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Management & Vertrieb
17. März 2017
Burnout – Wenn der Kopf streikt und der Körper folgt

Burnout – Wenn der Kopf streikt und der Körper folgt

Übermäßiger Stress und Druck im Arbeitsalltag sind vielen Vermittlern und Beratern in der Versicherungsbranche bekannt. Doch häufig wird das Problem erst spät erkannt – und dann fehlen Strategien, wie man damit umgehen und dem entgegenwirken kann. Diesem Thema widmet sich die Expertin für Stressmanagement Claudia Girnuweit und hat einige Tipps auf Lager.

Kommt Ihnen folgende Situation bekannt vor? Manfred B. dachte an alles und jeden und wollte jedem gerecht werden. Doch einen vergaß er dabei völlig! Im Ignorieren von Warnzeichen war er besonders stark. Und so kam der Tag, an dem sein Arzt ihm sagte: „Entweder Sie ändern jetzt etwas in Ihrem Leben oder ich weise Sie in eine Klinik ein.“

Leben auf der Überholspur: Sie leben unter der Diktatur des Adrenalins. Sie suchen immer den neuen Kick, und das nicht nur im beruflichen Umfeld. Selbst in der Freizeit, die Ihnen eigentlich Ruhephasen vom Alltagsstress bringen sollte, kommen Sie nicht zur Ruhe. Mehr als 41% aller Beschäftigten geben bereits heute an, sich in der Freizeit nicht mehr erholen zu können. Tendenz steigend. Wen wundert es?

Die Welt der Finanzdienstleister ist mit so gut wie allen Katastrophen des Lebens konfrontiert. Meist nicht nur auf dem Papier. Der Alltag ist geprägt von Administration und Dokumentation. Zeit für Vertrieb und Verkauf und ein ausgeglichenes Privatleben bleibt da sehr wenig. Denn die Anforderungen an den Berufsstand werden immer komplexer: Technische, regulatorische, gesamtwirtschaftliche, branchenspezifische und gesellschaftliche Veränderungen beeinflussen das Geschäftsmodell. Die Zeit überholt uns, engt uns ein und bestimmt den Tagesablauf. Viel Arbeit, ein Termin jagt den nächsten, und ständig klingelt das Smartphone. Multitasking ist angesagt. Immer mehr Menschen brechen unter diesem Druck, in kürzester Zeit immer mehr und komplexere Aufgaben bewältigen zu müssen, zusammen.

Auch Fachwissen allein reicht nicht mehr. Wer im Business vorankommen will, muss belastbar sein und organisieren können. Gerade in der Finanz- und Versicherungsbranche strebt jeder danach, von seinem Geld gut leben zu können. So setzen Sie sich tagtäglich mit Ihren Kunden über die finanziellen Folgen von Krankheit, Berufsunfähigkeit und auch Pflegekosten auseinander. Und was ist mit der eigenen Vorsorge? Meist sind es die Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, andere gegen das Risiko einer Berufsunfähigkeit abzusichern, die für sich selbst im Fall einer psychischen Erkrankung nicht vorgesorgt haben.

Doch Sie sollten nicht nur Ihre Kunden absichern, sondern auch auf die Symptome der eigenen Überlastung achten. Denn das tägliche Hamsterrad bleibt oft nicht ohne Folgen: Sie fühlen sich gestresst, überfordert und nicht geschätzt. Gerade der Drang, fleißig und perfekt zu sein, lässt die Seele erkranken – ein Leben unter Hochspannung! Und irgendwann schnappt die Burnout-Falle zu.

Burnout ist auf dem besten Weg, in absehbarer Zeit die Krankheit Nummer eins zu werden. Und das Stigma dieser psychischen Erkrankung erweist sich für die Betroffenen meist als zusätzliche Belastung. Für sie bedeuten die negativen Reaktionen auf ihre Erkrankungen nicht zuletzt, dass ihr soziales Netz – Lebenspartner, Freundes- und Bekanntenkreis – stark belastet wird. 

Um aus diesem Hamsterrad herauszukommen, ist es zuerst einmal wichtig, sich selbst zu erkennen und dann die Bereitschaft zu haben, an der jetzigen Situation wirklich etwas ändern zu wollen. Es braucht Eigenverantwortung, Selbstreflexion, Mut und ein gutes soziales Umfeld, das einen trägt. Als Hilfestellung für diese Veränderungen möchte ich Ihnen einen kurzen Leitfaden für Ihren Versicherungsalltag an die Hand geben.

Positionieren Sie sich

Viele Kollegen haben diese Positionierung bereits für sich gefunden und auch erfolgreich umgesetzt. Schauen Sie sich in Ihrem persönlichen (regionalen) Umfeld um. Sicher werden Sie dort genau solch einen Experten finden, der sich klar positioniert hat. Fragen Sie ihn, was und wie er diesen Weg gefunden hat.

Gehen Sie netzwerken und bauen Sie sich Kooperationen auf

Nutzen Sie auch Netzwerke, die nichts mit der Branche zu tun haben. Seien Sie neugierig und schnuppern Sie einfach mal rein. Frauen beispielsweise netzwerken anders als Männer. Das kann für beide Seiten sehr inspirierend sein.

Setzen Sie sich Prioritäten

Wenn Sie ein Homeoffice haben, schaffen Sie einen Raum, in dem Sie die Kunden empfangen. Das eigene Wohnzimmer eignet sich nicht wirklich dafür. Sollte das nicht möglich sein, überdenken Sie das Konzept des Homeoffice. Auch hier lassen sich wunderbare Kooperationen gestalten.

Schaffen Sie sich Pausen

Manchmal lässt sich dann die Wochenendarbeit doch nicht vermeiden. Beschränken Sie diese auf maximal ein Wochenende im Monat. Auch hier gilt: Setzen Sie Prioritäten!

Prüfen Sie Ihre Rollen

Hier ist Ehrlichkeit gefragt. Kommen Sie aus Ihrer Komfortzone und stellen Sie sich die Fragen: „Bringt mich das auf lange Sicht wirklich weiter?“ und „Ist das zielführend?“

Wer kann mich unterstützen?

Sie müssen nicht alles selber machen. Schließlich haben Sie sich positioniert, und das mit Sicherheit nicht als Büro­perle. Seien Sie sich Ihrer Stärken bewusst und delegieren Sie die Bereiche, bei denen Sie eine Schwäche oder einfach keine Lust haben. Dafür sind dort andere Experten.

Machen Sie sich die Technik zum Freund

Nutzen Sie nicht zu viele Tools parallel, denn dann benötigen Sie für alles eine Schnittstelle. Schauen Sie, dass Sie ein Tool mit möglichst vielen Funktionen finden und das vor allen Dingen mit Ihrem bestehenden System kompatibel ist.

Greifen Sie nicht nach jedem Strohhalm

Glauben Sie nicht alles, was man Ihnen verspricht – egal wie verlockend das Angebot klingt. Die Welt ist voll von Finanzskandalen, die Opferrolle steht Ihnen nicht. Bedenken Sie: „Erfahrungen sind das Einzige, das gebraucht besser ist als neu.“

Lernen Sie, nein zu sagen

Fangen Sie im Kleinen mit dem Neinsagen an. Am besten fangen Sie beim nächsten Supermarktbesuch an der Wursttheke an. Wenn die Verkäuferin Sie fragt: „Darf’s ein bisschen mehr sein?“, dann antworten Sie bitte mit einem Nein. Und so holen Sie jeden Tag ein Nein mehr in Ihren Alltag. Sie werden feststellen, wie gut Ihnen das tut.

Achten Sie auf sich und nehmen Sie sich selber wichtig

Das ist der wichtigste Tipp von allen! Wir beraten fast täglich unsere Kunden im Hinblick auf Vorsorge. Eine Versicherung ist immer eine präventive Maßnahme und soll Schutz für den Fall der Fälle bieten. Jedoch sind wir im Bereich Prävention uns selbst gegenüber sehr großzügig.

Und last, but not least:

Lachen Sie so oft wie möglich, denn Lachen ist Medizin für Seele und Körper! Kinder lachen etwa 400 Mal am Tag. Erwachsene gerade mal 15 Mal – eine traurige Lachbilanz.

Mit diesen Tipps für Ihren Versicherungsalltag können Sie nun entspannter in die Zukunft blicken. Machen Sie sich eine Übersicht, welche Dinge Sie davon ändern wollen und können. Klassifizieren Sie diese in die kurz-, mittel- und langfristige Umsetzung. Und notieren Sie bitte das Zeitfenster, in dem Sie diese Veränderungen realisieren wollen. Schließen Sie hierzu einen Vertrag mit sich selbst, das schafft mehr Verbindlichkeit.

Den Text lesen Sie auch in AssCompact 03/2017, Seite 88 f.

 
Ein Artikel von
Von Claudia Girnuweit