Finanzberatung für Frauen: Was ist daran besonders? Barbara Rojahn im Interview bei „Makler im Gespräch“ verrät es...
Von Toni Kuhn, AssCompact
Seit 1997 ist sie als unabhängige Finanzberaterin in Stuttgart tätig, mit eigenem Büro und vier Angestellten. Das Besondere: Sie berät gezielt nur Frauen.
Sich dafür zu entscheiden, war am Anfang nicht leicht. Ganz vorne stand die Angst vor mangelnder Kundschaft. Doch Rojahn merkte schnell, dass die Nachfrage nach frauenspezifischer Beratung in Finanzfragen immens ist. Und das Angebot reicht deutschlandweit nicht aus, um diese zu decken. Zur besseren Vernetzung haben sich daher bereits im Jahr 1988 mehrere Finanz- und Versicherungsexpertinnen zusammengeschlossen. Seitdem treffen sie sich unter dem Namen „FinanzFachFrauen“ regelmäßig, schreiben Bücher und halten Vorträge . Auch hier ist Rojahn dabei.
Frauen wollen mehr als Zahlen und Fakten
Aber was genau ist der Unterschied zwischen der Beratung von Frauen und Männern? Laut Rojahn kommunizieren Frauen anders. Und in der Beratung spielen neben Zahlen und Fakten noch einige andere Faktoren eine Rolle. „Frauen mögen keine Balkendiagramme auf Bildschirmen“, führt Rojahn zum Beispiel als Begründung an, warum der Computer bei ihren Beratungen ausgeschaltet bleibt. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass die Erwerbsbiografien von Frauen noch immer wechselhafter sind als die von Männern. Dies kommt zum Beispiel bei der Altersvorsorge zum Tragen. Auch im Falle von Scheidung, Erbschaft oder Tod eines Verwandten geht die Beratung von Frauen über das reine Thema Geld hinaus. Und wenn es gar um Kapitalanlagen geht, wollen Rojahns Kundinnen ganz genau wissen, wem sie das Ihre anvertrauen. „Sehr viele Frauen legen zum Beispiel Wert auf ökologische Geldanlagen und hinterfragen, was in den Fonds steckt. Frauen fragen eher ‚Was ist drin?‘ und Männer ‚Wie war die Rendite?‘“, beschreibt die Finanzberaterin die Beratungssituation.
Gefordert ist also nicht nur soziale und menschliche Kompetenz, sondern vor allem ausgewiesenes Fachwissen. Rojahn bringt beides mit und zehrt dabei nicht nur von ihren Qualifikationen als Volkswirtin, Finanzberaterin, Testamentsvollstreckerin und Aktienspezialistin, sondern auch aus ihrer eigenen Biografie. Als Mutter von drei Kindern weiß sie selbst, was es bedeutet, beruflich flexibel sein zu müssen, und welches Finanzkonzept dazu passt.
Dass „Finanzen“ Rojahns Lieblingsthema ist, prüfte sie erst auf Umwegen über Marketing- und Vertriebstätigkeiten. Nachdem sie ihrem Mann ins Ausland gefolgt und mehrfache Mutter geworden war, entschied sie sich schließlich für die IHK-Prüfung zur Finanzberaterin, die sie 1994 abschloss. Der Beginn der Selbstständigkeit war für Rojahn daraufhin ein eher pragmatischer Schritt: „Mit drei Kindern ist es als Angestellte schwierig, daher habe ich mich ziemlich schnell für die Selbstständigkeit entschieden. Es war trotzdem ein ständiger Balanceakt und eine große Herausforderung, aber auch ein guter Ausgleich zum Mutter-Dasein.“ Zuerst arbeitete sie im Bereich bAV, weil dieser sie wegen der geistigen Herausforderung reizte.
Zur Finanzberaterin für Frauen wurde sie durch glückliche Umstände: In München lernte sie eine der ersten Frauen kennen, die sich mit Finanzberatung für Frauen selbstständig gemacht hatte.
Von der Testamentsvollstreckung ...
Seitdem bietet sie Beratung rund um das Thema Frau und Geld. Dazu gehören Kapitalanlagen genauso wie Altersvorsorge und das Absichern von Existenzrisiken wie Berufsunfähigkeit und Pflege. Besonders Letzteres wird von Frauen laut Rojahn immer stärker nachgefragt. Auch Erben und Schenken ist ein Beratungsschwerpunkt in ihrem Büro. Dieser hat sich vor allem dadurch verstärkt, dass die Maklerin eine zertifizierte Weiterbildung zur Testamentsvollstreckerin an der European Business School vorweisen kann. Ihre Kundinnen danken es ihr: „Die Frauen sind froh, dass sie mich auch für das Testament einsetzen können. Ich kenne ihr Vermögen am besten und es führt zu weniger Streit, als wenn Familienangehörige diesen Part übernehmen“, bestätigt die Maklerin.
Die meisten von Rojahns Kundinnen haben ganz gezielt nach einer Frau gesucht, die sich um ihre Finanzen kümmert. Eine Differenzierung innerhalb der Zielgruppe „Frauen“ nimmt Rojahn dabei nicht vor. „Ich berate jede Frau und versuche, jedes Problem zu lösen“, sagt Rojahn.
... bis zur Scheidungsberatung
Viele Kundinnen bitten Rojahn im Kontext einer Scheidung um Beratung. Hier übernimmt sie den finanziellen Part. Die Herausforderung ist, dass die Frauen in dieser Situation meist emotional sehr mitgenommen sind und die Scheidung so schnell wie möglich über die Bühne kriegen möchten. Rojahn muss hier häufig eingreifen und bremsen, um die Finanzen klar auf den Tisch zu bringen. „Das Finanzielle rutscht beim Juristischen meist hinten runter. Die Rechtsanwälte berufen sich darauf, glauben zu müssen, was die Gegenseite auf den Tisch legt“, beschreibt die Maklerin das Dilemma. Rojahn forscht genauer nach. Schon zweimal hat sie eine Scheidung wieder neu aufgerollt, weil sie feststellte, dass Dinge verschwiegen wurden. Der Erfolg war groß und die Kundinnen dankbar. Klar, dass die Frauen für eine solche Beratung auch bereit sind zu zahlen. Für Scheidungsberatung und im Rahmen der Testamentsvollstreckung verlangt Rojahn prinzipiell ein Stundenhonorar. Gleiches gilt generell für Erstberatungen.
Interessierte Neukundinnen gibt es genug. Über die landesweiten Vorträge der „FinanzFachFrauen“ werden immer mehr Frauen auf das Angebot aufmerksam. Der Rest ergibt sich laut Rojahn quasi wie von selbst: „Frauen reden über Dinge. Frauen reden über ihre gute Steuerberaterin, Frauen reden über ihre gute Gynäkologin und Frauen reden auch über ihre Finanzberaterin.“ Und was ist eigentlich mit Männern? Rojahn lächelt und erklärt: „Oft kommt der Mann oder auch der Vater einer Kundin bereits im zweiten Gespräch mit.“ Das ist für die Maklerin völlig in Ordnung. Beim Erstgespräch legt Rojahn allerdings Wert darauf, dass die Frau alleine kommt. In ihrem Kundenstamm finden sich mittlerweile rund 10% Männer. Manche davon haben sich auch direkt an Rojahn gewandt.
Kundeninteressen gegenüber Versicherern vertreten
Rojahn ist nach wie vor die einzige FinanzFachFrau in Baden-Württemberg. Insgesamt sind es nur 14 Frauen in 13 Städten. Bei den FinanzFachFrauen aufgenommen zu werden, ist aber auch nicht ganz einfach. Voraussetzungen sind eine Selbstständigkeit von mindestens drei Jahren, eine klare Ausrichtung auf das Thema Frauen, hohe fachliche Kompetenz und natürlich Unabhängigkeit. Die FinanzFachFrauen legen den Schwerpunkt der Beratung eindeutig auf Frauen und es geht auch darum, die Fraueninteressen gegenüber den Versicherern zu vertreten. Was bedeutet dies konkret? In erster Linie geht es um fachlichen Austausch und gemeinsames Handeln. Da werden Softwareprodukte verglichen, Gruppenverträge mit Versicherungen abgeschlossen und Konditionen mit Pools ausgehandelt. Berührungsängste mit Pools hat Rojahn daher kaum: „Wir brauchen Pools, um uns die Arbeit zu erleichtern. Gerade für die Dinge, die man nicht so häufig macht. Aber wir tauschen uns auch viel darüber aus, welcher Pool gut ist.“
Bei den FinanzFachFrauen hört Rojahns Engagement längst nicht auf. Seit fünf Jahren ist Rojahn im Maklerbeirat der Swiss Life. Sie sieht die Tätigkeit als Chance, ihre Erfahrung auf dem Versicherungsmarkt für Frauen einzubringen.
„Frauen in die Aufsichtsräte“
Insgesamt denkt Rojahn, dass in egal welchem Bereich eine ausgewogene Mischung von Männern und Frauen das Beste ist. Diese Meinung vertritt sie auch weit über ihr eigenes Unternehmen hinaus. So ist sie nicht nur für eine Frauenquote in Aufsichtsräten, sondern auch andersherum für eine Männerquote in Berufen, in denen Frauen überrepräsentiert sind (z. B. soziale Berufe). „Ich bin dafür, weil ich denke, es passiert sonst nichts. Ich hoffe, dass wir diese Quote nur ein paar Jahre brauchen, bis es zur Selbstverständlichkeit wird, dass es gemischte Aufsichtsräte gibt“, begründet Rojahn ihre Ansicht. Sie selbst hat an einer EU-geförderten Initiative der Bunderegierung teilgenommen. Diese bereitete unter dem Motto „Frauen in die Aufsichtsräte“ 45 Frauen für diese Tätigkeit vor. Es wurde juristisches Know-how vermittelt, Aufsichtsratssitzungen geprobt und Medientrainings durchgeführt. Im Herbst 2011 werden weitere 45 Frauen ausgebildet und zum Ende des Jahres soll eine vom VDU gemanagte Datenbank der 90 Frauen entstehen. Rojahn glaubt, dass die Initiative Zeichen für die Zukunft setzt: „Die Männerwelt muss wahrnehmen, dass es in Deutschland viele kompetente Frauen gibt. Man muss sie nur finden. Dazu hilft die Inititative sehr. Ich glaube, dass sich kompetente Frauen in den Aufsichtsräten positiv auf die Branche auswirken würden. Nur die Frauen müssen es auch wollen.“
Die Aufsichtsrätinnen in spe treffen sich aus eigener Initiative einmal im Jahr. Sie wollen vernetzt bleiben, voneinander lernen und sich weiter gegenseitig unterstützen. Wenn die erste Frau von ihnen im Aufsichtsrat sitzt, glaubt Rojahn, wird das Rad endgültig ins Rollen kommen. Und dafür setzt sie sich mit ihrem ganzen Herzblut ein.
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