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3. März 2023
Nachfolgeplanung mit nicht digitalisierten Kundenakten

Nachfolgeplanung mit nicht digitalisierten Kundenakten

Beratungsprotokolle, Antragskopien, Schadenprotokolle finden sich bei vielen Bestandsverkäufern in Papierform. Rechtfertigen solche nicht digitalisierten Papierakten dann einen Preisabschlag? Oder sind andere Kriterien vielleicht viel entscheidender? Antworten weiß Andreas Grimm.

Ein Artikel von Andreas Grimm

Bei mehr als der Hälfte der Bestandsverkäufer stoßen wir auf Papierakten: Beratungsprotokolle, Antragskopien, Schadenprotokolle – alle säuberlich abgelegt im Hängeregister oder im Ringordner. Mal als Loseblattsammlung, manchmal aber auch per Klammeraffe „unscanbar“ verbunden. Ein solcher „Befund“ schreckt viele Nachfolger ab, manche drohen mit Kaufpreisreduzierung.

Rechtfertigen Papierakten tatsächlich einen Preisabschlag? Um es gleich vorweg zu sagen: Die goldene Regel gibt es auch im Falle der Papierakten nicht.

Akten digital oder in Papierform

In den meisten Fällen passiert nach der Übergabe dasselbe – gleich ob die Akten digital oder in Papierform vorliegen: Sie werden nie wieder angeguckt. Es sei denn, ein Kunde verklagt das Unternehmen. Ob die Akte aus dem Keller geholt werden muss oder aus einem System, ist wegen der wenigen Fälle wirtschaftlich irrelevant. In vielen Fällen sind die Papierakten sogar praktischer, weil aus vielen Systemen gar nicht alle Dokumentationen exportiert werden können. In diesen Fällen müsste der Übernehmende das Altsystem über Jahre weiterbetreiben, nur um möglicherweise irgendwann an die Unterlagen zu gelangen. Da sind drei Meter Akten im Kellerregal vermutlich praktikabler.

In der Tat ziehen sich erfahrene Bestandskäufer die Kunden- und Vertragsdaten meist nicht vom Altmakler, sondern über Schnittstellen von den Produktgebern und Pools. Das geht schneller. Schnittstellen entwickeln oder Akten scannen? In vielen Fällen viel zu teuer. Altakten prüfen diese Käufer höchstens während der Due-Diligence-Phase, um die Qualität der Dokumentationen, die Beratungsqualität des Altmaklers und die Risiken im Bestand abschätzen zu können.

Aber natürlich gibt es Käufer, die die Kundenhistorie für ihre Kundenbetreuung und Beratung nutzen. Sie arbeiten sich Kunde für Kunde anhand der Altakten durch den Bestand. Ob die Akten digital oder in Papierform vorliegen, ist im Zweifel dann nicht ganz so wichtig. Digital ist meist praktischer. Aber wesentlich ist doch, ob die Akten leicht zu finden, vollständig und aussagekräftig sind.

Digitale Strategen

Einzig die „digitalen Strategen“ sind eine Käufergruppe, die tatsächlich auf einen voll digitalisierten Bestand angewiesen sind. Sie arbeiten mit einer Kundendatenbank, in der alle Daten – also auch die Inhalte der Beratungsprotokolle und die Kontakthistorie – strukturiert auswertbar sind. Teile der Kunden­betreuung laufen oft sogar automatisiert oder dezentral ab. Liegen die Daten des Seniormaklers nicht digitalisiert vor oder sind die Systeme nicht kompatibel, entstehen schnell erhebliche Digitalisierungs- oder Importkosten – der erzielbare Kaufpreis für den Bestand sinkt dadurch drastisch.

Der Digitalisierungsgrad liefert also nur bei der letztgenannten Gruppe wirkliche Gründe zur Reduzierung des Kaufpreises. Entscheidender sind immer noch die Attraktivität des Kundenbestands und der Marktzugänge für den Käufer und die Wirtschaftlichkeit des zu übernehmenden Unternehmens – bei der Wirtschaftlichkeit wirkt der Digitalisierungsgrad allerdings dann doch wieder mit.

Erfahrene Bestandskäufer ziehen sich die Kunden- und Vertragsdaten meist nicht vom Altmakler, sondern über Schnittstellen von den Produktgebern und Pools.

Über den Autor

Andreas W. Grimm ist Gründer des Resultate Institut und beleuchtet an dieser Stelle regelmäßig Aspekte zur Nachfolgeplanung. Gemeinsam mit AssCompact hat er den Bestandsmarktplatz initiiert.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 112, und in unserem ePaper.

Bild: © Friedberg– stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Andreas Grimm