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17. Juli 2018
Pensionskassen in Schieflage: Geht ohne Zusatzkapital nichts mehr?

Pensionskassen in Schieflage: Geht ohne Zusatzkapital nichts mehr?

Mit 45 Pensionskassen ist die BaFin aus Sorge um Leistungskürzungen in intensiveren Gesprächen. Betroffen seien 2,8 Millionen Betriebsrentner, geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor. Dort zeigt sich auch: Einige Kassen werden auf zusätzliches Kapital angewiesen sein, um ihre Renten auszahlen zu können.  Welche Anbieter betroffen sind, sagt die Regierung nicht.

17,7 Millionen sozialversicherte Arbeitnehmer haben derzeit eine Anwartschaft auf eine Betriebsrente. Durchschnittlich zahlen sie dafür 123 Euro monatlich ein. Heute erhalten Bezieher von Betriebsrenten durchschnittlich 418 Euro brutto monatlich. Doch wird das auch in Zukunft so sein?

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (AssCompact berichtete) gibt Aufschluss über die Lage der Pensionskassen, auch wenn manche Fragen unbeantwortet bleiben. Sie legt dar, wie viele Kassen momentan und in Folge der anhaltenden Niedrigzinsphase in Schieflage geraten sind. Demnach führt die BaFin momentan mit 45 von den insgesamt 137 Pensionskassen in Deutschland intensivere Gespräche. Die betroffenen Pensionskassen verwalten 10% der insgesamt 165 Milliarden Kapitalanlagen.

Pensionskassen unter Beobachtung: 2,8 Millionen betroffene Betriebsrentner

Die 45 Kassen haben laut der Regierung rund 2,8 Millionen Versorgungsberechtigte. 1,2 Mrd. Euro beziehen Rentner von ihnen momentan jährlich. Eingezahlt wurden allein im Jahr 2016 2,1 Mrd. Euro. Wie dem Regierungsdokument außerdem zu entnehmen ist, gab es unter den 45 Kassen seit 2008 acht Bestandsübertragungen oder Verschmelzungen. Die BaFin will vermeiden, dass Versicherten künftig Leistungen gekürzt werden und stellt sie daher unter genauere Beobachtung.

Auch Zahlen zur Solvabilität der Pensionskassen legt die Regierung vor. Sie liegt im Schnitt bei 133,5% (2017). Im 10-Jahres-Vergleich schwankte der Wert zwischen 126,9% (2008) und 140,1% (2012) und war damit einigermaßen stabil. Die laufende Bruttoverzinsung der Kapitalanlagen ist allerdings seit 2009 im Schnitt gesunken. Damals waren es 4,4%. Der vorläufige Wert für 2017 beläuft sich auf 3,4%. Die Einnahmen sind hier also rückläufig.

Lage bei zehn Pensionskassen besonders ernst

Laut Bundesregierung ist die Lage bei zehn Kassen mit rund 130.000 Versorgungsberechtigten besonders ernst. Die Frage der Grünen nach der Kapitalausstattung dieser Kassen umgeht die Bundesregierung, indem sie sich auf eine mangelnde Datenlage beruft. Wie die Bundesregierung erklärt, hat nur eine Kasse bereits Anwartschaften gekürzt. Voraussetzung für eine solche Maßnahme ist eine Satzungsklausel, die es unter bestimmten Voraussetzungen und mit Zustimmung der BaFin erlaubt, Versicherungsansprüche zu kürzen. Weitere Anträge auf Kürzungen der Anwartschaften liegen laut Bundesregierung derzeit aber nicht vor. Die Bestandsübertragungen und Verschmelzungen hättem bisher nicht zu Anwartschaftskürzungen geführt, heißt es weiter.

Kürzungen des Rentenfaktors in 29 Fällen

Allerdings – und das legt das Papier auch offen – gab es mittlerweile in 29 Fällen Kürzungen des Rentenfaktors für zukünftige Beiträge. Sie alle wurden von der BaFin genehmigt. Wie man herauslesen kann, ging es dabei nicht darum, eine Insolvenz zu vermeiden, sondern darum, Solvabilitätsanforderungen zu erfüllen. Keinen Aufschluss gibt es darüber, wie viele Versicherte davon betroffen sind.

Arbeitgeber müssen einspringen

Laut Regierungsantwort müssen in erster Linie die Arbeitgeber für entstehende Lücken durch schwächelnde Pensionskassen einstehen. In den letzten Jahren haben rund ein Drittel der Pensionskassen zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Zum Umfang der Mittel gibt es laut  Antwort keine Daten.

Finanzexperte Schick: Halter von Nachrangdarlehen in die Verantwortung nehmen

Außerdem wurden in den Jahren 2008 bis 2017 den Pensionskassen 25 Nachrangdarlehen und Genussrechte begeben. Die Zinsaufwendungen dafür gehen laut der Regierung nicht zu Lasten des Überschusses und somit des Versicherten. Allerdings treiben sie vermutlich die Kosten in die Höhe. Kürzungen von Anwartschaften waren mit den Nachrangdarlehen nicht verbunden. Dr. Gerhard Schick, Finanzexperte der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen sieht hier auch die BaFin in der Pflicht: „Die Aufsichtsbehörde BaFin ist bei den Genehmigungsverfahren in der Pflicht ihr Verbraucherschutzmandat stärker wahrzunehmen und Kürzungen zu verhindern. Gerade auch die Halter von Nachrangdarlehen müssen bei Leistungskürzungen in die Verantwortung genommen werden. Andernfalls entsprechen die teils gezahlten Zinssätze von über sechs Prozent nicht dem Risikoprofil der Darlehen.“ Spezielle Sicherungssysteme plant die Bundesregierung nicht einzuführen. Sie verweist auf die Umsetzung der ebAV-II-Richtlinie sowie die Schutzmechanismen des VAG. (tos)