Wird ein Testament vom Erblasser zerrissen, liegt darin ein rechtlich wirksamer Widerruf – auch wenn das Dokument danach weiter aufbewahrt wird. Das hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entschieden. Ein im zerrissenen Testament eingesetzter Begünstigter konnte sich nicht gegen einen Erbschein auf Grundlage der gesetzlichen Erbfolge durchsetzen.
Der Fall im Überblick
Der Erblasser war kinderlos mit seiner Ehefrau verheiratet. Nach seinem Tod erhielt sie – gemeinsam mit der Mutter des Erblassers – einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge. Zwei Monate später entdeckten die Beteiligten in einem Bankschließfach ein handschriftliches Testament, das einen Dritten als Alleinerben auswies. Dieses Testament war jedoch mittig zerrissen.
Das Nachlassgericht wertete das Zerreißen als Widerruf und sah keinen Anlass, den erteilten Erbschein einzuziehen. Die daraufhin eingelegte Beschwerde blieb auch vor dem OLG ohne Erfolg.
OLG: Widerrufsabsicht wird vermutet
Nach § 2255 BGB kann ein Testament durch Vernichtung widerrufen werden. Wird das Schriftstück durch den Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, zerrissen, gilt dies als Widerruf. Die gesetzliche Vermutung einer Widerrufsabsicht kann zwar widerlegt werden – dafür fehlten im konkreten Fall jedoch jegliche Anhaltspunkte.
Das Gericht stellte klar, dass die Trennung des Papiers nicht durch äußere Einflüsse erfolgt sein könne. Die ungleichmäßigen Ränder und die Lage im Schließfach sprächen für eine gezielte Handlung. Da ausschließlich der Erblasser Zugriff auf das Schließfach hatte und keine Hinweise auf Fremdeinwirkung vorlagen, sei davon auszugehen, dass er das Testament selbst zerrissen habe.
Aufbewahrung widerspricht dem Widerruf nicht
Auch die Tatsache, dass das zerrissene Testament im Schließfach belassen wurde, ändere nichts an der rechtlichen Bewertung. Warum der Erblasser es nicht entsorgt habe, sei zwar unklar, reiche aber nicht aus, um die gesetzliche Vermutung zu entkräften. Zudem zeige die Häufigkeit der Schließfachnutzung, dass dieses nicht nur der Testamentsaufbewahrung diente. (bh)
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.04.2025 – Az. 21 W 26/25
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