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9. August 2022
Nachhaltigkeitsstandards – Das Bürokratiemonster aus Brüssel?

Nachhaltigkeitsstandards – Das Bürokratiemonster aus Brüssel?

Europa möchte zum Vorreiter beim Thema nachhaltiges Investieren werden. Doch nach Ansicht des DIA besteht die Gefahr, dass sich die europäischen Nachhaltigkeitsstandards zum Bürokratiemonster entwickeln. Die Interessenvertretung stellt deshalb konkrete Forderungen auf.

Das Deutsche Aktieninstitut (DIA) fordert, die europäischen Nachhaltigkeitsstandards schlanker und praxisorientierter aufzustellen. Das geht aus einer Stellungnahme der Interessenvertretung deutscher börsennotierter Unternehmen anlässlich der Konsultation zu dem Vorhaben hervor.

Doppelberichterstattung muss vermieden werden

Das DIA meint auch, dass es der Konvergenz mit den Nachhaltigkeitsstandards des International Sustainability Standards Boards (ISSB) bedürfe, um eine Doppelberichterstattung für europäische Unternehmen zu vermeiden.

DIA erachtet Standards als zu komplex

„Wir unterstützen die Standardisierung der Nachhaltigkeitsberichterstattung“, sagt Dr. Christine Bortenlänger, geschäftsführende Vorständin des DIA. „Die Standards sollen den Unternehmen helfen, relevante, richtige, vergleichbare und überprüfbare Nachhaltigkeitsinformationen zu veröffentlichen. Die Standardentwürfe, die der europäische Standardsetter European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) vorgelegt hat, werden diesem Anspruch nicht gerecht. Das Regelwerk ist zu komplex, zu detailliert und zu wenig praxisbezogen. Den Unternehmen drohen dadurch Bürokratielasten, denen in vielen Fällen kein angemessener Mehrwert gegenübersteht.“

Die wichtigsten Forderungen des DIA im Einzelnen lauten:

1. Konvergenz mit internationalen Standards

Die europäischen Standards müssten enger mit renommierten internationalen Nachhaltigkeitsstandards, insbesondere denen des ISSB, verzahnt werden, um aufwendige Doppelberichterstattung zu vermeiden.

2. Weniger ist mehr

Die Standards müssten des Weiteren schlank und praxistauglich sein. In einem ersten Schritt sollten die Unternehmen nur verpflichtet werden, einige wenige relevante Informationen zu den jeweiligen Standards zu veröffentlichen. Das gelte insbesondere für die Standards, bei denen Kennzahlen und Messwerte noch nicht ausgereift seien, wie beispielsweise bei den Themen Biodiversität und Umweltverschmutzung.

3. Mehr Zeit für die Umsetzung

Die EU-Kommission müsse der EFRAG außerdem mehr Zeit zur Auswertung der Antworten auf die Konsultation einräumen, damit sie das Feedback auswerten und die Standards praxisorientierter aufstellen könne.

Und auch der Wirtschaft solle ausreichend Zeit zur praktischen Umsetzung der Berichtsvorgaben gegeben werden. Daran fehle es bislang, da die EU-Kommission die Berichtsstandards voraussichtlich erst im Juni 2023 annehmen werde, die Unternehmen jedoch bereits für das Kalenderjahr 2024 berichten müssten. Die Neuaufstellung und Anpassung komplexer Berichts- und IT-Systeme benötige jedoch ausreichend Zeit, damit die Qualität der Nachhaltigkeitsberichterstattung auch den Erwartungen entsprechen könne.

Hintergrund

Die EFRAG hatte im Mai 2021 von der EU-Kommissarin Mairead McGuinness den Auftrag erhalten, Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auszuarbeiten. Sie hat die Entwürfe der 13 Standards und 137 Veröffentlichungspflichten nach knapp einem Jahr Bearbeitungszeit Ende April 2022 zur Konsultation gestellt. Den Stakeholdern standen bei einer verkürzten Konsultationsfrist 100 Tage zur Verfügung, um rund 400 Seiten Standards und 200 Seiten Umfrage zu sichten und zu beantworten.

Erst Ende Juni haben sich Europäisches Parlament, Rat und EU-Kommission auf eine finale Fassung der Corporate Sustainability Reporting Directive geeinigt. Die Richtlinie, die noch nicht in Kraft ist, ist die rechtliche Grundlage auf der die EFRAG die Standards erstellt. Die Nachhaltigkeitsstandards, die zur Konsultation standen, müssen noch an die letzten Änderungen der Richtlinie angepasst werden. Die EFRAG hat insgesamt drei Monate Zeit, die Antworten auszuwerten und die Standards anzupassen. Das DIA geht davon aus, dass es mehr als 1.000 Rückmeldungen auf die Konsultation geben wird. (tku)

Bild: © MYKHAILO – stock.adobe.com