Finanzielle Freiheit braucht Schutz vor Einkommensausfall. Der LV 1871 Financial Freedom Report 2025 macht deutlich: Eine Berufsunfähigkeit kann die finanzielle Unabhängigkeit schnell aushebeln. Wer seine finanzielle Freiheit stabilisieren will, muss das Risiko einer Berufsunfähigkeit in den Mittelpunkt der Finanzplanung rücken. Die nachfolgenden Ergebnisse begründen diese Einschätzung und zeigen, wo die Praxis ansetzen sollte.
Financial Freedom gewinnt an Gewicht
Finanzielle Unabhängigkeit zählt 2025 erstmals zu den drei wichtigsten Freiheitsdimensionen. 67,8% ordnen ihr einen hohen Stellenwert zu (2024: 59,6%). Selbstbestimmtes Handeln (81,4%) und freie Meinungsäußerung (80,9%) führen das Ranking weiterhin an. Finanzielle Sicherheit wird stärker als Schutzraum in unsicheren Zeiten verstanden. Bewegungs- und Reisefreiheit verlieren an Relevanz und gelten häufiger als Luxus.
Gleichzeitig sinkt die finanzielle Zufriedenheit auf den Tiefststand der letzten vier Jahre: 55% sind nicht zufrieden (40% unzufrieden, 15% sehr unzufrieden). Jüngere Altersgruppen bewerten ihre Lage besonders kritisch: 56% der 18- bis 29-Jährigen und 53,6% der 40- bis 49-Jährigen äußern Unzufriedenheit. Bei den über 65-Jährigen sind 62,9% zufrieden. Das Stimmungsbild spiegelt sich in den Emotionen: 52,5% empfinden beim Gedanken an die eigenen Finanzen negative Gefühle, nur 29,4% blicken positiv, 18,1% neutral.
Berufsunfähigkeit als reale Bedrohung – Absicherung bleibt die Ausnahme
Gesundheitsrisiken zählen zu den stärksten Belastungen für die finanzielle Unabhängigkeit. 53,2% sehen physische oder psychische Krankheiten als Gefahr. Berufsunfähigkeit steht mit 37,4% als zentrales Risiko im Fokus. In der Erwerbsbevölkerung ist die Sorge breit verankert: 45,3% der Arbeiter und 41,8% der Angestellten befürchten, dass eine Berufsunfähigkeit ihre finanzielle Unabhängigkeit bedrohen könnte. In der Altersgruppe 40 bis 49 Jahre gilt das für 51,7%.
Trotz dieser Wahrnehmung bleibt die Vorsorge schwach. Nur 25,5% können im Ernstfall auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung zurückgreifen. Die Alters- und Geschlechtsunterschiede sind markant: Bei den 18- bis 19-Jährigen liegt der Wert bei 30,7%, bei den 40- bis 49-Jährigen bei 37,5%. Frauen schätzen das BU-Risiko höher ein als Männer (43,5 gegenüber 30,7%). Gleichzeitig rechnen mehr Menschen damit, im Leben nicht berufsunfähig zu werden (45,2%) als umgekehrt (37,1%). Die Lücke zwischen Risikowahrnehmung und Deckungsgrad macht die Berufsunfähigkeit zur kritischen Sollbruchstelle der finanziellen Unabhängigkeit.
Überbrückungsfähigkeit und Erwartung an den Staat
Im Ernstfall verlassen sich viele auf kurzfristige Ressourcen: Fast 44% würden auf Ersparnisse setzen. Über die Hälfte der Befragten (52,4%) kann maximal sechs Monate ohne Einkommen überbrücken. Bei körperlich tätigen Beschäftigten sind die finanziellen Puffer im Schnitt geringer: 27,8% der Arbeitenden könnten weniger als einen Monat ohne Einkommen auskommen. Knapp ein Fünftel weiß nicht, wie lange die eigenen Mittel reichen würden. Jüngere nutzen häufiger ihre sozialen Netze: 45,1% der 18- bis 29-Jährigen erwarten familiäre oder private Unterstützung.
Die Erwartung an kollektive Sicherung bleibt hoch. 53,6% fordern staatliche Unterstützung, wenn Menschen aus gesundheitlichen Gründen länger als sechs Monate ausfallen. Zugleich nimmt der Fokus auf Eigenverantwortung zu: 26,6% der 18- bis 29-Jährigen sehen primär das Individuum in der Pflicht. Diese Doppelbewegung – hohe Erwartung an staatliche Hilfe bei gleichzeitig wachsendem Individualismus – prägt die Vorsorgehaltung und erschwert konsistente Entscheidungen.
Lücke zwischen Erkenntnis und Vorsorge – Implikationen für die Praxis
Die Daten stützen eine klare Einordnung. Erstens: Die Bedeutung finanzieller Unabhängigkeit steigt, während die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit nicht im gleichen Tempo zunimmt. Zweitens: Viele Haushalte unterschätzen die Dauer und finanzielle Tragfähigkeit eines Einkommensausfalls. Drittens: Menschen sehen zwar das Risiko einer Berufsunfähigkeit, rechnen aber häufig nicht damit, selbst einmal betroffen zu sein und bleiben ohne robuste Deckung.
Für die Praxis ergibt sich daraus klarer Handlungsbedarf: Beratung muss das konkrete Schadensszenario einer Berufsunfähigkeit mit Zahlen und Zeiträumen durchdeklinieren – vom ersten Tag des Ausfalls bis zur realistischen Rückkehrfähigkeit oder dauerhaften Einschränkung. Entscheidend ist, die Lücke zwischen Ersparnissen, erwarteter Hilfe und tatsächlicher Dauer eines Ausfalls sichtbar zu machen. Alters- und Berufsgruppen verlangen unterschiedliche Schwerpunkte: Arbeitende sind überdurchschnittlich betroffen, Jüngere bauen häufiger auf Familie, die 40- bis 49-Jährigen sehen Berufsunfähigkeit überdurchschnittlich als Bedrohung.
Auf Produktebene heißt das: Es muss klar sein, wann Leistungen fließen, wie die Absicherung später erhöht werden kann und welche Gesundheitsangaben vor dem Abschluss erforderlich sind. Das nimmt Komplexität aus der Beratung und senkt die Hürden beim Abschluss und im Leistungsfall. Vermittlerinnen und Vermittler sollten so in der Beratung vermitteln, wie sich die Lücke zwischen Erkenntnis und Absicherung mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung schließen und sich so die finanzielle Freiheit nachhaltig stabilisieren lässt.
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