Die Debatte um ein Provisionsverbot ist zurück
Es kommt nur noch selten vor, dass heutzutage ausgerechnet ein Brief für viel Aufregung in der Vermittlerbranche sorgt. So sieht zum Beispiel der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK) „das Aus für rund 200.000 Versicherungsvermittler in Deutschland“ kommen. Und auch beim Bundesverband Finanzdienstleistungen e. V. (AfW) klingt es recht dramatisch, wenn von einem „Verlust einer Vielzahl von Arbeitsplätzen und der Vernichtung von Existenzen von vielen Gewerbetreibenden“ die Rede ist.
EU-Finanzkommissarin forciert Einführung eines Provisionsverbots
Doch worauf nimmt die heftige Kritik des BVK und des AfW Bezug? Richtig: auf einen Brief. Genauer gesagt auf einen Brief, den die EU-Kommissarin Mairead McGuinness – zuständig für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion – an Markus Ferber (CSU), Abgeordneter im Europäischen Parlament, geschrieben hat – mit brisantem Inhalt. In dem Schreiben, das AssCompact vorliegt, konkretisiert die EU-Finanzkommissarin den Plan, ein EU-weites Provisionsverbot im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie bei der Anlageberatung einzuführen. Und dann könnte es der Fall sein, dass zukünftig in der gesamten Europäischen Union Finanz- und Versicherungsprodukte nur noch auf Honorarbasis vermittelt werden dürfen.
EU-Studien: Verkaufsanreize würden Anlageprodukte unnötig verteuern
Hauptargument der Kommissarin ist, dass die Änderungen an der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie (MiFID II) zu keinen wesentlichen Verbesserungen hin zu einer vermehrt unabhängigen Finanzberatung geführt haben. Vielmehr sei, so das Schreiben, im Kleinanlegersegment der auf Verkaufsanreize – ergo Provisionen – gestützte Vertrieb weiterhin das wichtigste Modell für den Verkauf von Anlageprodukten. Und laut EU-Finanzkommissarin deuten Studien von EU-Kommission und EU-Aufsichtsbehörden wiederholt darauf hin, dass im provisionsbasierten System Kleinanlegern häufig Produkte verkauft werden, die teurer sind als andere, kostengünstigere Alternativen, die ebenfalls auf dem Markt erhältlich sind. Und McGuinness wird noch deutlicher. So geht sie auf Basis der Studien davon aus, dass Produkte, für die Verkaufsanreize gezahlt werden, im Durchschnitt etwa 35% teurer sind als Anlageprodukte, für die keine solche Verkaufsanreize gezahlt würden. Eine Stärkung der Verbraucherinteressen auf den Kapitalmärkten sei laut EU-Kommissarin mit MiFID II also nicht erreicht worden.
EU-Vorhaben deutete sich bereits im Dezember an
Dass die Europäische Kommission im Rahmen ihrer EU-Kleinanlegerstrategie nun zum wiederholten Mal die Einführung eines EU-weit geltenden Provisionsverbot forciert, war bereits im vergangenen Dezember abzusehen. Beim AfW-Hauptstadtgespräch war durch einen CDU-Finanzexperten im Bundestag bekannt geworden, dass die Provisionsverbot-Initiative in Brüssel demnächst in einem Verordnungsentwurf der EU-Kommission münden werde (AssCompact berichtete). Und die Äußerungen der EU-Finanzkommissarin McGuinness deuten nun in die gleiche Richtung.
BVK: EU schade dem Verbraucherschutz selbst
Doch Vermittler- und Beraterverbände bringen sich in Stellung und üben scharfe Kritik am EU-Vorhaben. BVK-Präsident Michael Heinz etwa wirft der EU-Kommission nun selbst die Schwächung des Verbraucherschutzes vor, sofern sie an der Einführung eines Provisionsverbotes festhalten sollte. „Die Kunden sind kaum bereit, vorab für eine Beratung ein dreistelliges Honorar zu bezahlen“, so Heinz. Heinz befürchtet zudem, dass viele Menschen, darunter insbesondere Geringverdiener, im Zuge der Pläne der Brüsseler Behörde auf eine nötige Absicherung verzichten müssten oder sich eben ohne Beratung um ihre Vorsorge kümmern müssten. Denn bereits jetzt zeige die geringe Akzeptanz der Honorarberatung, dass diese nicht im Kundeninteresse sei, schreibt der BVK-Chef. Der BVK halte daher ein Provisionsverbot für völlig unverhältnismäßig, da es eine gesamte Branche in ihrer Existenz gefährde – zumal Vermittler nach dem Versicherungsaufsichtsgesetz bereits dazu verpflichtet seien, im bestmöglichen Interesse des Kunden zu beraten.
AfW: Qualifizierte Beratung gibt es nicht zum Nulltarif
Mit Verweis auf die Situation in Großbritannien übt man auch beim AfW scharfe Kritik an den Plänen von EU-Finanzkommissarin McGuinness. Denn dort hätten nach Einführung des Provisionsverbots auf Beratung angewiesene Kleinanleger keine persönliche Beratung mehr erhalten. In der EU wäre dies dann binnen kürzester Zeit der Fall, spekuliert man beim AfW. Außerdem befürchtet der Beraterverband, dass im Falle eines Provisionsverbots selbsternannte Experten ohne Qualifikation im Internet oder die Verbraucherzentralen noch mehr Zulauf erhalten würden. Doch „qualifizierte Beratung zu nachhaltigen Finanz- und Versicherungsprodukten aus der ganzen Breite des Marktes, die die Wünsche und insbesondere Bedürfnisse der Kunden abbilden, gibt es nicht zum Nulltarif“, so Norman Wirth, geschäftsführender Vorstand des AfW. Der AfW werde – wie auch der BVK – in Zusammenarbeit mit den nationalen und europäischen Partnern alles dafür tun, dass die Pläne von EU-Finanzkommissarin McGuinness nicht realisiert werden. Dennoch: Die Debatte um ein Provisionsverbot bei der Vermittlung von Vorsorge- und Anlageprodukten ist eindeutig zurück. Und schon im Frühjahr will die EU-Kommission ihre konkreten Pläne für eine Privatanleger-Strategie vorstellen. Es braut sich etwas zusammen in Brüssel. (as)
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