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21. November 2016
Bürgerversicherung ist wieder in aller Munde

Bürgerversicherung ist wieder in aller Munde

Ein Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung prognostiziert einen massiven Stellenabbau in der Assekuranz, sollte es zu einer Bürgerversicherung kommen. Der PKV-Verband skizziert ein noch düstereres Bild: einen noch größeren Stellenabbau und massive Qualitätseinbußen in der Gesundheitsversorgung aller Versicherten. SPD-Politiker Karl Lauterbach polarisiert dagegen mit seiner Aussage, dass durch den Jobabbau in der Verwaltung zusätzliche Pflegekräfte eingestellt werden könnten.

Ein Gutachten der Hans-Böckler-Stiftung („Transformationsmodelle einer Bürgerversicherung – Gestaltungsoptionen aus Sicht von Versicherten und Beschäftigten der Krankenversicherungen“) im Auftrag des DGB befeuert die Diskussion um die Bürgerversicherung. Das Modell einer Bürgerversicherung sieht die Abschaffung des in Deutschland vorhandenen dualen Krankenversicherungssystems vor und wird hauptsächlich von den Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke getragen.

Strukturwandel hat bereits begonnen

Das Gutachten kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass ein Strukturwandel im Bereich der Krankenversicherung bereits in vollem Gange sei. Dieser werde unter anderem durch die Demografie, die Beitragsentwicklung in der PKV und durch die Digitalisierung vorangetrieben. So seien in den Jahren 2014 und 2015 erstmals mehr Versicherte von der PKV in die GKV gewechselt als andersherum.

Jobverlust geht in die Zehntausende

Im Gutachten werden vier verschiedene Szenarien für die Transformation in Richtung einer Bürgerversicherung durchgespielt. Unter der Annahme, dass GKV- und PKV-Unternehmen auf einem gemeinsamen Markt mit gleichen Wettbewerbsbedingungen tätig sind, werde sich der bereits heutige Wechseltrend „PKV in Richtung GKV“ noch weiter verstärken. Dies habe auch Auswirkungen auf die Beschäftigten im Bereich der PKV. So geht das Gutachten in diesem Szenario davon aus, dass über einen Zeitraum von zehn Jahren die Zahl der bei den PKV-Unternehmen Beschäftigten und die der freien Vertriebsbüros um ein Drittel sinken werden. Andere Szenarien des Gutachtens, wie etwa das sofortige Ende der PKV, würden zu einem noch deutlicheren Jobverlust führen. Die Experten der Hans-Böckler-Stiftung fordern die Politik daher zum Handeln auf. Denkbar seien arbeitsmarkt- und qualifizierungspolitische Instrumente für die Beschäftigten der Versicherungsbranche oder Zwischenstufen der politischen Regulierung des Krankenversicherungssystems.

PKV-Verband befürchtet weitaus größeren Arbeitsplatzabbau

Volker Leienbach, Direktor des PKV-Verbandes, betont in einer Stellungnahme, dass die Bürgerversicherung nicht nur Zehntausende Arbeitsplätze zerstören würde, sondern vor allem auch die medizinische Versorgung massiv verschlechtern würde. So garantiere der Wettbewerb von GKV und PKV eine Versorgung, die weltweit ihresgleichen suche. Der Blick ins Ausland zeige, dass Einheitssysteme im Vergleich zu dualen Krankenversicherungssystemen viel schlechter abschnitten. Leienbach weist zudem darauf hin, dass weitaus mehr Arbeitsplätze betroffen seien, als diejenigen innerhalb der PKV. So werden in dem Gutachten weitere Zehntausende ebenfalls bedrohte Arbeitsplätze in unmittelbar angrenzenden Bereichen nicht mitgezählt wie beispielsweise bei Ärzten oder Physiotherapeuten und Hebammen. Leienbachs düsterer Ausblick: „Sie alle würden bei einem Wegfall der PKV massiv geschwächt. Viele Praxen müssten sogar schließen – den Schaden hätten alle Patienten, egal wie sie krankenversichert sind.“

Der SPD-Politiker Karl Lauterbach kann die Aufregung der PKV nicht nachvollziehen. Gegenüber der Passauer Neuen Presse erklärte er, dass auch die PKV-Unternehmen die Bürgerversicherung anbieten könnten. So würden überhaupt keine Jobs verloren gehen. Weiter betonte er, dass im Gesundheitssystem jeder Arbeitsplatz benötigt werde: „Wenn es gelingen würde, in der Verwaltung ein paar Tausend Stellen abzubauen, könnten 10.000 bis 20.000 Pflegerinnen und Pfleger zusätzlich eingestellt werden.“ (kb)

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Thomas Kolwe am 21. November 2016 - 10:26

...gehört schon seit Jahren zu den unsympathischsten Politikern überhaupt. Von seinem Metier hat er wenig Ahnung, fordert aber immer wieder den gleichen Unsinn. Ideologie vs. Menschenverstand. Ein schlimmes Beispiel.

Gespeichert von Ludwig Barthel am 21. November 2016 - 13:09

... und wieder ein Beleg der These, dass wir uns auf dem Pfad in Richtig Gleichmacherei im Sinne unbelehrbarer linker Ideologie befinden, frei nach dem Motto: "Die Solidargemeinschaft wird`s schon richten". Wir geben ja auch nur jeden zweiten Euro im Bundeshaushalt für soziale Zwecke aus....., da ist noch Luft nach oben. Wohin das in letzter Konsequenz führt, hat Francois Mitterand Anfang der 80er Jahre eindrucksvoll denmonstriert, als er im Bund mit den Kommunisten genau das umgesetzt hat, was die politische Linke in unserem Land derzeit fordert. Damit hat er Frankreich innerhalb weniger Monate wirtschaftlich fast vor die Wand gefahren und musste schleunigst wieder alle Reformen zurückdrehen. Alles vergessen: Jede Generation muss ihre eigenen Erfahrungen machen, die Lawine rollt bereits ...

Gespeichert von Peter Schulze am 21. November 2016 - 13:23

Für alle diejenigen die es noch nicht wissen , nächstes Jahr ist Bundestagswahl und Herr Lauterbach hat mit
seinem Kommentar für die SPD die Wahlkampf eröffnet, also alle Jahre wieder das selbige leidige Thema.
Man möge doch überlegen eine Bürgerversicherung für alle GKV`s einzuführen, alle gleichen Beitragssatz,
alle gleichen Zusatzbeitrag und alle gleiche Leistungen, dann würden auf Jahre gesehen , Millionen von Vorstandsgehälter gespart werden , Verwaltungsangestellte können umschulen in Pflegeberufe und die Gelder der angemieteten Immobilien oder zum Teil auch im Eigentum befindlichen Immobilien kämen endlich wieder den Versicherten zu Gute, die ja wie bekannt eine Vielzahl an Leistungen aus Kostengründen schon nicht mehr erhalten,
ganz zu schweigen von dem Werbeetat der gesetzlichen Kassen, welche schließlich auch aus Geldern der Beitragszahler finanziert werden. Herr Lauterbach solle doch die PKV in Ruhe lassen, jeder weis doch das ohne
Privatversicherte manche Praxis zum Untergnag verurteilt wäre.
Aber wie es halt im wahren Leben ist, wer laut blappert lenkt zumindest vorübergehend von der eigenen Dummheit ab.

Gespeichert von Gabriele Fenner am 21. November 2016 - 18:50

Diese einseitige Betrachtung verschweigt, dass für einen großen Teil der in den PKV-Unternehmen Beschäftigten in der Bürgerversicherung neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Dass ausgerechnet eine angeblich gewerkschaftsnahe Stiftung hier nicht aufklärt, spricht für sich.
Dass die Versicherungswirtschaft sich schwer tut - und wie ich feststelle auch ein Teil meiner Kollegen - ist zwar nachvollziehbar, geht aber am Trend deutlich vorbei.
Wir wissen doch alle, dass sich die Wirtschaft peu à peu aus der solidarischen Finanzierung der Sozialversicherungssysteme verabschiedet hat. Jeder notwendigen Beitragserhöhung zur GRV wird die angeblich nicht hinnehmbare Erhöhung der Lohnnebenkosten entgegengesetzt und nicht selten mit Entlassungen oder Unternehmensabwanderung gedroht.
In der GKV tragen die Arbeitnehmer/innen die Zusatzkosten des dringend zu renovierenden Systems.
Dass die Kranken-Vollversicherung sich angesichts von Zeitarbeits-/Projektverträgen auch bei jungen Gutverdienern in der Wirtschaft sich kaum noch verkauft, mindert die Umsätze schon seit geraumer Zeit.

Massiv zur Misere beigetragen hat das Verhalten der Versicherungsunternehmen, die jahrelang Einsteiger-Kampfprämien anboten, um die so gewonnenen Kunden (vielfach durch überhöhte Abschlussprovisionen von Strukturvertrieben unter das gut verdienende uninformierte Jungvolk gebracht)zum Abschluss überredeten.
Offenbar haben hier auch die Aufsichtsbehörden bei der Tarifkalkulation versagt.
Fazit sind extreme Beitragssprünge, die nun solche Versicherungsnehmer bezahlen, die sich aus gesundheitlichen Gründen keinen Versicherer-Wechsel mehr leisten können. Und wenn die Beitragslast gar nicht mehr zu finanzieren ist, müssen sie im Alter, wenn sie die so gepriesene Besserbehandlung, auf Tarife mit GKV-Leistungen ausweichen.
Dass die PKW neben der Kundenwerbung auch die Ärzteschaft in ihr schwankendes Boot holte, hat sich im Laufe der Jahre mehr und mehr gerächt.
Die Probleme der PKW sind also hausgemacht.
Warum nicht alle Einkommensarten sich an der medizinischen Grundversorgung beteiligen sollen, warum innerhalb des Gesundheitswesens nur Ärzte, Funktionäre der Krankenkassen und die Aktionäre und Vorstände der PKV-Unternehmen partizipieren, erschließt sich mir nicht.
Und warum unsere angeblich so innovative Wirtschaft gerade in einem so wichtigen Bereich den Willen zur Erneuerung vermissen lässt, gibt Zeugnis von der Weigerung, die Probleme unserer Profit-orientierten Gesellschaft zu ignorieren.
Die PKV ist ebenso krank wie die GKV. Und beide zusammen sind Ausdruck einer schwer erkrankten Gesellschaft.
Vielleicht könnte die die Radikal-Kur Bürgerversicherung hier zur Gesundung beitragen?