AssCompact suche
Home
Assekuranz
25. September 2018
Nimmt Telematik in der Kfz-Versicherung weiter Fahrt auf?

Nimmt Telematik in der Kfz-Versicherung weiter Fahrt auf?

Je smarter und vernetzter unsere Fahrzeuge werden, umso bedeutsamer sind Telematiktarife für Versicherer und Kunden. Es lassen sich nicht nur leichter Risikoprofile erstellen, sondern auch die Kundenbindung kann intensiviert werden, wie Charlott Bethge von der PACE Telematics GmbH erläutert.

Es wird erwartet, dass bis 2025 ungefähr 104 Millionen neue Fahrzeuge irgendeine Form von Konnektivität besitzen. Diese Veränderungen stellen eine große Herausforderung für die Versicherer dar: Die klassischen Versicherungsverfahren reichen für connected cars nicht mehr aus. Erforderlich werden neue, disruptive Ansätze von außen.

Der Erfolgszug der Telematik

Es erscheint uns heute vollkommen normal, dass wir per Smartphone unseren Standort an andere senden können oder uns ein Gadget von A nach B navigiert. Die Form von Konnektivität durch Telematik, die heutzutage Teil unseres Alltags geworden ist, wurde überhaupt erst durch die Entwicklung eines globalen Positionsbestimmungssystems (GPS) ermöglicht. Anfänglich nur für das Militär der US-Regierung gedacht, wurde es auch für die allgemeine Bevölkerung zugänglich gemacht. 1985 kam das erste Navigationssystem für Automobile auf den Markt, was einen großen Schritt Richtung weltweiten Gebrauch des GPS bedeutete. Mit der Zeit wurden zwei Schwerpunkte in der Entwicklung innerhalb der Telematik sichtbar: Zum einen das Ziel, die Sicherheitsausstattungen von Fahrzeugen zu verbessern, und zum anderen die allgemeine Technik weiterzuentwickeln – von der Elektronik über GPS bis hin zur Mobilfunktechnologie.

Heutzutage verfügen moderne Autos über mehr als 100 Sensoren, die einen durchgehenden Datenstrom produzieren. Dadurch ist es möglich, verschiedene Parameter herauszulesen wie Standort, Fahrperformance oder Fahrverhalten. Laut einer Schätzung der Unternehmensberatung McKinsey produzieren connected cars bis zu 25 GB Daten pro Stunde. Diese enormen Datenmengen bieten ein großes Potenzial für Verbesserungen – auch in Bezug auf die Kfz-Versicherung.

Versicherungen und Telematik

Was Telematik im Fahrzeug bringt, ist vor allem eines: mehr Sicherheit auf den Straßen. Nicht ohne Grund wurde im April 2018 die eCall-Pflicht für alle neu typgeprüften Fahrzeuge eingeführt – eine Maßnahme, die ohne Telematik überhaupt nicht möglich wäre. Laut EU-Kommission können über 2.500 Menschenleben pro Jahr mit diesem automatischen Notruf gerettet werden.

Dennoch haben Versicherungen in Deutschland eher zögerlich begonnen, sich mit Telematik im Fahrzeug auseinanderzusetzen. Vor allem weil diese sogenannten Pay-as-you-drive-Tarife bislang eher nur für Risikogruppen wie Fahranfänger und Senioren angeboten werden, da hier der finanzielle Vorteil gegeben ist. Über diese speziellen Telematiktarife wird das Fahrverhalten entweder über eine fest eingebaute Lösung (Telematikbox) überwacht oder über eine flexible wie die Kombination aus einer App und einem Dongle (OBD2) oder über einen Stecker (Zigarettenanzünder). Aus diesen Daten wird ein Score ermittelt, wonach der Tarif angepasst wird. Wer achtsam fährt, spart bis zu 30%.

Was bedeutet die Digitalisierung für Kfz-Versicherungen?

Mit der Einführung der eCall-Pflicht wird deutlich, dass der Trend zum Smartcar unaufhaltsam ist und sich die Versicherungen zunehmend einem breiteren Kundenkreis öffnen müssen. Vorteile würde es allemal bringen: Dank der Datenanalyse sind nicht nur die Risiken besser kalkulierbar, sondern auch der Kunde profitiert durch individuell angepasste Produkte. Auch der Sicherheitsfaktor ist durch den eCall und die Fahrzeugortung gegeben. Wichtig ist außerdem anzumerken, dass das Grundprinzip der traditionellen Versicherung – nämlich der Ausgleich im Kollektiv – erhalten bleibt und nicht verändert wird. Die Herausforderung ist es, meist mithilfe von externen und branchenfernen Unternehmen neue Ansätze zu finden, die zurzeit entweder in der Versicherungsbranche nicht gängig sind oder vorab noch entwickelt werden müssen.

Ein Beispiel für eine branchenferne Kooperation, die der Förderung der Sicherheit auf den Straßen dient, ist die kürzlich zwischen dem IoT-Start-up PACE Telematics und der DEKRA verkündete Entwicklung des sogenannten „Safety Index“. Hierbei handelt es sich um einen gemeinsam entwickelten Algorithmus, der durch das Analysieren von Fahr- und Umweltdaten für mehr Sicherheit beim Fahren sorgt. Auch hier wird ein Score ermittelt, der unter anderem auch Versicherungen dabei helfen wird, Prozesse und Dienstleistungen an die aktuellen Sicherheitsanforderungen anzupassen.

Konnektivität heißt die Devise

Das Anbieten von Zusatzleistungen – abseits des klassischen Versicherungsangebots – könnte ebenfalls zu einer interessanten Komponente im Bereich der Kfz-Versicherung werden. Konnektivität wird immer wichtiger und bietet auch die Basis, um das Autofahren einfacher und komfortabler zu machen. So können dank Shell Smartpay, einer Kooperation zwischen Shell und Paypal, Kunden bequem vom Auto aus mit dem Smartphone per App ihre Tankfüllung zahlen und gleich weiterfahren. PACE arbeitet momentan gemeinsam mit SAP an seinem Connected-Fueling-Projekt. Hier aktiviert das Smartphone die Zapfsäule und die Tankfüllung wird danach direkt mit dem Kassensystem abgerechnet. Connected Fueling wäre ein beispielhafter Microservice, der zusätzlich zur herkömmlichen Versicherung ein attraktives Angebot darstellt und ein Kriterium für den Kunden sein könnte bei der Wahl seines Versicherers.

Wie sicher sind die Daten?

Heftig diskutiert ist der Datenschutz bei den sich derzeit auf dem Markt befindenden telematischen Versicherungsprodukten. Fakt ist: Von Autos mit Versicherungs-Blackbox werden durchgehend hochsensible Daten übertragen. Unbefugte können daraus beispielsweise Bewegungsprofile erstellen und Angaben zum Wohnort des Fahrers erhalten. Dass dies durchaus berechtigte Bedenken sind, zeigt unter anderem der Fall, als es Hackern vom Smartphone aus gelungen war, über die Blackbox eines Testautos die Bremsen aus der Ferne zu bedienen. Versicherer haben aber schon eingelenkt: So hat die HUK genau deswegen einen eigenen Dienstleister gegründet, die HUK-­COBURG Datenservice und Dienstleistungen GmbH (HDD), und trennt damit die Datenerhebung von deren Auswertung. Dadurch kann die Versicherung selbst keine Rückschlüsse auf einzelne Fahrten ziehen und die HDD im Umkehrschluss keinerlei Informationen zum Versicherungsnehmer bzw. Fahrer bekommen.

Ein Blick in die Zukunft

Die Welt der Kfz-Versicherung ist mit dem unaufhaltsamen Fortschritt im Bereich des autonomen Fahrens konfrontiert. Wichtige Themen werden dabei zum einen natürlich der Datenschutz sein, aber zum anderen auch Fragen rund um Cybersecurity durch die vermehrte Vernetzung dank des

Internet of Things. Telematik wird für Versicherungen ein immer bedeutenderes Thema werden und sie vor große Herausforderungen stellen. Wie kann man ein Fahrzeug versichern, das durch seine Autonomie dazu programmiert wurde, keine Unfälle mehr zu verursachen und dadurch keine Versicherung mehr braucht? Da vollautomatische Fahrzeuge noch in relativ weiter Ferne liegen, wäre ein Lösungsansatz, mithilfe von Zusatzleistungen das Angebot für die Kunden attraktiver zu machen. Auch die Zusammenarbeit mit branchenfernen Unternehmen, die für eine Disruption von außen sorgen, ist unumgänglich, um sich den neuen Aufgaben zu stellen, die smarter werdende Fahrzeuge mit sich bringen.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2018, Seite 48 f.

Das vollständige E-Paper der Ausgabe finden Sie hier.

 
Ein Artikel von
Charlott Bethge