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24. Oktober 2019
VV-Runde auf der DKM: Vermittler müssen weder Ökosysteme, KI noch Amazon fürchten

VV-Runde auf der DKM: Vermittler müssen weder Ökosysteme, KI noch Amazon fürchten

Die Runde der Vorstandsvorsitzenden der DKM 2019 war wieder ein Besuchermagnet. Die Zuschauer konnten dort erfahren, wie sich die Versicherer auf die digitale Zukunft vorbereiten und welche Bedeutung sie dem persönlichen Vertrieb zumessen. Die großen Themen der Runde waren Ökosysteme, PSD 2, KI und Amazon.

Befriedigend bis ausreichend – so lautete die mehrheitliche Benotung der digitalen Zukunftsaufstellung der Versicherer vonseiten der DKM-Fachbesucher. Eine entsprechende Frage stellte Moderator Dr. Marc Surminski zu Beginn der sogenannten Elefantenrunde am gestrigen Mittwoch dem Auditorium per Votingsystem. Danach hatten die Diskutanten Dr. Achim Kassow (ERGO), Christoph Bohn (ALTE LEIPZIGER), Dr. Carsten Schildknecht (Zurich) und Dr. Norbert Rollinger (R+V), jeweils Vorstandsvorsitzende in den jeweiligen Gesellschaften, Gelegenheit die neue Welt der Versicherer zu erläutern.

Die Bestände sind das digitale Problem

Im Wettbewerb mit den jungen InsurTechs, die zunächst das sogenannte Front-End besetzten, sehen sich die Manager in der DKM-Runde gleichauf. Allerdings, so Carsten Schildknecht, dürfe man nicht in die Digitalisierungsfalle tappen und nur das Neugeschäft betrachten. Vielmehr gehe es um die wertvollen Bestände, die in die neuen Systeme integriert werden müssten. Die Herausforderung liege also vor allem in der Datenmigration der Altverträge.

Die Integration erfordert hohe Investitionen bei den einzelnen Gesellschaften. Für kleinere Gesellschaften könne es schwer werden, mutmaßte Moderator Marc Surminski. Christoph Bohn, der auf der Bühne für die mittelständischen Versicherer stand, sah sein Haus dabei nicht im Nachteil gegenüber den Versicherungskonzernen. Man könne mit einer hohen Flexibilität agieren, dabei sei allerdings klar, dass man heute nicht mehr alles allein machen könne, sondern in der Umsetzung auf Kooperationen setzen müsse.

Das Hype-Thema Ökosystem

Das brandaktuelle Thema Ökosysteme beschäftigt die Entscheider der Versicherer sehr, konnte man der Diskussion des Weiteren entnehmen. Die Häuser stehen vor der Frage, ob man selbst Ökosysteme bauen oder aber Teil eines bestehenden Ökosystems werden könne. Ein eigenes Ökosystem sei der Königsweg – nur müsse man dem Kunden dann auch eine Lebenswelt bieten, die ihn anspricht und dazu bringt, das Ökosystem auch zu nutzen. Schwierig sei das, weil Versicherung eben weiterhin kein Hype-Produkt sei, wie Norbert Rollinger zu bedenken gab. Würde man sich in Ökosystemen nur als Produzent bzw. Lieferant einklinken, dann wäre man jedoch immer am kürzeren Hebel und dem Regime der jeweiligen Plattform unterworfen.

Achim Kassow macht dazu drei Themen für Versicherer aus: Mobilität, Travel und Gesundheit – denn das seien kontaktintensive Bereiche. Eine positive Nebenwirkung für Vermittler hätten die Bemühungen der Versicherer, Teil solcher Ökosysteme zu werden, insofern, als die Versicherer gezwungen würden, prozessualer zu arbeiten und davon könnten alle Bereiche und Partner profitieren. Er verweist aber auch darauf, dass man bei Ökosystemen nicht immer nur digital denken müsse. Jeder Makler oder Vertreter habe bereits sein eigenes Ökosystem, sein eigenes Netzwerk, in der er eine bestimmte Rolle einnehme.

PSD 2 – bessere Datenbasis für Vermittler

Verbunden mit der Idee der Ökosysteme ist die in Umsetzung befindliche PSD 2. Mit ihr müssen Banken auch anderen Instituten nach Einwilligung der Kunden Kontoinformationen zur Verfügung stellen. Dies sei ein neuer Weg, Kunden anzusprechen, so die Vorstandsvorsitzenden. Allerdings, so Norbert Rollinger, sei das die Theorie. In der Praxis starte es holprig. Die Kunden seien einfach nicht so schnell bereit, ihre Daten freizugeben. Die Gesellschaften arbeiten aber alle daran, die Daten künftig auswerten und dann den Vermittlern zur Verfügung stellen zu können – was wiederum zu einer Produktivitätssteigerung im Vertrieb führen könne.

Ob das dann auch tatsächlich so sei, fragte Moderator Marc Surminski nach. Spielt denn der Vermittler dann tatsächlich noch eine Rolle? Ja, so die Beteuerung der Entscheider. PSD 2 ermögliche es erst einmal nur, Daten zu übermitteln. Die Wünsche, Bedürfnisse und Pläne der Kunde kenne aber kein IT-System. Das ist das, was die Vermittler im persönlichen Gespräch ermitteln und entsprechend beraten müssen. Die Datenauswertung könne den Vermittlern aber enorm helfen, ist auch Achim Kassow überzeugt.

KI schafft Platz und Zeit für Beratung

Auch Künstliche Intelligenz (KI) sei keine Gefahr für den Vermittler. Auch hier gelte, so Carsten Schildknecht, dass sie dazu beitragen werde, die Vertriebsprozesse der Vermittler effektiver zu gestalten. Gleichermaßen könne mit ihr die Schadenregulierung vereinfacht werden, wovon letztlich alle Beteiligten profitieren würden, ergänzte Achim Kassow. Auch Christoph Bohn ist überzeugt, dass KI für Vermittler ein großer Vorteil sein kann. Er könne den Kunden damit personalisierter ansprechen. Allerdings war sich die Runde auch einig, dass man bei den Entwicklungen bei KI noch am Anfang stehe.

Keine Angst vor Amazon

Blieb zum Schluss noch die Frage zu klären, ob Amazon zu einem gefährlichen Wettbewerber in der Branche werden könnte. Ernst nehme man einen Player wie Amazon natürlich schon, so die Runde, aber man glaube nicht an das Interesse von Amazon an einem so aufwendigen Geschäft wie Versicherungen. Selbst wenn der Internetgigant in den Markt eintreten würde, dann wäre er wohl eher ein Konkurrent der Direktversicherer und es könnte zu einer Neuverteilung des Direktgeschäfts kommen. Auch CHECK24 könnte damit einen Konkurrenten bekommen. Vermittler, die auf Service und Beratung setzen, müssen sich vor Amazon nicht fürchten, zeigten sich die Versicherungsvorstände überzeugt. (BH)

Bild: (v.l.n.r.) Dr. Achim Kassow (ERGO), Christoph Bohn (ALTE LEIPZIGER), Dr. Marc Surminski, Moderation (Zeitschrift für Versicherungswesen), Dr. Carsten Schildknecht (Zurich), Dr. Norbert Rollinger (R+V) bei der Diskussion „Flucht nach vorn – Wie Versicherer die Zukunft gestalten wollen“ auf der DKM 2019.

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Helmut Karas am 24. Oktober 2019 - 10:15

Die Podiumsdiskussion zeigt, dass die digitalen Märkte noch immer aus der Innenperspektive der Versicherungen betrachtet werden. Bei allem Verständnis für Effizienzsteigerung wird übersehen, dass an der KundInnen-Schnittstelle und auf den Plattformen das Spiel gewonnen oder verloren wird. Wer in ein neues Ökosystem erfolgreich einsteigen will, muss die Wirkmechanismen des Ökosystems kennenlernen.
Zu glauben, dass man mit Erfahrungen aus Basketball in einer Rugbymeisterschaft einfach einsteigen kann, ist verständlicherweise unklug.
Exakt so ist es, wenn Versicherungen ihre Mechanismen in der digitalen Wirtschaft anwenden wollen und hoffen damit zu gewinnen. Eine digitale Strategie ist viel mehr als die alte Strategie plus Altsystem-Datenintegration.
Mit einer digitalen Strategie würde sich jede Versicherung sichtbar anders verhalten. Sie zeigen an jedem Touchpoint, dass sie Analytics nicht nutzen, dass sie KundInnenbeziehung aus der Versicherungsperspektive leben und dass sie von Amazon noch nicht gelernt haben. Wie wollen Versicherungen den digitalen Wandel nutzen, wenn die Ideen immer die alten Konzepte wiederholen? Wenn sich die Welt wesentlich ändert, muss Unternehmen sich wesentlich ändern. Diese Veränderung hin zu einem Käufermarkt ist in der Podiumsdiskussion noch nicht erkennbar.
Eine Strategie wird an ihrer Wirkung erkennbar. Wir sind neugierig, welche Häuser sich tatsächlich an den digitalen Wandel anpassen.