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7. August 2023
Muss der Versicherte auch ungefragte Angaben im BU-Antrag machen?

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Muss der Versicherte auch ungefragte Angaben im BU-Antrag machen?

Rechtsstreitigkeiten mit BU-Versicherern kommen häufig vor. Ein Grund dafür kann die Verletzung einer spontanen Anzeigenobliegenheit durch den Versicherten sein. Rechtsexperte Björn Jöhnke erklärt in seiner regelmäßig erscheinenden BU-Kolumne, was die Konsequenzen für Versicherungsnehmer sein können.

Ein Artikel von Björn Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Versicherte müssen die vom Versicherer bei Antragstellung gestellten Gesundheitsfragen wahrheitsgemäß und vollständig beantworten, ansonsten kann der Versicherer den Versicherungsvertrag gegebenenfalls anfechten, den Rücktritt vom Vertrag erklären oder diesen kündigen bzw. ggf. anpassen. Doch was ist, wenn der Versicherte Umstände verschweigt, nach denen in den Gesundheitsfragen – beispielsweise im BU-Antrag – gerade nicht gefragt wurde? Trifft den Versicherten eine sogenannte „spontane Anzeigeobliegenheit“? Ob es eine solche überhaupt geben kann und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, ist Gegenstand dieses Beitrags.

Die Problematik der spontanen Anzeigeobliegenheit

Rechtsprechung und Literatur sind sich nicht ganz einig in der Frage, ob es für die Figur der spontanen Anzeigeobliegenheit im Versicherungsrecht überhaupt Raum gibt. Denn grundsätzlich ordnet § 19 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an, dass der Versicherte ausschließlich diejenigen Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß beantworten muss, welche dieser in Textform gestellt hat. Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber die § 16 ff. VVG alte Form abschaffte, welche dem Versicherten eine Anzeigepflicht jedweder gefahrerheblichen Umstände aufbürdete.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergebe sich aus der Offenbarungspflicht aus § 22 VVG i.V.m. §§ 123, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im „Anfechtungsrecht“. Einige Meinungen lehnen eine derartige Anzeigepflicht abseits des Anfechtungsrechtes ab. Jedoch wollen einige Meinungen eine spontane Anzeigeobliegenheit unter engen Voraussetzungen auch darüber hinaus anerkennen.

Danach bestehe grundsätzlich erstmal keine Pflicht des Versicherten dazu, Erklärungen an den Versicherer auch unaufgefordert abzugeben. Ausnahmsweise könne den Versicherten dennoch in besonders gelagerten und sparsam anzuwendenden Ausnahmefällen eine spontane Anzeigeobliegenheit gegenüber dem Versicherer treffen.

Vorliegen außergewöhnlicher Umstände

Da es sich bei der spontanen Anzeigeobliegenheit um eine Ausnahme der ausdrücklich angeordneten gesetzlichen Wertung handelt, müssen besondere Umstände vorliegen. Ein solcher liege nach dem LG Münster dann vor, wenn es sich um die Mitteilung außergewöhnlicher und besonders grundlegender Informationen handelt, die das Aufklärungsinteresse des Versicherers so grundlegend berühren, dass sich dem Versicherungsnehmer ihre Mitteilungsbedürftigkeit aufdrängen müsste. Sehe der Versicherte dabei den vom Versicherer gestellten Fragenkatalog berechtigterweise als abschließend an, könne dem Versicherten eine Verletzung dieser Obliegenheit jedoch nicht angelastet werden. Denn abgesehen von Umständen, die so fernliegend und für den Versicherer bei jeglicher Anstrengung nicht vorhersehbar seien, könne der Versicherte davon ausgehen, dass der Versicherer für ihn gefahrerhebliche Umstände erfrage.

In einem weiteren durch das LG Münster zu entscheidenden Fall, ging es um die Leistungen aus einer Pflegetagegeldversicherung bei Nichtangabe eines pränatal diagnostizierten hypoplastischen Linksherzsyndroms. Doch selbst in diesem Verfahren wurden derart außergewöhnliche Umstände durch das Gericht nicht angenommen. Der Versicherer habe ausdrücklich die Möglichkeit einer Nachversicherung von neugeborenen Kindern ohne Risikozuschlag vorgesehen. Auch Geburtsschäden sowie angeborene Krankheiten seien vom Versicherungsschutz mitumfasst. Weder beim Vertragsabschluss noch beim Antrag auf Nachversicherung habe der Versicherer Fragen zum Gesundheitszustand des Kindes gestellt. Diese Umstände dürfe der durchschnittliche Versicherungsnehmer dahingehend werten, dass für den Versicherten ein etwaiges pränatal diagnostiziertes hypoplastisches Linksherzsyndrom nicht von Bedeutung sei und somit keinen außergewöhnlichen Umstand darstelle.

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Seite 2 Mitteilungspflicht bei bekannten Diagnosen

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 08. August 2023 - 10:11

Demzufolge ist Haftungsfreiheit für Makler niemals möglich. Da es Unmengen von unterschiedlichen Klauseln der Versicherer gibt, schaffen selbst die allerbesten Berater die, um gründlich aufzuklären bestimmt 100 Stunden benötigten, da sind Honorarberater schon längst defizitär, 100% rechtssichere Aufklärung und Verkauf NIEMALS. 

Das Beispiel Altersversorgung, ganz besonders die BAV, die allesamt nach allen Kosten für Fonds-TER, FEES, Versicherungsmantel, Garantien und bei selbst moderater Inflation von 3% nur Verluste garantieren, trotzdem ungerührt massenweise verkauft werden, als gigantisches Damoklesschwert über der Branche, als Mahnung.

Das eine Innovation seit Jahren existiert, wird ignoriert. Aussitzen, wie alles in Deutschland und erst reagieren, wenn die Katastrophe-Tsunami/Hochwasser/Lawinenartig nicht mehr aufzuhalten ist?