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29. Januar 2021
Willkommen in der War Street

Willkommen in der War Street

Gamestop war bis vor wenigen Tagen vor allem Zockern ein Begriff. Dann wurde der Spielehändler aber auch zu einem riesigen Börsenzock, der nun sogar in einem spektakulären Kleinkrieg ausgeartet ist. Das nur als skurrile Episode der Börsengeschichte abzutun, greift zu kurz. Ein Kommentar von AssCompact-Redakteur Michael Herrmann.

Die Wall Street ist das Wahrzeichen der Finanzmärkte. Aktuell gleicht sie aber eher einer War Street. An der Börse ist ein spektakulärer Kleinkrieg ausgebrochen. Auf der einen Seite klassische Vertreter in Form von Hedgefonds. Auf der anderen Seite ein Newcomer: Computer-Nerds, versammelt in Online-Foren wie Reddit. Dort haben sie sich vereinigt, um in die Schlacht gegen die Anlageprofis zu ziehen. Auslöser sind massive Leerverkäufe von Hedgefonds auf die Aktie des Spielehändlers Gamestop. Am Markt gab es zeitweise mehr Leerverkäufe als Aktien des kriselnden US-Konzerns. Lange schien das ein sicheres Geschäft. Die Kurse der Aktie fielen und fielen und fielen. Doch wie im berühmten gallischen Dorf kam plötzlich Widerstand auf. Ein Online-Community-David sagte dem Hedgefonds-Goliath den Kampf an.

Und wie bei der biblischen Vorlage gelang es dem kleinen David den goliathschen Riesen in die Knie zu zwingen. Die Short-Spekulanten hatten die Rechnung ohne die Gegenwehr einer Gaming-Community gemacht. Die Nerds deckten sich konzertiert mit Aktien ein und sorgten so dafür, dass sich die sogenannten Shorties teuer mit Aktien eindecken mussten. Einzelnen Fonds kostete dieser rebellische Akt mehrere Milliarden Dollar. Der Kampf David gegen Goliath nahm sogar so skurrile Züge an, dass Neobroker wie Trade Republic plötzlich den Kauf von Aktien wie Gamestop verboten haben – und damit gerade die Broker, die bei den Nerds besonders beliebt sind.

All das klingt nach einem skurrilen Streifen aus Hollywood, spielt sich dieser Tage aber tatsächlich so ab – und das Ende ist noch immer offen. Fortsetzungen dürften zudem Folgen. Die Gamestop-Saga zeigt, dass auch die Finanzmärkte nicht mehr vor der neuen Macht der digitalen Schwärme gefeit sind. Statt die jungen Kellerkinder vor ihren Bildschirmen zu belächeln, müssen sie ernst genommen werden. Respekt statt Arroganz. Dann könnte Gamestop der Auftakt für eine neue Aktiengeneration sein. Eine Generation, die wir gerade in Deutschland dringend brauchen. Denn fernab von solchen Zockereien, sind Aktien nach wie vor eine der besten Formen der Altersvorsorge – egal ob als Direktinvestment oder auch in Form von Fonds oder Versicherungsprodukten.

Bild: © Ascannio – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Michael Herrmann