Wie gelingt die Nachhaltigkeitstransformation mittels „grüner“ Finanzdienstleistungen? Mit dieser Frage eröffnete BaFin-Chef Mark Branson die sustainable-finance-Konferenz in Berlin, die die Aufsichtsbehörde selbst veranstaltet hat. Und: Diese Frage lässt sich keinesfalls einfach beantworten, schob der Chefaufseher den zahlreichen Teilnehmern in Präsenz und online gleich hinterher. Im Mittelpunkt der Wende sollten jedenfalls nicht nur das Produkt und seine Nachhaltigkeitsaspekte stehen, sondern auch der Verbraucher, der beim Finanzberater angesichts eines komplexen und dynamischen Anlageuniversums vor der Qual der Wahl stehe, so Branson.
Auch die Beratungsqualität ist mitentscheidend
Als einen entscheidenden Schritt bei der Transformation hin zu einem klimafreundlichen Wirtschaftssystem bewertet die BaFin die ESG-Abfragepflicht in der Finanzberatung. Die Frage „Wollen Sie nachhaltig investieren?“ ist für den BaFin-Chef der Gamechanger der finanzmarktbezogenen Nachhaltigkeitswende schlechthin. Denn damit würden nun nachhaltige Finanzprodukte beim Verbraucher regelbasiert ankommen, so Branson weiter. Doch mit der Abfragepflicht allein ist es noch nicht getan. Nun komme es eben entscheidend auf eine qualitativ hochwertige Anlageberatung an, so der Appell in Richtung Finanzberatung. Erst wenn mündige Anleger den Inhalt und Zweck der Produkte kennen, besteht die Chance, dass sie eine bewusste und gut informierte Entscheidung treffen können, so das Resümee einer Podiumsdiskussion im Anschluss.
BaFin-Chef warnt vor enttäuschten Erwartungen
Auf keinen Fall jedoch sei es Aufgabe der BaFin, eigene ESG-Präferenzen vorzugeben. Nach Ansicht des BaFin-Chefs sei hier immer die Wissenschaft gefragt. Sie solle objektiv und methodisch sauber Standards nachhaltiger Kapitalanlagen entwickeln und formulieren. Und zu entscheiden, welche Energiequellen benötigt werden, um den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft zu meistern, sei wiederum Sache der Politik. Auch wenn die EU-Taxonomieverordnung bereits eine gute Antwort seitens Wissenschaft und Politik biete, laufe man mit der Erklärung von Atomkraft und Gas zu nachhaltigen Energiequellen nun Gefahr, Anleger zu verwirren oder sogar zu enttäuschen. Angesichts der an Fahrt gewinnenden Nachfrage nach grünen Kapitalanlagen einerseits sowie des großen Finanzierungsbedarfs seitens der Wirtschaft andererseits ein bedauerlicher Zustand, so Branson. Die BaFin kommt daher zu dem Schluss, dass ein einfaches Labelling „grün“ oder „nicht-grün“ keine angemessene Lösung ist. So verlockend zum Beispiel eine Green-Asset-Ratio sein möge, so wenig werde die Kennzahl zur Taxonomiekonformität den heterogenen und unterschiedlich differenzierten Präferenzen der mündigen Anleger gerecht, so Branson während einer Diskussionsrunde auf der Konferenz.
Was die BaFin leisten kann
Doch wie sieht die BaFin ihre Rolle bei der Nachhaltigkeitswende selbst? Mit Blick auf das Risikomanagement sei Nachhaltigkeit per se kein neues Risiko, das es zu bewerten gilt. Vielmehr sei damit ein dynamischer Treiber von Risiken entstanden, den die Aufsicht auch im Retailgeschäft verstärkt in den Blick nehmen müsse, betont Branson. Zum einen verfolgt die BaFin daher das Ziel, durch klare Standards zum Mindestmaß nachhaltiger Anteile am Produkt für Transparenz im Markt zu sorgen. Zum anderen sieht die Aufsicht ihre Aufgabe darin, nachhaltige Anlageprodukte auf ihren Anspruch hin zu prüfen. Allerdings könne die BaFin als nationale Behörde nur Produkte aus Deutschland kontrollieren, womit lediglich ein Bruchteil des europäischen Marktes abgedeckt sei, gibt Branson zu bedenken. „Aus Aufsichtsperspektive sind Transparenz, klare Standards und eine marktgetriebene Auswahl aus verschiedenen Arten von nachhaltigen Finanzprodukten der bessere Weg, Anlegerpräferenzen zu bedienen“, erklärt Branson. Und mit der ESG-Abfragepflicht sei im Kleinanlegersegment ein Anfang gemacht. (as)
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