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22. Oktober 2021
Kündigung des Agenturvertrags wegen Steuerhinterziehung?

Kündigung des Agenturvertrags wegen Steuerhinterziehung?

Berechtigt die strafrechtliche Verurteilung eines Versicherungsvertreters wegen Steuerhinterziehung den Versicherer zur außerordentlichen Kündigung des Agenturvertrages? Das OLG Köln hat dazu einen Beschluss gefasst, den Rechtsanwalt Jens Reichow kommentiert.

Das OLG Köln hatte sich mit Beschluss vom 01.03.2021 (Az.: 19 U 148/20) mit der Frage zu befassen, ob die strafrechtliche Verurteilung eines Versicherungsvertreters wegen Steuerhinterziehung den Versicherer zur außerordentlichen Kündigung des Agenturvertrages berechtigt.

In dem zu entscheidenden Verfahren war der Versicherungsvertreter wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Nachdem der Versicherer von der Verurteilung Kenntnis erlangt hatte, kündigte er den Agenturvertrag. Der Versicherungsvertreter kündigte daraufhin seinerseits das Agenturverhältnis und machte einen Ausgleichsanspruch geltend. Der Versicherer wies diese Forderung zurück. Es kam sodann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung.

Versicherer muss Ausgleich zahlen

Das OLG Köln bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des LG Köln, wonach der Versicherer verurteilt wurde, einen gewissen Ausgleich zu zahlen. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung stellte nach Ansicht der Richter keinen wichtigen Kündigungsgrund dar. Begründet wurde dies mit dem Umstand, dass der Versicherer von der Straftat nicht unmittelbar betroffen sei. Eine mittelbare Ausstrahlungswirkung reichte nach Ansicht des OLG Köln jedoch nicht aus, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Folglich war die Kündigung des Versicherers unberechtigt und dem Versicherungsvertreter stand ein Ausgleichsanspruch zu.

Die Entscheidung zeigt, dass also nicht jedes Fehlverhalten den Versicherer zur Kündigung des Agenturvertrages berechtigt. Auch bei schweren Verstößen des Versicherungsvertreters, wie zum Beispiel Straftaten, kann es sich lohnen, einen genauen Blick auf die Umstände des Einzelfalles zu werfen. Die Umstände des Einzelfalles können im Rahmen der Interessenabwägung von erheblicher Bedeutung sein und dazu führen, dass erklärte Kündigungen unwirksam sind und dem Versicherungsvertreter weiterführende Ansprüche zustehen.

Über den Autor

Jens Reichow ist Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow. Die Kanzlei hat sich unter anderem auf den Bereich Handelsvertreterrecht spezialisiert. Weiterführende Informationen finden Sie auch unter Der Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters

Bild oben: © fovito – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jens Reichow