AssCompact suche
Home
Management & Wissen
5. Juni 2013
Zwischen Warnstreik und Wertschätzung

Zwischen Warnstreik und Wertschätzung

Am Freitag beginnt die dritte Verhandlungsrunde für die 172.000 Versicherungsangestellten des Innendienstes. Der Tarifvertrag wurde zum 31.03. gekündigt. Die Arbeitgeber schlagen ein Tarifplus über zwei Stufen von 2,5 und 2,0% vor. Verdi fordert 6,5% mehr Gehalt – und droht mit weiteren Streiks.

Wiederholt sich Geschichte doch? Fast ein Jahrhundert liegt der dreitägige Arbeitskampf in der Geschichte der deutschen Versicherungswirtschaft nun schon zurück. Seit 1920 konnten sich die Tarifparteien dann in freien Verhandlungen immer auf ein Ergebnis einigen. In zwei Tagen wird sich in der nunmehr dritten Runde der Tarifverhandlungen für die knapp 174.000 Innendienst-Angestellten entscheiden, wie die Verhandlungsführer die Geschichte weiterschreiben. Für die Arbeitgeberseite führt die Verhandlungen der Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland e.V. (AGV) an. Die Interessen der Arbeitnehmer werden von Verdi, der DHV – Die Berufsgewerkschaft, eine Mitgliedsgewerkschaft des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB), sowie vom Deutschen Bankangestellten-Verband (DBV), vertreten.

Die Fronten zwischen den Verhandlungspartnern sind verhärtet und, so kann man den Eindruck gewinnen, inzwischen vergiftet. „Die Beschäftigten müssen jetzt an der Produktivitätsentwicklung beteiligt werden“, mahnt Verdi-Verhandlungsführerin Beate Mensch. Die Gewerkschaft fordert für die Innendienst-Mitarbeiter 6,5% mehr Gehalt, mindestens jedoch 160,00 Euro, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Auszubildende sollen für jedes Ausbildungsjahr 60,00 Euro monatlich mehr erhalten. „Für ihre gute Arbeit haben die Beschäftigten Anspruch auf Wertschätzung und eine angemessene Erhöhung ihrer Gehälter“, betont die Gewerkschafterin. Die Versicherungsangestellten dürften nicht von der Entwicklung anderer Branchen abgekoppelt werden. In den vergangenen Jahren habe es einen erheblichen Leistungszuwachs seitens der Arbeitnehmer gegeben. Permanente Umstrukturierungen und Kostenreduzierungsmaßnahmen führten zu enormer Arbeitsbelastung, untermauern die Gewerkschaften ihre Forderung.

Kein Lohnplus wegen Lebens- und Bürgerversicherung?

Während bei der ersten Tarifrunde am 11.04.2013 in München allgemein über das volkswirtschaftliche Geschäftsklima und die Entwicklung der einzelnen Versicherungssparten gesprochen wurde, wurde es in der zweiten Verhandlungsrunde am 02.05.2013 in Düsseldorf dann konkret. Der AGV legte ein Angebot eines neuen Tarifvertrages mit einer Laufzeit bis zum 30.09.2015 vor. Dieser sah eine lineare Anhebung der Tarifgehälter einschließlich der Tätigkeits- und Verantwortungszulagen in Höhe von 2,5% ab dem 01.10.2013 vor. Ab dem 01.10.2014 sollte nach dem Willen der Arbeitgeber eine weitere Anhebung um 2,0% erfolgen. Dieses Angebot galt ebenfalls für die Vergütung der Auszubildenden.

Die lange Laufzeit begründeten die Arbeitgeber mit der größeren Planungssicherheit sowie der unsicheren Zukunft der Branche. Die Marktlage in der Sparte Lebensversicherung sowie die Diskussion um die Einführung der Bürgerversicherung ließen keine höhere Tarifsteigerung zu. Vor diesem Hintergrund bezeichnete Dr. Josef Beutelmann, AGV-Verhandlungsführer, das Angebot als „ausgewogen und angemessen“. Er erinnerte daran, dass die letzte Tarifanhebung um 2,2% erst drei Monate vor Jahresende 2012 erfolgt sei. Daraus, so die sozialpolitische Spitzenorganisation der deutschen Assekuranz, resultiere der Vorschlag, sechs sogenannte „Null-Monate“ vorzusehen. Bis zur nächsten linearen Anhebung am 01.10.2013 würde dann wieder eine Zeitspanne von zwölf Monaten liegen.

„Wir erwarten klare Verbesserungen“

Die Arbeitnehmervertreter waren mit diesem Vorschlag nicht zu begeistern – im Gegenteil. „Die Arbeitgeber haben ein völlig unzureichendes Angebot vorgelegt, das keine soziale Komponente für untere Gehaltsgruppen und Auszubildende beinhaltet und das insgesamt viel zu niedrig ist“, kritisierte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Beate Mensch. Bei einer Laufzeit von insgesamt 30 Monaten würde das Angebot eine durchschnittliche prozentuale Erhöhung von lediglich 1,8% bedeuten, rechnete Mensch vor. Die Unternehmen hätten gute Ergebnisse erzielt. An denen müssten die Beschäftigten durch eine angemessene Erhöhung ihrer Gehälter beteiligt werden. Verdi, mit 2,1 Millionen Genossen die zweitgrößte Mitgliedsgewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund, sprach von einer provozierenden Haltung der Arbeitgeber, die dieses Angebot schon als grenzwertig bezeichnet hätten, so dass die Gewerkschaft ihre Gangart verschärfen werde.

Damit spielte Verdi auf Warnstreiks und Aktionen an, zu denen sie im Vorfeld der zweiten Verhandlungsrunde aufgerufen hatte. In Hamburg, Kiel, Stuttgart, Karlsruhe, Köln, Düsseldorf, Mannheim und Münster organisierten Arbeitnehmer Protestaktionen. Damit will die Gewerkschaft den Druck auf die Arbeitgeber erhöhen. „Die Arbeitgeber haben diese Warnsignale anscheinend nicht verstanden“, sagte Mensch und kündigte weitere Streiks an. Der AGV solle am Freitag in Hamburg ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegen, fordert Mensch. „Wir erwarten klare Verbesserungen“, heißt es auch aus dem DBV. „Auf unsere Forderung nach einer Verlängerung des Altersteilzeit-Tarifvertrages ging die Arbeitgeberseite noch nicht ein“, schildert Ute Beese, Verhandlungsführerin des DBV. Der DBV werde diese Forderung in der anstehenden Runde mit Nachdruck wieder aufgreifen.

Text: Umar Choudhry

Siehe zu dieser Thematik auch: Tarifverhandlungen für Versicherungs-Innendienst haben begonnen

Tarifverhandlungen für Versicherungs-Innendienst: Zweite Runde