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16. Februar 2024
„Wichtig, die Schadenprävention kontinuierlich voranzutreiben“

„Wichtig, die Schadenprävention kontinuierlich voranzutreiben“

FM Global konzentriert sich auf die gewerbliche und industrielle Sachversicherung und setzt auf langfristige Kundenbeziehungen. Diese basieren auch auf der Resilienzstärkung der Unternehmenskunden. Die Positionierung in Deutschland soll in Zusammenarbeit mit Maklern stetig erweitert werden.

Interview mit Hannah Witzel, Hauptbevollmächtigte für das Deutschlandgeschäft von FM Global
Frau Witzel, die Industriesachversicherung war zuletzt ein schwieriges Geschäft. Wie schneidet FM Global aktuell bzw. rückblickend auf 2023 ab?

2023 war ein erfolgreiches Jahr für FM Global, sowohl weltweit als auch lokal in Deutschland. Wir sind mit der Entwicklung der Schadenkostenquote über die letzten Jahre sehr zufrieden. 2023 blieben signifikante Naturgefahren sowie auch sogenannte Risk Losses, zum Beispiel Feuerschaden, bei unseren Kunden weitest­gehend aus beziehungsweise unter den erwarteten Pro­gnosen. Ein bisschen Glück gehört zu diesem Ergebnis auch immer dazu. Dennoch bekräftigen uns diese Entwicklung und das Ergebnis 2023 in unserer Annahme, dass sich enge vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Schadenprävention auszahlt und in der Tat die Mehrzahl der Schäden vermeidbar ist. Wir wissen auch, wie volatil das Geschäft der Industriesachversicherung sein kann. Deshalb ist es wichtig, die Schadenprävention kontinuierlich und nachhaltig voranzutreiben – unabhängig von erfolgreichen Jahren und gemeinsam mit unseren Kunden –, um die Resilienz unserer Partner gegenüber möglichen Schäden zu stärken.

Hat Sie die Inflation auf Schadenseite stark getroffen?

Die Auswirkungen sind auf jeden Fall spürbar. Teilweise fehlte es auch aufgrund von Lieferproblemen an Materialien und es herrschen Handwerker- und Fachkräftemangel. Dadurch wird die Beseitigung von Schäden nicht nur teurer, sondern dauert auch länger – für uns ein Argument, das ganz klar für Prävention spricht.

Aufgrund Ihrer Geschäftsausrichtung pflegen Sie lange Partnerschaften mit Ihren Firmenkunden. Wie zeigt sich dies in den Renewals, die in den vergangenen Jahren hart geführt wurden?

Wir setzen auf engen Austausch und suchen den stetigen Dialog mit den zuständigen Versicherungsmaklern und unseren Kunden. Die Vermeidung von Überraschungen und ein frühzeitiger Austausch über die Erwartungshaltung sind aus meiner Sicht unabdingbar für die vertrauensvolle und erfolgreiche Zusammenarbeit, die wir mit unseren Kunden stets anstreben. Die Statistik zeigt, dass das Konzept der engen Zusammenarbeit in der Tat zu sehr langjährigen Geschäftsbeziehungen führt. So sind 67% aller Kunden seit mehr als zehn Jahren und 49% aller Kunden seit mehr als 20 Jahren in Partnerschaft mit uns.

Erklären Sie uns doch bitte noch mal kurz: Wie ist FM Global in Deutschland aufgestellt?

Eine Besonderheit der FM Global ist, dass wir typischerweise aus eigener Kraft sehr große Kapazitäten – bis hin zum 100%-Ansatz – stemmen können. Durch die Finanzkraft der FM Global sind wir auch in Deutschland sehr gut aufgestellt.

Die Zusammenarbeit mit Maklern ist für uns ein elementarer Bestandteil des Geschäfts, über sie laufen etwa zwei Drittel des Vertriebs gegenüber einem Drittel Direktvertrieb. Wir bieten auch spezielle Schulungen für Makler an, um unser Geschäftsmodell besser zu verstehen und Kunden optimal zu beraten.

Sie erteilen Ihren Kunden regelmäßig Resilienzgutschriften. Wie kommen diese zustande?

Die Resilienzgutschrift haben wir in den letzten beiden Jahren, also 2022 und 2023, ausgezahlt. Prinzipiell handelt es sich dabei um erwirtschaftete Überschüsse, die wir an unsere berechtigten Kunden zurückgeben. In unserem Geschäftsmodell als Mutual bzw. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit sind Kunden auch Eigentümer, und diese Mittel sollen ihnen zugutekommen. In ähnlicher Form schüttet FM Global bereits über etliche Jahre schon eine Mitgliedergutschrift aus. Die nun zweifach zusätzlich gewährte Resilienzgutschrift wurde mit besonderem Blick auf die Unterstützung bei Investitionen in Klimaresilienz ins Leben gerufen und von unseren Kunden sehr geschätzt.

Guten Versicherungsschutz gibt es dann nur noch mit guter Prävention?

Ich würde eher sagen, wer gute Prävention betreibt, bekommt in der Regel einfacher besseren Versicherungsschutz, da die erwartbaren Schadenkosten sinken. Nun steht es aber natürlich jedem Unternehmen frei, wie es seine Investitionen priorisieren möchte. Man kann höhere Prämien – falls verfügbar – für mehr Kapazität zahlen, auf höhere Selbstbehalte setzen oder eben in Prävention investieren. Für uns bei FM Global ist Letzteres der bevorzugte Weg, da wir glauben, dass die Mehrzahl aller Schäden vermeidbar ist.

Nun stehen deutschen Unternehmen mit Klimawandel, geopolitischen Verwerfungen und Lieferkettenengpässen große Herausforderungen bevor. Wie verändern sich damit Ihre Anforderungen an das Risikomanagement der Unternehmen?

Wir sehen hier nicht nur eine quantitative Ausweitung von Risiken, sondern auch neue Qualitäten. Kommt es beispielsweise aufgrund von Naturkatastrophen zu Produktionsausfällen oder gestörten Lieferketten, kann das Schäden nach sich ziehen, die weit über materielle Verluste hinausgehen. Hier müssen wir etwa an langfristigen Kundenverlust durch Lieferprobleme denken. Solche Schäden sind in ihren Auswirkungen kaum kalkulierbar und Versicherer können derartige Risiken nicht zu marktverträglichen Bedingungen zeichnen, was bedeutet, dass die Versicherbarkeit infrage steht. Prävention ist hier also umso mehr entscheidend. Lieferbeziehungen müssen transparent gemacht werden, um Alternativen zu suchen, falls es zu Störungen kommt. Zudem sollten Produktionsstandorte in gefährdeten Lagen abgesichert werden – beispielsweise durch bauliche Maßnahmen in Überschwemmungsgebieten. Prinzipiell müssen Verantwortliche immer mehr Parameter in ihr Risikomanagement einbeziehen.

Mit welchen Mitteln unterstützen Sie dabei?

FM Global kann Kunden auf verschiedene Wege unterstützen. Zum einen wäre unser Resilience Index zu nennen, ein Tool, das Unternehmen dabei hilft, die Geschäftsumgebungen von fast 130 Ländern in Bezug auf ihre Resilienz besser zu verstehen. Im diesjährigen Ranking erreicht Deutschland dabei den 4. Platz. Mittel­europa ist in der Wertung insgesamt sehr gut aufgestellt.

Außerdem verfolgt FM Global einen sogenannten Engineering-Ansatz. Das bedeutet, dass wir eigene Forschungen betreiben und beispielsweise Hochwasserbarrieren oder Sprinkleranlagen in eigenen Laboren testen. Darauf basierend können unsere Field Engineers, die viele Kundenstandorte individuell analysieren, fundierte Empfehlungen zu wirkungsvollen Präventionsmaßnahmen geben. Derzeit sind wir auch mobil unterwegs mit unserem Resilienz-Truck, der Schadenprävention quasi auf den Hof der Kunden fährt.

Mit dem Einsatz von KI kommt die nächste Transformation in die Unternehmen. Welche Rolle wird das beim Versicherungsschutz spielen?

Was wir bereits heute sehen, ist, dass KI-Tools genutzt werden, um die Bearbeitung von Schadenmeldungen zu automatisieren und zu beschleunigen. Zukünftig werden die Analysekapazitäten von KI-Modellen sicherlich auch immer mehr zur Verbesserung von Prognosen genutzt werden.

Seit etwa einem Jahr leiten Sie das Deutschlandgeschäft von FM Global. Was planen Sie mit Blick nach vorne?

Wir wollen die Beziehungen zu Bestandskunden aufrechterhalten und weiter stärken und neue Kunden gewinnen, um unsere Präsenz im deutschen Markt insgesamt und nachhaltig zu erweitern. Für FM Global als Unternehmen liegt mir besonders die Förderung von Diversität und die Unterstützung von talentiertem Nachwuchs am Herzen.

Sie sind auch eine der Preisträgerinnen des „Women to Watch“-­Programms von Business Insurance. Spielt es für Sie eine Rolle, als eine der immer noch wenigen Frauen im Industriegeschäft tätig zu sein?

Solche Programme wie zum Beispiel „Fidi“ in Deutschland sind auf jeden Fall ein sehr guter Weg, um Sichtbarkeit zu erzeugen und eine Plattform für den Austausch zu schaffen. Einen ähnlichen Weg gehen wir auch intern, indem wir beispielsweise selbst Networking-Events organisieren. Dabei geht es nicht ausschließlich um die Förderung von Frauen: Wir wollen junge Menschen gleich welchen Geschlechts oder welcher Herkunft für eine Karriere in unserer Branche gewinnen, um diese breiter aufzustellen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2024 und in unserem ePaper.

Bild: © Hannah Witzel, FM Global

 
Ein Interview mit
Hannah Witzel