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7. Februar 2024
Abgeschnittene Krawatte: Muss Mann sie sich gefallen lassen?

Abgeschnittene Krawatte: Muss Mann sie sich gefallen lassen?

Zum Altweiberfasching ein nicht seltener Anblick: die abgeschnittene Krawatte am Hemdkragen gut gekleideter Herren. Doch wann ist es zu viel des Guten? Schützt die alte Tradition grundsätzlich vor der Schadenersatzpflicht? Ein Urteil des Amtsgerichts Essen hat schon in den 80er-Jahren für Klarheit gesorgt.

Ein bisschen Spaß muss sein … so die Devise nicht nur unter stets optimistisch gestimmten und gut gelaunten Zeitgenossen, sondern auch grundsätzlich in der traditionsreichen Faschingszeit. Zu dieser hat es sich bekanntlich eingebürgert, bei den Herren der Schöpfung die Schere am Hemdkragen anzusetzen und die Krawatte ein gutes Stück kürzer werden zu lassen.

Doch wie weit darf man hier gehen? Wann hat nicht nur die Krawatte einen Schnitt, sondern auch der angesprochene Spaß ein Loch? Das Amtsgericht Essen musste sich schon 1988 mit solch einem Fall beschäftigen und legte dabei fest: Die Karnevalstradition der Weiberfastnacht schützt nicht in jedem Fall vor der Schadenersatzpflicht.

Schlips zur Weiberfastnacht abgeschnitten

Zur Weiberfastnacht 1987 betrat ein gut gekleideter Mann mit Schlips ein Reisebüro in einem Altenessener Einkaufszentrum auf dem Weg zu einem Geschäftstermin. Unvermittelt nach dem Betreten bewegte sich eine Frau auf den Herren zu und versuchte, ihm seine Krawatte abzuschneiden. Dabei wurde diese so beschädigt, dass sie nicht mehr getragen werden konnte.

Mit dieser Aktion einverstanden scheint der gut gekleidete Herr nicht gewesen zu sein, denn im Anschluss an das Vorkommnis entschied er sich, den Fall vor Gericht zu bringen und die Dame auf Schadenersatz zu verklagen.

Allgemeine Gepflogenheit?

Die Beklagte zeigte sich der Auffassung, dass es am Weiberfastnachtstag allgemeiner Gepflogenheit entspreche, Herren die Krawatten abzuschneiden. Außerdem habe sie den Kläger nicht dazu gezwungen, das Abschneiden zu dulden, beispielsweise durch eine körperliche Überlegenheit. Der Herr hätte ihrer Meinung nach der Handlung widersprechen können. Die Dame war daher der Ansicht, sie könne sich auf den Rechtfertigungsgrund der „mutmaßlichen Einwilligung“ stützen.

Doch dem Gericht reichte diese Rechtfertigung nicht. Die Beklagte habe demnach rechtswidrig das Eigentum des Klägers an der Krawatte verletzt – bewusst und vorsätzlich.

Keine Einwilligung des Klägers

Die „Zerstörung der Krawatte“, wie es im Urteil des Essener Amtsgerichts heißt, geschah außerdem unstreitig ohne die Einwilligung des Klägers. Für die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung sei kein Raum, denn diese komme im Zivilrecht nur dann als Rechtfertigung in Betracht, wenn das betroffene Opfer nicht in der Lage ist, ausdrücklich die Einwilligung selbst zu erklären. Dies sei hier jedoch offensichtlich nicht der Fall gewesen.

Zumindest habe die Dame fahrlässig gehandelt, denn die irrtümliche Annahme einer Einwilligung ziehe weder eine Rechtfertigung noch einen Schuldausschluss nach sich.

Krawatte darf ab – aber nicht bei jedermann

Ein Mitverschulden, das darin gelegen haben könnte, dass der Herr überhaupt zur Weiberfastnacht eine Krawatte trug, sei ihm ebenfalls nicht vorzuwerfen, denn: Laut Gericht beschränkte sich die Sitte des Krawattenabschneidens jedenfalls im Essener Raum darauf, an der Arbeitsstätte oder bei Bekannten, nicht aber bei gänzlich Fremden die Schere zu zücken. Die Beklagte wurde zum Ende der Verhandlung dazu verurteilt, 40 DM Schadenersatz an den Kläger zu leisten.

Merke also: Auch wenn der Fasching Einzug hält, so sollte ohne klare Einwilligung des „Opfers“ die Schere lieber geschlossen bleiben. Zumindest kann man sich so sicher sein, dass man der Schadenersatzpflicht aus dem Weg geht. Außerdem weiß man schließlich nie, ob man gerade an einer teuren Designerkrawatte ansetzt – das wäre natürlich besonders ärgerlich für den eigenen Geldbeutel. (mki)

AG Essen, Urteil vom 03.02.1988 – 20 C 691/87

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