Die Zinsen steigen – und das deutlich stärker als erwartet. Das hat das Analysehaus Assekurata ermittelt. Gemeint ist diesmal jedoch nicht die Erwartung der Kapitalmärkte vor der jüngsten EZB-Ratssitzung oder vor der Tagung der Notenbanker im US-amerikanischen Jackson Hole. Vielmehr hat sich Assekurata für die Erwartungshaltung der deutschen Versicherungsunternehmen interessiert. Die Analysten haben aus diesem Grund die Kapitalanleger deutscher Versicherungsunternehmen gefragt, wo sie den Zinssatz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte – landläufig auch als „der Leitzins“ bezeichnet – Ende 2022 sehen.
Versicherer verschätzen sich massiv
Das Ergebnis: Die meisten Kapitalanleger der Versicherer prognostizierten einen Zinssatz von 0 bis 0,25%. Im Durchschnitt lag die Schätzung bei 0,13%. Vereinzelt wurde auch mit einem negativen Leitzins gerechnet. Lediglich zwei der Befragten rechneten mit einem Leitzins von 0,5% – keiner mit einem höheren. Und voraussichtlich keiner der Befragten wird den Zinsstand Ende 2022 korrekt prognostiziert haben. Denn nach ihrer historisch drastischen Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte wird der Leitzins im Euroraum ab dem 14.09.2022 einen Wert von 1,25% erreichen.
Leitzins 2023 deutlich über 2%
Und damit nicht genug: EZB-Präsidentin Lagarde hat mindestens noch eine weitere Leitzinserhöhung in diesem Jahr in Aussicht gestellt. Die Kapitalmarktteilnehmer erwarten jedoch eher noch zwei weitere Zinsanhebungen. Für das Frühjahr 2023 sehen die Volkswirte verschiedener bedeutender Vermögensverwalter wie Vanguard, PIMCO oder AXA Investment Managers den Leitzins bei über 2%.
Neubewertung der Lage nötig
Wie kommt angesichts dieser Prognosen aber die große Schere zwischen den Erwartungen der Kapitalanleger deutscher Versicherer und der Realität zustande? Die Antwort ist einfach: Die Assekurata-Umfrage fand zwischen April und Mai 2022 statt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die Inflationsrate zwar bereits auf einem bedenklichen Hoch und aus den USA kamen bereits erste Signale, die auf eine deutliche Zinssteigerung hindeuteten – die Fed hatte im März ihre erste Zinserhöhung seit 2018 angekündigt.
Hohe Inflationsrate nicht mehr nur temporär
Doch im Euroraum war zu dem damaligen Zeitpunkt noch immer das Mantra von der vorübergehend oder temporär hohen Inflation zu vernehmen. Diese Sicht auf die Dinge wandelte sich jedoch von da an dramatisch. Die Notenbanken beidseits des Atlantiks versuchen seitdem, den anhaltend hohen Inflationsraten mit höheren Leitzinsen zu Leibe zu rücken.
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