geschlechterunabhängig, altersneutral und auch unabhängig von der Herkunft. Das haben wir in unseren Leitlinien festgelegt. Praktisch heißt das, dass eine ehemalige Geschäftsführerin eines mittelständischen Maklerhauses heute ihre Erfahrungen in die Gruppe einbringt, ihr Team mit den neuen Möglichkeiten, die sich hinsichtlich der umfassenden Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten bieten, fördert und auch selbst, O fachlich wie auf Managementseite, weiterwachsen kann. Diese Zukunftschancen sind gerade für junge Unternehmerinnen und Unternehmer ein Grund, sich für MRH Trowe zu entscheiden.

Stichwort New Work: Haben Sie hierfür schon die passenden Lösungen gefunden?

MG Wir machen seit 2019 sehr gute Erfahrungen mit dem Mobile Working in Verbindung mit einem Modell der Vertrauensarbeitszeit. Unsere Mitarbeitenden sind flexibel darin, wo und wann die vertragliche Arbeitszeit erfüllt wird. Für uns stehen die Ergebnisse im Mittelpunkt. Unsere Mitarbeitenden können in Absprache mit dem Team ihre Arbeitstage und -zeiten flexibel gestalten.

Frau Marx, welche Erwartungen haben Sie an die neue Arbeitswelt?

MM Mir kommt die flexible Arbeitszeitgestaltung natürlich auch persönlich entgegen. Bei MRH Trowe arbeiten wir ohnehin an verschiedenen Standorten bundesweit. Mein Arbeitsort ist in Köln und der Austausch mit Kollegen ist oftmals digital. Aber es gehört auch eine gewisse Selbstdisziplin dazu. Ich habe Kollegen, denen ist das klassische Modell der Präsenz lieber und dann müssen sie das leben. Auch das ist Diversität.

Zum Schluss müssen wir Sie beide noch eines fragen: Wie halten Sie es mit der Ansprache? Verändern sich die Sprache und die Kommunikation? Und ganz konkret gefragt: Gendern Sie?

MG Ich bevorzuge die persönliche Ansprache, sofern das möglich ist. Aber ja, Sprache verändert sich und Gendern ist Teil einer gleich­berechtigten Ansprache der Geschlechter. Wie mit so vielen Dingen im Leben darf man es jedoch nicht übertreiben.

MM Ich sehe das ähnlich. Allerdings fühle ich mich als Frau nicht diskriminiert, wenn man in einer Unterhaltung das neutrale Wort „Kollegen“ verwendet und nicht gendert. Wichtig ist doch, dass Frauen wie Männer die gleichen Chancen bekommen und befähigt werden, sich einzubringen. Gleichberechtigung muss im Alltag stattfinden, nicht allein in der Sprache.

Über Women@MRH Trowe

Die Initiative Women@MRH Trowe steht für Chancengleichheit und Vielfalt als Maßstab für ein modernes und erfolgreiches Unternehmen. Die Hälfte der Mitarbeitenden bei MRH Trowe ist weiblich und einige von ihnen sind bereits in Leadership. Die Plattform soll den Frauen in der MRH Trowe-Gruppe die Möglichkeit bieten, sich noch stärker zu vernetzen, sich über Herausforderungen auszutauschen und Karrierechancen konsequenter anzugehen. Motto dabei: Nur wenn man als Arbeitgeber weiß, welche Rahmenbedingungen und Prozesse angepasst werden müssen, um verantwortliche Funktionen für Frauen attraktiv zu machen, kann man den Wandel vorantreiben.

Über Miriam Marx

Seit 2018 ist die gelernte Rechts­anwältin Miriam Marx für MRH Trowe tätig und leitet seit 2022 den Bereich Financial Lines am Standort Köln. Zuvor war sie fünf Jahre bei der Zurich Global Corporate für Produktentwicklung Financial Lines verantwortlich. Für den GDV hat sie die Musterbedingungen Cyber für den deutschen Versicherungsmarkt mitentwickelt. Auf diesen Erfahrungen baut Miriam Marx jetzt bei der Weiterentwicklung der Cyberstrategie von MRH Trowe auf.

Über Marco Gerhardt

Im Anschluss an seine Ausbildung zum Versicherungskaufmann im Jahr 1993 studierte Marco Gerhardt Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Versicherungen in Berlin und Mannheim. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums im Jahr 1998 war Gerhardt für die R+V Versicherung AG im Firmenkundengeschäft tätig. Danach war er als Unternehmensberater bei der KPMG Consulting AG tätig und leitete Projekte in der deutschen Versicherungsbranche. Weitere Erfahrungen sammelte er als Verantwortlicher für das Vertriebscontrolling und die Vertriebsentwicklung bei der Hamburg-Mannheimer Versicherungs AG. 2008 wurde er Partner bei EY Innovalue und war für strategische Projekte bei führenden Versicherern und Makler­unternehmen verantwortlich. Dabei fokussierte er sich auf Digitalisierungsstrategien, Transaktionsbegleitung/M&A sowie die Optimierung von Prozessen und Strukturen. Seit Januar 2020 erweitert er das Vorstandsteam Mesterheide Rockel Hirz Trowe AG Holding.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 08/2022, S. 80 f., und in unserem ePaper.

Bild: Marco Gerhardt und Miriam Marx, MRH Trowe

 
Ein Interview mit
Marco Gerhardt
Miriam Marx