Im Juli 2021 richtete die Flutkatastrophe im Ahrtal schwere Zerstörungen an. Auch viele Fahrzeuge waren betroffen, unter anderem auch ein VW Grand California 680, der gemäß seiner Zulassung und Ausstattung als Campingfahrzeug genutzt wurde. Um die Frage der Versicherungsleistung für dieses Fahrzeug entspann sich ein Rechtsstreit zwischen dem Eigentümer und seinem Versicherer, insbesondere zur Einordnung des Fahrzeugs im Rahmen der Teilkasko, zur Neupreisentschädigung sowie zur Erstattungsfähigkeit von Bergungs- und Standkosten.
Versicherungsschutz und erste Regulierung nach dem Totalschaden
Für dieses Fahrzeug unterhielt der Eigentümer bei seinem Versicherer eine Vollkasko mit einer Selbstbeteiligung von 500 Euro und eine Teilkaskoversicherung ohne Selbstbeteiligung, jeweils zum Basistarif. Die Versicherungssumme beträgt 100 Mio. Euro je Schadensfall. Das Fahrzeug wurde im Versicherungsschein wie folgt bezeichnet: „Fahrzeugart: Campingfahrzeug“.
In der Nacht vom 14. auf den 15.07.2021 wurde das Fahrzeug vollständig zerstört. Die Bergung erfolgte durch ein Abschleppunternehmen unter Mithilfe des Technischen Hilfswerks; hierfür fielen 2.499 Euro brutto inklusive Standgebühren für 155 Tage an. Nach dem Schadensereignis setzte der Eigentümer den Neupreis eines vergleichbaren VW Grand California zum Zeitpunkt des Schadens auf 108.825,81 Euro fest.
Die Versicherer regulierte zunächst mit 53.361,64 Euro, was den Fahrzeugschaden abzüglich Restwert plus Aufwandsentschädigung für Flutopfer beinhaltete, später mit weiteren 12.335,08 Euro als Umsatzsteuerschaden.
Streit um Neupreisentschädigung und zusätzliche Kosten
Der Eigentümer machte geltend, Anspruch auf Neupreisentschädigung abzüglich Restwert zu haben. Er verwies darauf, dass sein Fahrzeug als „M1-Fahrzeug für die Personenbeförderung“ eingetragen und im Versicherungsschein korrekt als Campingfahrzeug bezeichnet sei. Zudem verlangte er die Erstattung von Abschlepp- und Standkosten, da sich die Regulierung über 140 Tage hingezogen habe. Insgesamt forderte er mit Klage vom 30.08.2024 weitere 27.393,09 Euro nebst Zinsen.
Der Versicherer hielt dem entgegen, dass die Neupreisentschädigung nur greife, wenn der Totalschaden innerhalb von sechs Monaten nach Erstzulassung eintrete, was hier nicht der Fall war. Außerdem sei sie ausschließlich für PKW vorgesehen, nicht für Campingfahrzeuge.
Daraufhin klagte der Eigentümer des Campingfahrzeugs gegen den Versicherer. Das Landgericht (LG) Itzehoe folgte jedoch der Argumentation des Versicherers und verneinte einen Anspruch auf die geforderte Differenzzahlung.
Kein Anspruch auf Neupreisentschädigung für das Campingfahrzeug
Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen ersetzt der Versicherer den Neupreis nur bei „PKW“, also bei sogenannten privilegierten Fahrzeugen. Das betroffene Fahrzeug war jedoch ein Campingfahrzeug und fällt damit nicht unter diese Regelung. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne, so das Gericht, nachvollziehen, dass PKW und Campingfahrzeug nicht gleichzusetzen sind, andernfalls gäbe es in den Bedingungen keine gesonderte Unterscheidung. Campingfahrzeuge und Wohnmobile dienen zudem überwiegend nicht der Personenbeförderung, sondern dem Wohnen und der Freizeitnutzung, weshalb sie im versicherungsrechtlichen Sinn kein PKW sind.
Das Gericht prüfte zudem den Zweck der Neupreis-Klausel: Sie soll Erstkäufer eines PKW vor dem besonders hohen Wertverlust in den ersten Monaten nach der Zulassung schützen. Während Neuwagen sofort erheblich an Wert verlieren, gilt dies für Campingfahrzeuge nicht. Im Gegenteil, sie haben sich in den vergangenen Jahren als wertstabil erwiesen und teilweise – etwa während der Corona-Pandemie – sogar über dem ursprünglichen Kaufpreis weiterverkauft. Ein vergleichbares Schutzbedürfnis bestehe deshalb nicht, sodass die Neupreis-Klausel auf Campingfahrzeuge nicht anwendbar ist.
Kein Ersatz für Abschlepp- und Standkosten
Auch die Forderung nach Erstattung von Abschlepp- und Standkosten blieb ohne Erfolg. Die Versicherungsbedingungen sehen Leistungen nur bei Beschädigungen vor, nicht jedoch bei einem Totalschaden.
Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus einer verspäteten Regulierung. Selbst wenn der Versicherer im Verzug gewesen wäre, liege kein ersatzfähiger Schaden vor, da eine bloße Nichtzahlung keine unmittelbare Einwirkung auf das Fahrzeug darstellt. Entscheidend sei, dass hier ein Totalschaden reguliert wurde. Der Eigentümer hätte das Fahrzeug nach der Bergung jederzeit selbst auslösen, unterbringen oder verwerten können. Es war seine Aufgabe, den Schaden möglichst gering zu halten. (bh)
LG Itzehoe, Urteil vom 17.01.2025 – Az: 3 O 285/24
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