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11. Januar 2023
Muss eine dienstliche SMS in der Freizeit gelesen werden?

Muss eine dienstliche SMS in der Freizeit gelesen werden?

Auch Vorgesetzte bevorzugen zunehmend die Mitteilung dienstlicher Belange per SMS. Doch was gilt, wenn der Beschäftigte die dienstliche SMS während seiner Freizeit erhält? Muss die Mitteilung des Chefs auch dann gelesen werden?

Eine steigende Anzahl von Vorgesetzten kommuniziert dienstliche Angelegenheiten mittlerweile mit den Beschäftigten auch durch SMS in den bekannten Instant-Messaging-Diensten. Wenig überraschend daher, dass so manchem Beschäftigen eine dienstliche Mitteilung während der Freizeit erreicht und nicht während der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Doch müssen SMS des Vorgesetzten vom Arbeitnehmer in der Freizeit überhaupt gelesen werden? Mit dieser Rechtsfrage hat sich das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG) beschäftigt.

Notfallsanitäter las in seiner Freizeit keine dienstliche SMS

Im vorliegenden Sachverhalt ging es um die Frage, ob ein Notfallsanitäter in seiner Freizeit auf eine kurzfristige Dienstplanänderung für den Folgetag reagieren musste. Der Notfallsanitäter war in zwei solcher Fälle weder telefonisch noch per SMS und in einem Fall auch per E-Mail nicht zu erreichen gewesen und meldete sich jeweils wie ursprünglich geplant zu seinen Diensten. Daraufhin wertete der Arbeitgeber das Verhalten seines Angestellten als unentschuldigtes Fehlen und erteilte ihm zunächst eine Ermahnung und dann sogar eine Abmahnung. Der Notfallsanitäter klagte vor dem Arbeitsgericht und unterlag. Er legte Berufung gegen die Entscheidung ein.

Recht auf Nichterreichbarkeit ist schützenswert

Und das LAG entschied anders als die Vorinstanz zugunsten des Klägers. Nach Auffassung der Richter musste der Arbeitgeber damit rechnen, dass der Kläger die ihm geschickte SMS erst mit Beginn seines Dienstes zur Kenntnis nahm. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kläger auch verpflichtet, seiner Arbeit nachzugehen. Dazu gehöre auch, die in seiner Freizeit bei ihm eingegangenen dienstlichen Nachrichten des Arbeitgebers zu lesen. Im vorliegenden Sachverhalt habe sich der Kläger aber keineswegs gesetzeswidrig verhalten, urteilte das LAG. Denn das Recht auf Nichterreichbarkeit diene neben dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers dem Persönlichkeitsschutz. „Es gehört zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, dass ein Mensch selbst entscheidet, für wen er/sie in dieser Zeit erreichbar sein will oder nicht“, schrieben die Richter in die Urteilsbegründung. Eine SMS vom Chef muss in der Freizeit also nicht gelesen werden. (as)

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.09.2022 – Az. 1 Sa 39 öD/22

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